Wer Mr. Tylor 's und Sir J. Lubbock 's interessante Werke 377aufmerksam liest, wird kaum umhin können, einen tiefen Eindruck von der großen Ähnlichkeit zwischen den Menschen aller Rassen in ihren Geschmacksrichtungen, Dispositionen und Gewohnheiten zu erhalten. Dies zeigt sich in dem Vergnügen, welches sie alle an Tanz, an roher Musik, Schauspielen, Malen, Tättowieren und sich auf andere Weise Decorieren finden, in ihrem gegenseitigen Verständnis einer Geberdensprache, in dem gleichen Ausdruck in ihren Zügen und in den gleichen unarticulierten Ausrufen, wenn sie durch verschiedene Gemüthsbewegungen erregt sind. Diese Ähnlichkeit oder vielmehr Identität ist auffallend, wenn man sie mit den verschiedenen Ausdrucksarten und Ausrufen zusammenhält, welche bei verschiedenen Species von Affen zu beobachten sind. Es sind gute Beweise dafür vorhanden, daß die Kunst, mit Bogen und Pfeilen zu schießen, nicht von einem gemeinsamen Urerzeuger des Menschengeschlechts überliefert worden ist; und doch sind die steinernen Pfeilspitzen, welche aus den entlegensten Theilen der Erde zusammengebracht sind und in den entferntesten Zeiten verfertigt wurden, wie Westropp und Nilsson bemerkt haben, 378fast identisch; und diese Thatsache kann nur dadurch erklärt werden, daß die verschiedene Rassen ähnliche Fähigkeiten der Erfindung oder geistige Kräfte überhaupt gehabt haben. Dieselbe Bemerkung ist von Archäologen 379in Bezug auf gewisse weitverbreitete Ornamente, z. B. Zickzacks u. s. w., gemacht worden, ebenso in Bezug auf verschiedene einfache Zeichen des Glaubens und auf Gebräuche, wie das Begraben der Todten unter megalithischen Bauten. Ich erinnere mich, in Süd-Amerika beobachtet zu haben, 380daß dort, wie in so vielen anderen Theilen der Erde, der Mensch allgemein die Gipfel hoher Berge gewählt hat, um auf ihnen Massen von Steinen anzuhäufen, entweder zum Zweck, irgend ein merkwürdiges Ereignis zu bezeichnen, oder seine Todten zu begraben.
Wenn nun Naturforscher eine nahe Übereinstimmung in zahlreichen kleinen Einzelheiten der Gewohnheiten, der Geschmacksrichtungen und Dispositionen zwischen zwei oder mehreren domesticierten Rassen oder zwei nahe verwandten natürlichen Formen beobachten, so benutzen sie diese Thatsachen als Argumente dafür, daß alle von einem gemeinsamen Urerzeuger abstammen, welcher in dieser Weise begabt war, und daß folglich alle zu einer und derselben Species gerechnet werden sollten. Dasselbe Argument kann mit vieler Kraft auf die Rassen des Menschen angewandt werden.
Da es unwahrscheinlich ist, daß die zahlreichen und bedeutungslosen Punkte der Ähnlichkeit zwischen den verschiedenen Menschenrassen in dem Bau des Körpers und in geistigen Fähigkeiten (ich beziehe mich hier nicht auf ähnliche Gebräuche) sämmtlich unabhängig von einander erlangt worden sein sollten, so müssen sie von Voreltern vererbt worden sein, welche damit ausgezeichnet waren. Wir erhalten hierdurch etwas Einsicht in den frühen Zustand des Menschen, ehe er sich Schritt für Schritt über die Oberfläche der Erde verbreitete. Der Verbreitung des Menschen in durch das Meer weit von einander getrennte Gegenden ging ohne Zweifel ein ziemlich beträchtlicher Grad der Divergenz der Charaktere in den verschiedenen Rassen voraus, denn im anderen Falle würden wir zuweilen ein und dieselbe Rasse in verschiedenen Continenten antreffen, und dies ist niemals der Fall. Nachdem Sir J. Lubbock die jetzt von den Wilden in allen Theilen der Erde ausgeübten Künste mit einander verglichen hat, führt er diejenigen einzeln auf, welche der Mensch nicht gekannt haben konnte, als er zuerst aus seinem ursprünglichen Geburtsorte auswanderte; denn wenn sie einmal gelernt wären, würden sie niemals wieder vergessen worden sein. 381So zeigt er, daß der Speer, welcher nur eine Weiterentwicklung der Messerspitze ist, und die Keule, welche nur ein langer Hammer ist, die einzig übrigbleibenden Sachen sind. Er giebt indessen zu, daß die Kunst, Feuer zu machen, wahrscheinlich schon entdeckt worden war, denn sie ist allen jetzt lebenden Rassen gemeinsam und war den alten Höhlenbewohnern Europas bekannt. Vielleicht war die Kunst, rohe Boote oder Flöße zu machen, gleichfalls bekannt. Da aber der Mensch zu einer sehr entfernten Zeit existierte, als das Land an vielen Stellen in einem von dem jetzigen sehr verschiedenen Niveau erhoben war, so kann er wohl auch im Stande gewesen sein, ohne die Hülfe von Booten sich weit zu verbreiten. Sir J. Lubbock bemerkt ferner, wie unwahrscheinlich es ist, daß unsere frühesten Vorfahren hätten höher zählen können, als bis zu zehn, wenn man in Betracht zieht, daß so viele der jetzt lebenden Rassen nicht über vier hinauskommen. Nichtsdestoweniger konnten zu jener frühen Periode die intellectuellen und socialen Fähigkeiten des Menschen kaum in irgend einem extremen Grade geringer als diejenigen gewesen sein, welche die niedrigsten Wilden jetzt besitzen. Andernfalls hätte der Urmensch nicht so ausgezeichnet erfolgreich im Kampfe um's Dasein sein können, wie sich durch seine frühe und weite Verbreitung zeigt.
