Einen Hecht würde ich nicht trauen, sagte sie, um ihre Aufregung zu verbergen; er würde mir die Finger wegschneiden, glatt wie mit einem Messer.
Und sie zeigte auf einem Brett von peinlicher Sauberkeit eine Reihe von Hechten, die nach ihrer Größe ausgelegt waren, neben bronzefarbenen Schleien und kleinen Häuflein von Gründlingen. Ihre Hände glänzten jetzt vom Fett der Karpfen und sie hielt sie vom Körper ab, vor ihren Fischbehältern aufrecht stehend. Sie war gleichsam eingehüllt in einen Geruch von Fischlaich, in einen jener schweren Gerüche, wie sie aus dem Röhricht und von den Sumpfpflanzen aufsteigen, wenn die Brut die Bäuche der Fische schier zum Bersten bringt. Lächelnd und mit der ruhigen Miene eines fischblütigen Mädchens wischte sie sich die Hände in ihrer Schürze ab.
Diese Teilnahme Claires war für Florent nur ein geringer Trost. Wenn er stehen blieb, um mit dem Mädchen eine Weile zu plaudern, zog ihm dies nur noch schmutzigere Neckereien zu. Claire zuckte dann mit den Achseln und sagte, ihre Mutter sei eine alte Gaunerin und ihre Schwester eine Nichtsnutzige. Die Ungerechtigkeit des Marktes gegen den Aufseher erfüllte sie mit Zorn. Die Fehde verschlimmerte sich aber von Tag zu Tag. Florent dachte schon daran, seine Stelle aufzugeben; nicht vierundzwanzig Stunden wäre er da geblieben, hätte er nicht gefürchtet, vor Lisa feig zu erscheinen. Er war besorgt darüber, was sie sagen, was sie denken werde. Sie war auf dem laufenden über den schweren Kampf zwischen den Fischweibern und ihrem Inspektor, denn die Hallen waren voll von diesem Kampfe und jeder neue Streit wurde im Stadtviertel endlos besprochen.
Ich würde ihnen schon die Köpfe zurechtsetzen, pflegte sie des Abends nach dem Essen zu sagen. Es sind lauter Weiber, die ich nicht mit dem Finger berühren möchte.
Ein schmutziges Pack! Diese Normännin ist die letzte unter den letzten! ... Ich würde sie beugen; die Autorität allein gilt; verstehen Sie, Florent? Ihre Art, die Dinge aufzufassen, ist nicht die richtige. Zeigen Sie Ihre Krallen, und Sie sollen sehen, wie alle zu Kreuze kriechen.
Der letzte Auftritt war furchtbar.
Eines Morgens kam die Magd der Bäckerin Frau Taboureau auf den Fischmarkt und suchte einen Steinbutt. Die schöne Normännin, die sie seit einigen Minuten um ihren Tisch die Runde machen sah, winkte ihr freundlich zu.
Kommen Sie doch näher, ich will Sie befriedigen ... Wollen Sie ein Paar Seezungen oder einen schönen Steinbutt?
Als sie näher trat und nach einem Steinbutt suchte mit der zögernden Miene, die die Käuferinnen annehmen, um weniger zahlen zu müssen, fuhr die schöne Normännin fort:
Wiegen Sie 'mal den Fisch!
Dabei legte sie ihr einen Steinbutt in die offene Hand, der in ein Stück groben, gelben Papiers gewickelt war.
Die Magd, eine kleine, schwächliche Auvergnatin, wog den Fisch in der Hand, öffnete ihm die Kiemen und fragte, noch immer mit mürrischer Miene:
Wie teuer?
Fünfzehn Franken, erwiderte die Fischhändlerin.
Da legte die Magd den Fisch schnell wieder auf den Tisch hin und wandte sich zum Gehen. Doch die schöne Normännin hielt sie zurück.
Bieten Sie nur!
Nein, das ist zu teuer.
Bieten Sie immerhin!
Acht Franken, wenn Sie wollen.
Die Mutter Méhudin, die aus ihrem Schlummer aufzuwachen schien, lachte in einer beunruhigenden Weise. – Die Leute glauben rein, daß man die Waren stiehlt, meinte sie. – Acht Franken für einen Steinbutt von dieser Größe! Man wird dir einen geben, Kleine, um dir in der Nacht die Haut zu kühlen. Die schöne Normännin wandte sich beleidigt ab. Doch die Magd kam zweimal zurück, bot neun Franken und ging bis zu zehn Franken. Als sie sich ernstlich anschickte fortzugehen, rief ihr die Fischhändlerin zu:
Kommen Sie her, geben Sie das Geld!
Die Magd trat vor die Bank hin und begann mit der Frau Méhudin freundlich zu plaudern. Frau Taboureau sei so schwer zufrieden zu stellen. Sie habe abends Gäste zu Tische, Verwandte aus Blois, einen Notar mit seiner Frau. Frau Taboureau stamme aus einer sehr anständigen Familie; sie selbst, obgleich nur eine Bäckersfrau, habe eine sehr schöne Erziehung erhalten.
Weiden Sie den Fisch gut aus, sagte sie, im Gespräch sich unterbrechend.
Die schöne Normännin hatte mit einem Griff den Fisch ausgeweidet und die Abfälle in den Kübel geworfen. Sie fuhr mit einem Zipfel ihrer Schürze unter die Kiemen, um einige Sandkörner wegzuwischen, dann legte sie den Fisch in den Korb der Auvergnatin und sagte:
Da, mein schönes Kind; Sie werden mich loben.
