Aber vergeblich diese Anstrengungen! Vergebens wütet ihr, entartete Diener der Christenheit, die ihr jetzt Diener Neros seid! Vergebens helft ihr unseren Mördern und Häschern, vergebens schützt ihr mit dem Zeichen des Kreuzes die Reichen und die Ausbeuter des Volkes! Wie damals keine Grausamkeiten und Verleumdungen den Sieg der christlichen Idee aufhalten konnten, dieser Idee; die ihr durch euren Dienst am goldenen Kalb befleckt habt, so halten alle eure Versuche heute nicht den Sieg des Sozialismus auf. Heute seid ihr euren Lehren, eurem ganzen Lebenswandel nach Heiden, wir aber, die wir den Armen, den Ausgebeuteten und Unterdrückten das Evangelium der Brüderlichkeit und Gleichheit bringen, wir erobern heute die Welt wie jener, der gesagt hat:
„Wahrlich, wahrlich ich sage euch, es ist leichter, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, denn daß ein Reicher ins Reich Gottes komme.“
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Zum Schluß noch einige Worte. Die Geistlichkeit hat zwei Methoden, die Sozialdemokratie zu bekämpfen. Dort, wo die Arbeiterbewegung erst beginnt, sich Bürgerrecht zu erwerben, wie gerade bei uns, und wo die herrschenden Klassen noch der Täuschung erliegen, sie mit Gewalt ersticken zu können, dort tritt der Klerus auch nur mit strengen Predigten auf, schwärzt die Sozialisten an und droht den „anmaßenden“ Arbeitern. Dort aber, wo schon politische Freiheit herrscht, und die Arbeiterpartei zu einer Macht wird wie z.B. in Deutschland, Frankreich und Holland, dort greift die Geistlichkeit auf andere Methoden zurück. Listig verbirgt sie ihre Wolfszähne und Krallen unter dem Schafspelz, und aus dem ehrlichen Feind der Arbeiter wird ihr falscher Freund. Die Priester gehen dann selbst daran, die Arbeiter zu organisieren und „christliche“ Gewerkschaften zu gründen. Sie versuchen so, die Fische vor dem Netz, d. h. die Arbeiter im Netz ihrer falschen Gewerkschaften zu fangen, wo sie sie Demut lehren, bevor sie zu den Gewerkschaften der Sozialdemokratie stoßen, die sie Kampf und Schutz vor der Ausbeutung lehrt.
Wenn die zaristische Regierung schließlich unter den Schlägen des polnischen und russischen Proletariats gefallen ist und auch bei uns die politische Freiheit aufgeht, werden wir sicher erleben, daß derselbe Erzbischof Popiel und dieselben Priester, die jetzt in den Kirchen die kämpfenden Arbeiter heftig beschimpfen, damit beginnen, sie gewaltsam in „christlichen“ und „nationalen“ Verbänden zu organisieren, um sie auf neue Art zu verdummen. Schon jetzt haben wir einen kleinen Anfang dieser Maulwurfsarbeit in den Verbänden der „Nationaldemokraten“, der zukünftigen Helfershelferin der Priester, die sie heute darin unterstützt, die Sozialdemokratie zu verunglimpfen. Deshalb müssen die Arbeiter vorbereitet sein, nicht morgen, nach dem Sieg der Revolution und der Einführung der politischen Freiheit, den süßen Worten derer auf den Leim zu gehen, die sich heute erdreisten, von der Kanzel herab das Arbeiter mordende Zarenregime und die Herrschaft des Kapitals, die das Volk ins Elend stürzt, zu verteidigen. Zum Schutz vor dieser Feindschaft der Geistlichkeit heute, während der Revolution, und vor ihrer verräterischen Freundschaft morgen, nach der Revolution, müssen sich die Arbeiter schleunigst in ihrer Arbeiterpartei organisieren, sich der Sozialdemokratie anschließen. Und auf alle Angriffe der Priester sollten die bewußten Arbeiter die eine Antwort haben:
Die Sozialdemokratie nimmt niemandem seinen Glauben und kämpft nicht gegen die Religion! Sie fordert dagegen völlige Gewissensfreiheit für jeden und Achtung vor jeglichem Bekenntnis und jeglicher Überzeugung.
Aber wenn die Priester die Kanzeln als Mittel des politischen Kampfes gegen die Arbeiterklasse mißbrauchen wollen, so wenden sich die Arbeiter gegen sie wie gegen alle Feinde ihrer Rechte und ihrer Befreiung.
Denn wer Ausbeuter und Unterdrücker unterstützt und versucht, die heutige schändliche Gesellschaftsordnung zu verewigen, der ist ein Todfeind des Volkes, ob er nun die Priestersoutane oder die Gendarmenuniform trägt.
