In einer solchen Situation ist es heuchlerisch und verantwortungslos, mit lauten Deklarationen über die Bedrohung, die vom internationalen Terrorismus ausgeht, aufzutreten und gleichzeitig die Augen vor Finanzierungs- und Unterstützungskanälen der Terroristen zu verschließen, darunter Handel mit Drogen, illegalem Öl und Waffen, oder zu versuchen, die extremistischen Gruppen zu steuern, sich ihrer für die eigenen politischen Ziele zu bedienen, in der Hoffnung, dass man sie später irgendwie erledigt oder, einfacher gesagt, liquidiert.
Denjenigen, die wirklich so denken und handeln, möchte ich sagen: Meine verehrten Herren, Sie haben es natürlich mit sehr brutalen Menschen zu tun, doch das sind keineswegs dumme und primitive Menschen, sie sind nicht dümmer als Sie, und wir werden noch sehen, wer wen für seine Ziele ausnutzt. Die jüngsten Informationen über die Übergabe von Waffen durch die bereits erwähnte „gemäßigte Opposition“ an Terroristen sind dafür die beste Bestätigung.
Wir halten alle Versuche, mit Terroristen zu flirten, und erst recht sie zu bewaffnen, nicht nur für kurzsichtig, sondern auch für brandgefährlich. Im Endergebnis kann die terroristische Gefahr kritisch anwachsen und neue Regionen der Erde erfassen. Umso mehr, als dass Kämpfer aus vielen Ländern die Ausbildungslager des IS durchlaufen, auch aus europäischen Ländern.
Leider muss ich ehrlich sagen, verehrte Kollegen, dass auch Russland hierbei keine Ausnahme ist. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Halsabschneider, die bereits Blut geleckt haben, später nach Hause zurückkehren und dort ihre dunkle Sache fortführen. Wir wollen das nicht. Und niemand will das, nicht wahr? Russland trat immer hart und konsequent gegen den Terrorismus in allen seinen Formen auf.
Beobachtern wurde spätestens bei den kommenden Worten klar, dass Russland bald in Syrien eingreifen würde, und er appellierte, natürlich vergeblich, an den Westen, sich dem Kampf gegen den Terror anzuschließen.
Heute leisten wir militärische und technische Hilfe für den Irak und Syrien sowie für andere Länder der Region, die gegen terroristische Gruppen kämpfen. Wir halten die Absage an eine Zusammenarbeit mit den syrischen Behörden, die mutig Angesicht zu Angesicht gegen den Terror kämpfen, für einen riesigen Fehler. Man muss endlich anerkennen, dass außer den Regierungstruppen des Präsidenten Assad und den kurdischen Milizen niemand in Syrien gegen den IS und andere Terrororganisationen kämpft. Wir kennen alle Probleme und Widersprüche in der Region, doch man sollte von den Realitäten ausgehen.
Verehrte Kollegen! Ich muss anmerken, dass unsere ehrliche und direkte Herangehensweise in letzter Zeit als Vorwand genutzt wird, um Russland wachsender Ambitionen zu beschuldigen. Als ob diejenigen, die davon sprechen, selbst keine Ambitionen hätten. Doch es geht nicht um die Ambitionen Russlands, verehrte Kollegen, sondern um die Unmöglichkeit, die heutige Situation in der Welt weiter hinzunehmen. In Wirklichkeit schlagen wir vor, sich nicht von Ambitionen, sondern von gemeinsamen Werten und Interessen auf der Basis des internationalen Rechts leiten zu lassen, unsere Anstrengungen für die Lösung der vor uns stehenden neuen Probleme zu bündeln und eine wirklich breite internationale antiterroristische Koalition zu bilden. Wie die Anti-Hitler-Koalition könnte sie in ihren Reihen unterschiedlichste Kräfte vereinen, die bereit sind, denjenigen entschieden entgegenzutreten, die wie die Nazis das Böse und die Menschenverachtung säen.
Wie schon erwähnt, leben in Russland alle Weltreligionen, und nachdem das Land unter Jelzin fast zerfallen war, gelang es Putin, das Land wieder zusammenzuführen. Dies gelang, weil Putin einen ehrlichen Respekt gegenüber allen Kulturen und Religionen vorlebte. Bei 20 Prozent Moslems in Russland ist dies auch in der islamischen Welt nicht verborgen geblieben, wo Putin weit mehr Respekt genießt, als man bei der Lektüre westlicher Medien meinen könnte. Dabei sehen die meisten islamischen Länder, dass der Westen de facto einen Krieg gegen den Islam führt, den er mühsam als „Krieg gegen den Terror“ tarnt, der aber nur gegen Moslems geführt wird. Diese Länder sehen in Putin einen Vertrauten, während das Misstrauen gegenüber den westlichen Ländern mit jedem neuen Krieg wächst.
