Der »Gesundheitsmarkt« agiert in seiner Werbung sehr verführerisch und untergräbt, ja unterbindet oftmals die Eigenverantwortung. Dabei wäre es für uns so wichtig, nicht ein Spielzeug seiner Wirkmechanismen zu werden, die in erster Linie darauf abzielen, Symptome auszuschalten und folglich den Eindruck erwecken, »die Sache« sei aus gesundheitlicher Sicht »erledigt«. Wir müssen dem Körper die Chance geben, durch sein individuelles Regulationsgeschehen Gesundheit und Wohlbefinden zu ermöglichen. Dies kann trainiert und soll geübt werden. Das ist der Denkanstoß, den ich mit meinem Buch setzen möchte. Gesundheit lässt sich selbst mit den teuersten Präparaten nicht erkaufen, und wer davon anhängig wird, läuft Gefahr, zur »Gesundheitsmarionette« zu werden. Das Wichtigste ist, körperlich, geistig, seelisch aktiv und fit zu sein, den Organismus in seinem Regulationsgeschehen zu unterstützen und nicht ein permanenter »Patient« zu werden, der leidend seine »Mängel« nur verdrängt!
Für die Leserinnen und Leser dieses Buches will ich ein persönlicher Begleiter und Gedankengeber sein bei der gemeinsamen Wanderung auf dem Pfad zu Gesundheit und Wohlbefinden. Ich versuche daher auch, wie ein guter Freund zu sprechen, und erlaube mir anstelle des förmlichen »Sie« das sympathischere »Du«.
WAS GESCHIEHT IM KÖRPER ZUR GESUNDERHALTUNG ODER HEILUNG?
Regulationsmedizin
Die Naturheilkunde beobachtet und die universitäre Wissenschaft der Medizin bestätigt, wie Lebensprozesse funktionieren beziehungsweise aufrechterhalten werden. Ungestört ablaufende oder wiederhergestellte biophysikalische Lebensvorgänge in allen unserer Zellen sind die Grundlage für einen gesunden Organismus. So kann das Geschehen der Regulationsmedizin definiert werden: »Sie wirkt vorwiegend funktionell steuernd und modulierend auf den Organismus, unterstützt Kompensationsmechanismen, aktiviert Restfunktionen und setzt Regenerationsprozesse in Gang« (Roche Lexikon Medizin).
Regulieren bedeutet, etwas so zu regeln oder zu steuern, wie es für bestimmte Zwecke sein soll. Der menschliche Organismus ist keine definierbare Maschine, sondern er lebt. In jeder Zelle findet fortwährend ein Stoffwechsel statt. Das ist ein ständiger Fluss von Energie und interzellulärer Information und gelingt durch fein abgestimmte Regelmechanismen aller Stoffwechselvorgänge. Diese Lebendigkeit resultiert aus dem laufenden Prozess vieler Körperfunktionen und ergibt sich aus der Steuerung jedes einzelnen Organs in seiner Funktion. So kontrolliert sich der Organismus permanent in seinem Auf- und Umbau. Um in einem optimalen Zustand zu gedeihen, damit wir gesund bleiben, versucht der Körper, durch »Regulation« sich den verschiedensten Gegebenheiten anzupassen. Ob es Temperaturen sind, welche den Körper beeinflussen, der Blutdruck, der Herzschlag oder die Steuerung der idealen Funktion jeder Körperzelle – alles hängt zusammen und wird geregelt, ohne dass wir darüber nachdenken müssen, wie es geschieht.
Diesen Abläufen liegt ein wunderbarer Steuermechanismus zugrunde, den wir unterstützen oder (zer-)stören können. Das Hormonsystem mit seinen Botenstoffen, das Nervensystem, das Immunsystem im Allgemeinen, alle Organe sind dabei die wesentlichen Spieler. Eine stimmige Balance, das Gleichgewicht der physiologischen Körperfunktionen – die Homöostase – wäre der Idealzustand. Unsere Umwelt sowie unsere Lebensweise sind Steuerungsmechanismen dieses Geschehens. Eine Störung, die der Organismus nicht mehr korrigieren kann, wird dagegen zum Problem. Schlimmstenfalls führt sie zu einem Schaden, der sich vom menschlichen Körper nicht mehr ausgleichen, regulieren lässt. Eine anhaltende Störung ruft Fehlfunktionen hervor, die sich durch gewisse Symptome zeigen. Solche Störungen werden Krankheiten genannt, die in verschiedensten Ausprägungen auftreten. Sie zu verhindern oder zu beheben versucht unsere Regulationsmedizin. Sie zielt nicht darauf ab, einzelne Symptome zu behandeln, sondern will jene Wege, die zu einer Störung führen, gezielt erkennen und vorhandene Störfaktoren ausschalten oder gar nicht erst wirksam werden lassen.