Massenstreik, Partei und Gewerkschaften
Inhaltsverzeichnis
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
Inhaltsverzeichnis
Fast alle bisherigen Schriften und Äußerungen des internationalen Sozialismus über die Frage des Massenstreiks datieren aus der Zeit vor der russischen Revolution, dem ersten geschichtlichen Experiment mit diesem Kampfmittel auf größter Skala. Daher erklärt sich auch, daß sie meistenteils antiquiert sind. In ihrer Auffassung stehen sie wesentlich auf demselben Standpunkt wie Friedrich Engels, der 1873 in seiner Kritik der Bakunistischen Revolutionsmacherei in Spanien schrieb:
»Der allgemeine Streik ist im Bakunistischen Programm der Hebel, der zur Einleitung der sozialen Revolution angesetzt wird. Eines schönen Morgens legen alle Arbeiter aller Gewerke eines Landes oder gar der ganzen Welt die Arbeit nieder und zwingen dadurch in längstens vier Wochen die besitzenden Klassen, entweder zu Kreuze zu kriechen oder auf die Arbeiter loszuschlagen, so dß diese dann das Recht haben, sich zu verteidigen und bei dieser Gelegenheit die ganze alte Gesellschaft über den Haufen zu werfen. Der Vorschlag ist weit entfernt davon, neu zu sein; französische und nach ihnen belgische Sozialisten haben seit 1848 dies Paradepferd stark geritten, das aber ursprünglich englischer Rasse ist. Während der auf die Krise von 1837 folgenden raschen und heftigen Entwicklung des Chartismus unter den englischen Arbeitern war schon 1839 der »heilige Monat« gepredigt worden, die Arbeitseinstellung auf nationalem Mßstab (siehe Engels: »Lage der arbeitenden Klasse«, zweite Auflage, Seite 234), und hatte solchen Anklang gefunden, dass die Fabrikarbeiter von Nordengland im Juli 1842 die Sache auszuführen versuchten. – Auch auf dem Genfer Allianzistenkongreß vom 1. September 1873 spielte der allgemeine Streik eine große Rolle, nur wurde allseitig zugegeben, dass dazu eine vollständige Organisation der Arbeiterklasse und eine gefüllte Kasse nötig sei. Und darin liegt eben der Haken. Einerseits werden die Regierungen, besonders wenn man sie durch politische Enthaltung ermutigt, weder die Organisation noch die Kasse der Arbeiter je soweit kommen lassen, und anderseits werden die politischen Ereignisse und die Übergriffe der herrschenden Klassen die Befreiung der Arbeiter zu Wege bringen, lange bevor das Proletariat dazu kommt, sich diese ideale Organisation und diesen kolossalen Reservefonds anzuschaffen. Hätte es sie aber, so brauchte es nicht den Umweg des allgemeinen Streiks, um zum Ziele zu gelangen.« 1
Hier haben wir die Argumentation, die für die Stellungnahme der internationalen Sozialdemokratie zum Massenstreik in den folgenden Jahrzehnten maßgebend war. Sie ist ganz auf die anarchistische Theorie des Generalstreiks zugeschnitten, d. h. auf die Theorie vom Generalstreik als Mittel, die soziale Revolution einzuleiten, im Gegensatz zum täglichen politischen Kampf der Arbeiterklasse, und erschöpft sich in dem folgenden einfachen Dilemma: entweder ist das gesamte Proletariat noch nicht im Besitz mächtiger Organisationen und Kassen, dann kann es den Generalstreik nicht durchführen, oder es ist bereits mächtig genug organisiert, dann braucht es den Generalstreik nicht. Diese Argumentation ist allerdings so einfach und auf den ersten Blick so unanfechtbar, daß sie ein Vierteljahrhundert lang der modernen Arbeiterbewegung ausgezeichnete Dienste leistete, als logische Waffe wider die anarchistischen Hirngespinnste und als Hülfsmittel, um die Idee des politischen Kampfes in die weitesten Kreise der Arbeiterschaft zu tragen. Die großartigen Fortschritte der Arbeiterbewegung in allen modernen Ländern während der letzten 25 Jahre sind der glänzendste Beweis für die von Marx und Engels im Gegensatz zum Bakunismus verfochtene Taktik des politischen Kampfes, und die deutsche Sozialdemokratie in ihrer heutigen Macht, in ihrer Stellung als Vorhut der gesamten internationalen Arbeiterbewegung, ist nicht zum geringsten das direkte Produkt der konsequenten und nachdrücklichen Anwendung dieser Taktik.
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