Allein nach einer Viertelstunde kam die Magd wieder gelaufen. Sie war ganz rot, denn sie hatte geweint, und ihre ganze kleine Person zitterte vor Zorn. Sie warf den Steinbutt auf den Tisch und zeigte einen breiten Riß an der Bauchseite, der bis zu den Gräten reichte. Aus ihrer durch das Schluchzen zusammengepreßten Kehle sprudelte eine Flut abgehackter Worte hervor.
Frau Taboureau will den Fisch nicht. Sie sagt, sie könne ihn nicht auf den Tisch bringen. Und sie hat mir wieder gesagt, ich sei eine Gans und ließe mich von aller Welt bestehlen. Sie sehen ja, daß der Fisch ganz zerschunden ist. Ich habe ihn nicht umgekehrt, weil ich Vertrauen hatte ... Geben Sie mir meine zehn Franken zurück.
Man sieht sich die Ware an, antwortete ruhig die schöne Normännin.
Als die andere nun noch lauter ihr Geld zurückforderte, erhob sich auch Frau Méhudin.
Lassen Sie uns in Frieden, hören Sie! Man nimmt einen Fisch nicht zurück, der bei den Leuten herumgelegen. Kann man wissen, wo Sie ihn fallen ließen, daß er in einen solchen Zustand geraten?
Ich? Ich?
Die Kleine drohte zu ersticken. Dann brach sie in ein Schluchzen aus und rief:
Ihr seid zwei Diebinnen! Frau Taboureau hatte es mir wohl gesagt!
Was nun folgte, war fürchterlich. Mutter und Tochter machten mit erhobenen Fäusten ihrem Zorne Luft. Die kleine, erschreckte Magd, ein Spielball zwischen der Alten mit ihrer heiseren Stimme und der Jungen mit der Pickelflötenstimme, weinte noch heftiger.
Fahr' ab! Deine Frau Taboureau ist weniger frisch, als dieser Fisch; man müßte sie ausflicken, um sie jemandem vorzusetzen.
Einen ganzen Fisch für zehn Franken! ... Danke schön; das gibt's bei mir nicht!
Und was kosten denn deine Ohrgehänge? Man sieht wohl, daß du sie auf dem Rücken verdienst.
Ei freilich; sie macht des Abends einen kleinen Spaziergang auf dem Bürgersteig.
Florent, vom Marktwächter herbei geholt, kam hinzu, als der Streit am schlimmsten wütete. Der ganze Pavillon war in hellem Aufruhr. Die Fischweiber, die einander vor Neid verschlingen möchten, wenn es sich darum handelt, einen Hering für zwei Sous zu verkaufen, verständigen sich vortrefflich, wenn es gilt, eine Käuferin zu bekämpfen. Sie sangen: »Die Bäckerin hat Taler viel, doch tut sie nichts dafür ...«; sie stampften mit den Füßen, reizten die Méhudin noch mehr auf; einige sprangen hervor, als wollten sie der kleinen Magd in die Haare fahren, die in dieser Flut von Beschimpfungen schier unterging.
Geben Sie dem Mädchen die zehn Franken wieder, sagte Florent, als er von der Sachlage unterrichtet war.
Doch die Mutter Méhudin war nun einmal im Zuge.
Du, mein Kleiner, ich will dir eins pf....n! Da, so gebe ich die zehn Franken zurück!
Und sie schleuderte den Fisch der Auvergnatin ins Angesicht, daß sogleich das Blut aus der Nase der Magd hervorquoll. Der Fisch fiel mit einem dumpfen Klatsch zu Boden. Diese Roheit brachte Florent außer sich. Die schöne Normännin wich erschreckt zurück, während er schrie:
Ich weise Sie für acht Tage aus und werde Ihnen die Marktbefugnis entziehen lassen. Hören Sie?
Als er hinter sich ein Gejohle hörte, wandte er sich mit so drohender Miene um, daß die eingeschüchterten Fischweiber ganz still wurden. Als die Méhudin die zehn Franken zurückgegeben hatten, gebot er ihnen, augenblicklich den Verkauf einzustellen. Die Alte erstickte schier vor Wut; die Tochter war bleich und stumm. Sie, die schöne Normännin, von ihrer Fischbank verjagt! Claire sagte mit ihrer ruhigen Stimme, daß ihr recht geschehen sei. Darob gerieten die beiden Schwestern des Abends, in ihrer Wohnung, einander in die Haare. Als nach Verlauf von acht Tagen die Méhudin wieder auf dem Markte erschienen, beobachteten sie eine ruhige, still grollende Haltung. Auch die anderen im Pavillon waren ruhig; die Ordnung war wieder eingekehrt. Die schöne Normännin nährte seit jenem Tage sicherlich furchtbare Rachegedanken. Sie merkte, daß der Schlag von der schönen Lisa komme; sie war ihr am Tage nach der Schlacht begegnet, und jene hatte den Kopf so hoch getragen, daß die Fischhändlerin sich im stillen schwor, die Metzgersfrau solle den triumphierenden Blick teuer bezahlen. Es gab in den Winkeln der Hallen endlose Beratungen mit Fräulein Saget, Madame Lecoeur und der Sarriette; allein nach all dem ungeheuerlichen Geträtsch über die Ausschweifungen Lisas mit dem Vetter und über die Haare, die man in den Würsten Quenus finde, fühlte die Fischhändlerin sich wenig erleichtert. Sie suchte nach etwas sehr Boshaftem, was ihre Feindin im Herzen treffen sollte.
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