Und die Geister verstanden das Getue der Nixen nicht im mindesten.
Und die Geister konnten nicht fragen; das Eiglas verschloß ihnen den Mund.
Indessen – nun senkte sich in die Geister eine neue Neigung: sie wollten unwillkürlich tun, was die Nixen taten – – auch wie diese die Bewegungen, die sich in den gemächlich kreisenden Glanzstrudeln entfalteten, nachahmen.
Das ging nun zwar nicht – des Eiglases wegen – dafür ging jedoch was andres: sie konnten das Strudelreich, das jetzt nur noch ganz langsam kreiste, allmählich ein bißchen verstehen; es bewegte sich der ganze Krempel so wundervoll.
Und die Nixen lachten und sprachen, daß es dumpf hallte – wie in fernen Kellergewölben: »Ihr lacht Euch scheckig, wenn Ihr den ganzen verworrenen Hexensabbat des Lebens nur als Bewegungsspiel nehmt. Es macht irrsinnig, wenn man alles für tiefsinnig halten möchte. Das Tiefsinnige muß sich doch immer, um als solches zu gelten, aus einer Fülle von Flachsinnigem herausheben können. Darum laßt das Tiefsinnige seitwärts stehen und nehmt zunächst mal alles bloß als Bewegungsspiel, so werdet Ihr die Welt besser begreifen als bisher.«
Knipo wurde sehr ärgerlich.
» Hier baumelt ein Rettungsanker für die Flachköpfe!«
Also wollte er rufen, leider vermochte er nicht, sich hörbar zu machen.
Die Worte der Nixen, die sich jetzt ins dunkle Wasser zurückzogen, wirkten aber nach, und viele Geister gaben zu, daß das Reich der sinnverwaltenden Vernünftigkeit immer nur klein sein dürfte, denn wenn's überall zu sehen und zu haben wäre, so wär's doch gleich was Gewöhnliches.
»Das Gewöhnliche muß aber grundsätzlich vermieden werden!« sagten sie eifrig.
Und die Wassermassen wurden ruhig.
Und nun zog der Glanz fort aus dem ruhigen Wasserreich – und der Wirrwarr darinnen wurde grau und farblos – und die Gestalten schrumpften zusammen und sahen elend und ärmlich aus, obgleich sie sich im ganzen genommen lebhafter bewegten als bisher.
Und abermals erschienen die Nixen.
Und abermals ahmten die Nixen das Bewegungsspiel der Schlangen, Stiere, Soldaten, Aale und Priester – Töpfe, Seesterne, Flundermänner, Kinder, Säulen und Kröten nach.
Und die Geister verstanden das Nixenspiel; sie empfanden als richtig, daß auch der Reichtum an Glanz und Farbe nicht als solcher fühlbar werden könnte, wenn er überall zu sehen und zu haben wäre – und daß das Bewegungsspiel farbloser Massen nicht weniger reizend wirke – wie das der farbenreichen und glanzvollen.
»Im Farblosen«, wollte Knipo sagen, »wirken die Bewegungen als solche noch viel mehr.«
Und die Geister bedauerten, daß sie sich nicht so bewegen konnten wie die Nixen.
Die Geister hatten sich aber allmählich an den durchgerührten Lebenspunsch mit seinem Wirrsal gewöhnt und schwammen ganz munter drinnen herum.
»Man muß sich an die Welt nur gewöhnen – nur gewöhnen – und nicht immer höhnen.«
Diese Worte hätten sie gerne laut ausgesprochen.
Sie merkten aber währenddem, daß allmählich alles so recht schmutzig wurde – so recht unanständig – gemein und ekelhaft.
Trotzdem blieb das Bewegungsspiel so reizvoll wie bisher. Die Nixen riefen – in gedämpften Baßtönen: »Ja – ja – das Anständige muß auch seinen Hintergrund haben, sonst wird es gewöhnlich.«
Knipo fand, daß die Verworrenheit einen ganz neuen Reiz durch die schmutzigen Elemente erhielt; er hätte so gerne gesagt:
»Glaubt doch den Nixen nicht ein einziges Wort! Die Geschichte wird tatsächlich immer köstlicher, obgleich sie schmutziger wird. Der Schmutz macht ja das Bewegungsspiel so schrecklich reich, er braucht wirklich nicht entschuldigt zu werden.«
Die Nixen wurden nun leider so scheußlich schmutzig – so voll Schlamm und Unrat –, daß sie – scheinbar aus Scham – wieder im dunklen Wasser verschwanden.
Und die Geister bemerkten über sich ein helles weißes Licht.