Aus der fundamentalen Verschiedenheit zwischen gewissen Sprachen haben manche Philologen den Schluß gezogen, daß der Mensch, als er sich zuerst weit verbreitete, noch kein sprechendes Thier gewesen sei. Indeß läßt sich vermuthen, daß Sprachen, welche bei Weitem weniger vollkommen waren als irgend jetzt gesprochene, unterstützt von Gesten, benutzt worden sein können und doch in den späteren und höher entwickelten Sprachen keine Spuren zurückgelassen haben. Es scheint zweifelhaft, ob ohne den Gebrauch irgend einer Sprache, wie unvollkommen sie auch gewesen sein mag, der Intellect des Menschen sich bis zu der Höhe hätte entwickeln können, welche durch seine schon zu einer frühen Zeit vorherrschende Stellung bedingt war.
Ob der Urmensch in der Zeit, wo er nur wenig Kunstfertigkeiten, und zwar von der rohesten Art, besaß und wo auch sein Vermögen zu sprechen äußerst unvollkommen war, schon verdient haben dürfte, Mensch genannt zu werden, hängt natürlich von der Definition ab, die wir anwenden. In einer Reihe von Formen, welche unmerkbar aus einem affenähnlichen Wesen in den Menschen übergingen, wie er jetzt existiert, würde es unmöglich sein, irgend einen solchen Punkt zu bezeichnen, wo der Ausdruck »Mensch« angewandt werden müßte. Doch ist dies ein Gegenstand von sehr geringer Bedeutung. Ferner ist es ein fast vollständig indifferenter Gegenstand, ob die sogenannten Menschenrassen mit diesem Ausdrucke bezeichnet oder als Species oder Subspecies rangiert werden. Doch scheint der letztere Ausdruck der angemessenste zu sein. Endlich dürfen wir wohl voraussetzen, daß in der Zeit, in welcher die Grundsätze der Entwicklungstheorie angenommen sein werden, was sicher in sehr kurzer Zeit der Fall sein wird, der Streit zwischen den Monogenisten und Polygenisten still und unbeobachtet absterben wird.
Eine andere Frage darf nicht ohne eine Erwähnung gelassen werden, nämlich ob, wie man zuweilen annimmt, jede Subspecies oder Rasse des Menschen von einem einzigen Paare von Voreltern abgestammt ist. Bei unsern domesticierten Thieren kann eine neue Rasse leicht von einem einzelnen Paare ausgebildet werden, welches einige neue Merkmale besitzt, ja selbst von einem einzigen in dieser Weise ausgezeichneten Individuum, und zwar dadurch, daß man die variierenden Nachkommen mit Sorgfalt zur Paarung auswählt. Aber die meisten unserer Rassen sind nicht absichtlich von einem ausgewählten Paare, sondern unbewußt durch die Erhaltung vieler Individuen, welche, wenn auch noch so unbedeutend, in einer nützlichen oder erwünschten Art und Weise variiert haben, gebildet worden. Wenn in dem einen Lande kräftigere und schwere Pferde und in einem anderen Lande leichtere und flüchtigere Pferde beständig vorgezogen würden, so könnten wir sicher sein, daß im Laufe der Zeit, ohne daß irgendwelche besondere Paare oder Individuen in jedem der Länder getrennt zur Nachzucht ausgelesen worden wären, zwei verschiedene Unterrassen gebildet worden sein würden. Viele Rassen sind in dieser Weise gebildet worden und die Art und Weise ihres Entstehens ist der der natürlichen Species sehr analog. Wir wissen auch, daß die Pferde, welche nach den Falkland-Inseln gebracht worden sind, während der aufeinander folgenden Generationen kleiner und schwächer geworden sind, während diejenigen, welche in den Pampas verwildert sind, größere und gröbere Köpfe erlangt haben; und derartige Veränderungen sind offenbar Folgen des Umstands, daß nicht etwa irgend ein Paar, sondern alle Individuen denselben Bedingungen ausgesetzt gewesen sind, wobei vielleicht das Princip des Rückschlags unterstützend eingewirkt hat. In keinem dieser Fälle sind die neuen Unterrassen von irgend einem einzelnen Paare abgestammt, sondern von vielen Individuen, welche in verschiedenem Grade, aber in derselben allgemeinen Art, variiert haben: und wir dürfen schließen, daß die Menschenrassen ähnlich entstanden sind, indem die Modificationen entweder das Resultat des Umstands waren, daß sie verschiedenen Bedingungen ausgesetzt wurden, oder das indirecte Resultat irgend einer Form von Zuchtwahl. Aber auf diesen letzteren Gegenstand werden wir sofort zurückkommen.
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