I. Z.: Was magst du über Deine Erfahrung, von Deinem Vater zu lernen, erzählen?
R. T.: In unserem Betrieb gab es viele gute Mitarbeiter, die wie ich angehalten wurden, selbstständig zu arbeiten: Das Resultat dieser Arbeit wurde vom Vater beurteilt und manchmal auch kritisiert.
Für ihn war das Resultat das alles Entscheidende. Auf welchem Weg man dahin gekommen war, war nicht so wichtig. Mein Vater hat mir Dinge ganz kurz gezeigt: „Schau, so mache ich’s“, sagte er, und dann hieß es: „Jeder, wie er will.“ Und wenn ich manchmal gefragt habe „Wie macht man es am besten?“, war die Antwort oft: „Ich weiß es selber nicht.“ Eigentlich stimmt das. Es ist eine fast buddhistische Herangehensweise.
I. Z.: Das klingt antiautoritär.
R. T.: Das war es auf jeden Fall. Mein Vater hat so gut wie nie jemandem etwas vorgeschrieben. Und was auch noch positiv war, war seine Bereitschaft, jederzeit alles anders zu machen. Das kam bei ihm öfters vor und meist wurde es dann sehr gut. Für mich bedeutete, nicht zu einer Struktur gezwungen zu werden, kreativen Freiraum.
Und diese Denkweise habe ich beibehalten: Ich produziere nie viel vorher, habe eine kurze Warteliste und komme damit gut zurecht. So bin ich flexibel, Neues sofort umzusetzen.
I. Z.: Glaubst du, dein Vater hat dich bewusst so im Unklaren gelassen, damit du die Chance hast, dich aus dir selbst zu entwickeln?
R. T.: Nein, so hat er nicht gedacht. Mein Vater war ein Künstler und bildhauerisch außergewöhnlich begabt. Die Qualität seiner Schnitzereien verschlägt einem den Atem, sie sind wunderschön.
Rudolf (III) Tutz, Fuchs, Schnitzarbeit (1956), Foto: Daniel Jarosch
Und dabei war er noch unglaublich schnell. Einmal hat er zwei reich verzierte Gahn-Flöten an einem Tag gebaut, die Köpfe am Nachmittag geschnitzt – jeder andere hätte dafür eine Woche gebraucht und das Ergebnis wäre lange nicht so schön. Das gilt auch für seine Museumskopien und Lindes Geburtstagsflöte. Er arbeitete eben mit einer seltenen Mühelosigkeit und Leichtigkeit. Hinter den meisten Projekten steckte keine finanzielle Motivation, sondern die Verneigung eines Meisters vor den handwerklichen Künsten der vergangenen Generationen – und der handwerkliche Stolz, dies nachbauen zu können. Zu meinem Vater sind die Leute mit einem Mundstück gekommen und er hat zu diesem Mundstück ein Instrument gebaut. Am Ende kamen bei diesen Projekten schöne, einzigartige Instrumente heraus. Für einen Künstler ist das genug.
Rudolf (III) Tutz, Hand, Schnitzarbeit, Foto: Daniel Jarosch
Ich bin kein Künstler und ob ich ein guter Handwerker bin, müssen andere entscheiden. Jeder muss seinen eigenen Weg finden und ich habe eben andere Stärken. Ich habe Respekt vor den Modellen, die ich baue und arbeite nach eigenen Plänen.
I. Z.: Wirst Du die Arbeit mit den Musikern, die Deinem Vater beim Instrumentenbau zur Seite standen, fortsetzen?
R. T.: Es spricht nichts dagegen, aber es gibt noch keine konkreten Pläne. Als eines seiner letzten Projekte hat mein Vater an wesentlichen Verbesserungen der Bassettklarinette gearbeitet.
Die moderne Klarinette ist schon ziemlich ausgereizt und egalisiert, wie die modernen Flöten. Ich habe häufig mit Profiklarinettisten zu tun, die es lieben, historische Klarinette zu spielen, weil der Klang interessanter und angenehmer ist. Gute Musiker können mit allem Musik machen. Mit der modernen Welt der Klarinettisten kenne ich mich gut aus, es ist mir dort nichts fremd.
Rudolf (III) Tutz, Blockflöte (1999) nach dem Nürnberger Meister Johann Benedikt Gahn (1674–1711), Foto: Daniel Jarosch
Heute sind wir viel vernetzter. Ich stehe in Kontakt zu vielen Kunden. Ich schätze diese Offenheit, denn ich halte nichts davon, Ideen zurückzuhalten. Mir geht es besser, wenn ich mit den Menschen rede. Es gibt keine Betriebsgeheimnisse, denn jeder baut trotzdem seine eigenen Instrumente. Barthold Kuijken und seine Schüler sind für unsere Werkstatt die Hauptqualitätsgeber. Das sind diejenigen, die am meisten Zeit mit uns verbracht haben und auf die wir am meisten Wert legen. An diesem Standard orientieren wir uns und entwickeln uns weiter.
Mein Respekt vor den Musikern ist groß. Die kriegen so ein Holzteil von mir und machen etwas daraus. Sie benutzen es als ihr Werkzeug, um Musik zu machen.
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