Und so war Putins direkter Appell an die Moslems der Welt etwas, was in der islamischen Welt sehr gut ankam:
Und natürlich müssen islamische Staaten Schlüsselteilnehmer einer solchen Koalition werden. Denn der IS birgt nicht nur für sie eine direkte Bedrohung, sondern kompromittiert durch seine blutigen Verbrechen eine der größten Weltreligionen, den Islam. Die Ideologen der Kämpfer verhöhnen den Islam und verfälschen seine wahren humanistischen Werte. Ich möchte mich an die geistlichen Führer der Muslime wenden: Heute sind sowohl Ihre Autorität als auch Ihr weisendes Wort sehr gefragt. Es ist nötig, diejenigen Menschen vor unüberlegten Schritten zu bewahren, die die Kämpfer versuchen anzuwerben. Und denjenigen, die betrogen wurden und aus verschiedenen Gründen bei den Terroristen landeten, muss man helfen, einen Weg zurück zum normalen Leben zu finden, die Waffen niederzulegen und den brudermordenden Krieg zu beenden.
Diese Politik wurde später in Syrien umgesetzt: Amnestie für alle, die die Waffen niederlegen, harte Bekämpfung aller, die dazu nicht bereit sind. Putin hatte mit dieser Politik bereits in Tschetschenien gute Erfahrungen gemacht, als er mit einer Generalamnestie den Tschetschenen eine Rückkehr anbot. In der Folge wechselten tausende Tschetschenen, die auf Seiten der dort eingesickerten arabischen Terroristen gestanden hatten, die Seite und kämpften gemeinsam mit russischen Truppen gegen die ausländischen Eindringlinge.
Mit der Politik, den Terroristen eine Brücke zur Rückkehr in ein normales Leben zu bauen und nur jene zu bekämpfen, die das ablehnten, hat er den Krieg in Tschetschenien gewonnen, und auch in Syrien folgte Assad diesem Weg und nur drei Jahre später war der Krieg in großen Teilen Syriens Geschichte.
Jedoch misslang sein Versuch, auch westliche Staaten ins Boot für den Kampf gegen den Terror zu holen, den er nun ankündigte.
Schon in den nächsten Tagen wird Russland als Vorsitzender des Sicherheitsrats eine Ministersitzung für eine komplexe Analyse der Bedrohungen im Nahen Osten einberufen. Wir schlagen vor allem vor, die Möglichkeit einer Resolution über die Koordination der Aktivitäten aller Kräfte zu diskutieren, die dem IS und anderen Terrorgruppierungen widerstehen. Um es zu wiederholen, muss eine solche Koordination auf den Prinzipien der UNO-Charta basieren.
Wir hoffen darauf, dass die internationale Gemeinschaft in der Lage sein wird, eine umfassende Strategie der politischen Stabilisierung und des sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbaus des Nahen Ostens auszuarbeiten. Dann, verehrte Freunde, wird man keine Flüchtlingslager bauen müssen. Der Strom der Menschen, die genötigt sind, ihre Heimat zu verlassen, hat buchstäblich zunächst die Nachbarstaaten erfasst und dann auch Europa. Die Zahlen gehen in die Hunderttausende und können in die Millionen gehen. Das ist im Grunde eine neue große und bittere Völkerwanderung und eine schwere Lektion für uns alle, darunter auch Europa.
Ich würde gern betonen: Die Flüchtlinge brauchen zweifellos Mitgefühl und Unterstützung. Doch das Problem grundlegend lösen kann man nur durch die Wiederherstellung der Staatlichkeit dort, wo sie zerstört wurde und durch die Stärkung der staatlichen Institutionen, wo sie noch erhalten werden konnten oder wiederaufgebaut werden müssen, durch allseitige Hilfe – sei es militärisch, wirtschaftlich oder materiell – für Länder, die sich in einer schwierigen Situation befinden, und natürlich für Menschen, die trotz aller Härte die Heimatorte nicht verlassen.
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