In den folgenden Abschnitten des Buches möchte ich schrittweise eine für dich gut nachvollziehbare Gedankenkette bilden und bei dir allmählich Begeisterung zum selbstbestimmten, eigenverantwortlichen Handeln auslösen. Denn um das Regulationsgeschehen unseres Körpers zu fördern, ist es notwendig, Falschinformationen abzuwehren, Fehlbelastungen zu vermeiden und damit ein Gesundheitsbewusstsein aufzubauen. Sämtliche Vorsorgeaktionen, die ich dir vorschlagen will, folgen meiner ganz persönlichen Devise, dass Gesundheit und Genuss zusammengehören, ohne einander auszuschließen. Die naturgegebenen Mechanismen, die Regulationskraft des menschlichen Organismus arbeiten zu lassen, werden dich körperlich und mit Sicherheit auch psychisch-emotional in den Wohlfühlbereich führen.
Wir verfügen über ein sehr breites Feld, um dem Körper und der Psyche helfend beizustehen, damit wir schlussendlich Wohlbefinden, Selbstbewusstsein und gesundheitlichen Erfolg erreichen dürfen. Das entscheidende Schlagwort dazu lautet Salutogenese (Salus = Heil, Gesundheit; Genesis = Entstehung, Schaffung). Aaron Antonovsky, ein Medizinsoziologe, prägte diesen Begriff. Antonovsky befasste sich wissenschaftlich mit der Entstehung und Erhaltung von Gesundheit. Er entwickelte ein medizinischphysiologisches Modell zu menschlichen Eigenschaften und Aktivitäten, welche erforderlich sind, um gesund zu werden oder gesund zu bleiben. So versteht man unter Salutogenese eine kraftvolle (dynamische) Balance von Schutz- und Risikofaktoren für unsere Gesundheit. Dahinter steckt der Gedanke, dass Gesundheit über unser Regulationsgeschehen von selbst entsteht und sich auch von selbst erhält. Der grundlegende Mechanismus hierbei ist, dass dieser natürliche Weg nicht blockiert wird und die körpereigenen Regulationsaktivitäten ungehindert ablaufen können. Salutogenese bildet also das Gegenstück zur Pathogenese, welche die Entstehung beziehungsweise den Verlauf einer Krankheit beschreibt. Wir wollen im Buch aber nur das positive Geschehen betrachten.
Unser Gesundheitsstatus, eine »Momentaufnahme« des physischen und psychischen Zustands, ist für jeden von uns zu erfassen und zu begreifen. Damit vermögen wir unsere gesundheitsfördernden Möglichkeiten zu überdenken, um anschließend überlegt zu handeln. Ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren muss entstehen, wie Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit dieser einzelnen Komponenten. Ein signifikantes Beispiel dazu sind die »fünf Säulen« der Kneippmedizin, durch die sich gesundheitsrelevante Folgereaktionen im Sinne der Salutogenese entwickeln können. (Mehr dazu findest du in meinem Buch Gesund aus eigener Kraft .) Dieses Verständnis für unser Gesundheitsgeschehen – Gesundheitsgelingen – möchte ich als Arzt, der den ganzen Menschen behandeln und beraten will, weitergeben.
Im Laufe unseres täglichen Lebens werden wir mit mannigfachen Situationen konfrontiert, die uns (heraus-)fordern. Die Exposition (Ausgesetztheit) ist breit gefächert, sie reicht von körperlicher Belastung, mikrobiologischen Herausforderungen (z. B. bakterielle Infekte), unserer Lebensform, der Ernährung und Bewegung über psychisch-psychosoziale Belastungen und Aspekte hin zu Signalen aus der Umwelt. Auch körperliche Fehlbelastungen, in der Physiologie als Stressoren bezeichnet, als allgegenwärtige Begleiter sind hier zu beachten. Der Körper mit seinem Vegetativum (Steuernervensystem) reagiert auf die Summe dieser Einflüsse entsprechend, zum großen Teil unbewusst, aber auch durch überlegte, von uns gesetzte und gezielte Handlungen. Zwar unterscheiden sich Menschen voneinander in ihrer regulierend-ausgleichenden Grundausstattung und Reaktionsbereitschaft, doch wir alle sind Lebewesen mit der Fähigkeit, nachzudenken und nicht nur marionettenhaft gelenkt zu werden, zu funktionieren.
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