Und sie kamen an die Oberfläche des Meeres – obgleich sie geglaubt hatten, daß sie immer tiefer runterkämen.
Das Meer war so weiß, als wäre weiße Kreide drin aufge löst.
Und der alte Himmel war gelb wie frische Butter.
Und die Geister stiegen in den Himmel empor wie Luftballons.
Und die Glaseier lösten sich oben auf und fielen tropfend in das Kreidemeer hinein – das Kreidemeer zischte. Und die zehntausend konnten sich wieder bewegen und atmeten auf.
Inhaltsverzeichnis
Geister, die sich lange nicht bewegen konnten, bewegen sich wieder.
Und jetzt wollen sie wieder selbständig werden, um noch anders die Welt genießen zu können; nicht hoffen sie mehr, Götter zu werden – doch sie hoffen immer noch, was andres zu werden.
Und wenn sie was andres geworden sind, dann wollen sie erst mal wieder genießen – anders genießen – anders – eine andre Welt.
Alles Göttliche wird im fernen Hintergrunde auch immer wieder anders – bald größer und bald kleiner.
Und während sich die Geister recken und drehen und den Kopf nach allen Seiten biegen, sehen sie, wie im weiten gelben Himmel unzählige blutrote Sterne aufleuchten. Doch die blutroten Sterne stehen nicht still; sie fliegen herum, wie Fliegen im Sonnenschein hin und her zucken – und nur zuweilen fest bleiben in der Luft, um noch heftiger hin und her zu zucken.
Beim Anblick der zuckenden Sterne glauben die Geister, daß sie fühlen, wie ihre Selbständigkeit langsam aufkeimt, und ihnen wird so stolz zu Mute, als wenn sie flott in die Unsterblichkeit segeln dürften.
Die Geister gruppieren sich kegelförmig, so daß sie zusammen eine runde nach unten offene Tüte bilden. Hoch oben auf der Spitze steht Knipo.
Mattgrau sind die Geister, ihre Gewänder werden steif und kriegen grade regelmäßige Falten; die Köpfe heben sich höher, so daß die Hälse länger werden. Die Hälse werden sehr beweglich, und auf den Köpfen bilden sich glänzende Opalaugen, so daß die Geister viel mehr seher als bisher.
Die Geistertüte dreht sich – ganz langsam.
Und am gelben Himmel, in dem die blutroten Sterne immerzu hin und her zucken wie Fliegen im Sonnen schein, entwickelt sich ein buntes Lampenfest, was sehr seltsam wirkt, da's ganz hell bleibt.
Zunächst entstehen weiter unten ringsum in der Runde große hellblau leuchtende Pyramiden; sie bilden einen weit abstehenden Pyramidenkranz um den runden hohlen Fuß der Geistertüte.
Und über den hellblauen Pyramiden entstehen dunkelblaue Riesenoktaeder; diese bilden einen noch weiter abstehenden Kranz, der sich noch tiefer in den gelben Welthimmel hineinschiebt.
Und aus diesen unteren hellblau und dunkelblau leuchtenden Lampenkränzen schießen hellgrüne und dunkelgrüne Raketen hoch in die gelbe Himmelshöhe und bleiben und vereinen sich in einem dicken Punkte hoch, hoch über Knipos Kopf, daß die Geister die Empfindung haben, sich inmitten einer Kranzkrone zu befinden.
Und die hellblauen Pyramiden und die dunkelblauen Oktaeder drehen sich unten, und mit ihnen drehen sich die hellgrünen und dunkelgrünen Raketen. Die Raketen bestehen aber aus lauter leuchtenden kleinen Kugeln, die sich auch drehen und wie hellgrüne und dunkelgrün Perlen schimmern und spiegeln.
Zwischen den grünen Raketen zucken noch wie anfangs auf dem gelben Himmelsgrunde die blutroten Sterne wie Fliegen im Sonnenschein hin und her.
Und dieser sich drehende Raketenkorb verwirrt die Geister, die mit ihren Opalaugen in der Mitte stehen wie eine schlanke Kirchturmspitze.
Es ist aber sehr still im weiten All.
Und Knipos Stimme erschallt und sagt laut von oben herunter: »Wohl dem, der sich niemals wundert über die Wunder der Weltbewegung. Wohl dem, der ruhig alles hinnimmt wie ein Geschenk – und nicht mehr haben will. Und ich weiß, daß es Geister gibt, die so viel haben, daß sie gar nichts damit anzufangen wissen – und dennoch immer mehr haben wollen. Ich weiß das und wundre mich auch darüber nicht.«
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