Die Enkelin des Schließers war eine allerliebste Kleine, ein Lockenkopf, wie das schönste Gold, Augen, wie freudig! und einen Mund, wie lächelnd! »Du arme kleine Maus!« sagte sie, guckte in meinen häßlichen Käfig hinein, zog den eisernen Stecken herab – und ich sprang aufs Fensterbrett herab, von dort hinaus auf die Dachrinne. Frei! Frei! nur das allein dachte ich, nicht an das Ziel der Reise!
Es war finster, die Nacht zog herauf; ich logirte mich in einem alten Thurme ein, dort wohnte ein Wächter und eine Eule; ich traute Keinem von Beiden, am wenigsten der Eule; sie gleicht einer Katze und hat den großen Fehler, daß sie Mäuse frißt; allein man kann sich irren und das that ich; sie war eine respektable, außerordentlich gebildete, alte Eule; sie wußte mehr als der Wächter und eben soviel wie ich; die Eulenkinder machten Aufhebens von allen Dingen; »kocht nur keine Suppe auf einem Wurstspeiler!« sagte die Alte; das waren die härtesten Worte, die sie übers Herz bringen konnte, sie hegte eine zu innige Liebe zu ihrer eigenen Familie. Mir flößte ihr Betragen ein solches Vertrauen ein, daß ich aus der Ritze, wo ich saß, ihr ein »Pi« zurief; dieses Vertrauen gefiel ihr sehr, und sie versicherte mich, daß ich unter ihrem Schutze stehen solle, keinem Thiere sollte es erlaubt sein, mir Böses anzuthun, das wolle sie selbst zum Winter thun, wenn es schmale Bissen setze.
Sie war in Allem eine kluge Frau; sie bewies mir, daß der Wächter nur mit dem Horn, welches lose an seiner Seite hing, heulen könne; »er bildet sich entsetzlich viel darauf ein, glaubt, er sei eine Eule im Thurme. Groß hinaus will es, aber gar winzig ist es! Suppe auf einem Wurstspeiler!« – Ich bat die Eule, mir das Recept zu der Suppe zu geben, und nun erklärte sie es mir: »Suppe auf einem Wurstspeiler« – sagte sie, »»sei nur eine menschliche Redensart, und sei in verschiedener Weise zu verstehen, ein Jeder glaube, seine Weise sei die richtigste; allein das Ganze sei eigentlich Nichts!««
»Nichts!« rief ich aus. Das schlug mich. Die Wahrheit ist nicht immer angenehm, aber die Wahrheit geht über Alles! und das sagte auch die alte Eule. Ich dachte nun darüber nach, und sah wohl ein, daß ich, wenn ich das brächte, was über Alles geht, so brächte ich weit mehr als Suppe auf einem Wurstspeiler. Und darauf beeilte ich mich, weiter zu kommen, damit ich noch zu rechter Zeit nach Hause käme und das Höchste und Beste, das, was über Alles geht, – die Wahrheit bringen könnte. Die Mäuse sind ein aufgeklärtes Völkchen und der Mausekönig ist über sie Alle insgesammt. Er ist capable, mich zur Königin zu machen – um der Wahrheit willen!«
»Deine Wahrheit ist eine Lüge!« sagte die Maus, der das Wort noch nicht gegeben war; »ich kann die Suppe zubereiten, und ich werde sie auch zubereiten.«
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Wie sie zubereitet wurde.
»Ich bin nicht gereist,« sagte die dritte Maus, »ich blieb im Lande, das ist das Richtige! Man braucht nicht zu reisen, man kann hier Alles ebenso gut bekommen. Ich blieb; ich habe meins nicht von übernatürlichen Wesen gelernt, habe es mir nicht erfressen oder gar mit Eulen erredet. Ich habe das meinige durch selbsteigenes Denken. Wollt Ihr nun machen, daß Ihr den Kessel über das Feuer setzt! – So! – nun Wasser hineingegossen! – ganz voll – bis an den Rand herauf, so! – jetzt mehr gefeuert! – immer brennen lassen, damit das Wasser kocht, – es muß über und über kochen! – So! – jetzt werft den Speiler hinein! – Wolle nun der König geruhen, seinen Schwanz in das sprudelnd Kochende hinein zu tauchen und mit diesem Schwanz umrühren; je länger der König umrührt, um so kräftiger wird die Suppe werden; es kostet nichts! Zuthaten sind nicht erforderlich, – nur umrühren!«
»Kann das ein andrer nicht thun?« fragte der König.
»Nein,« sagte die Maus, »nur in des Königs Schwanz ist die Kraft enthalten!«
Und das Wasser kochte und sprudelte, und der Mäusekönig stellte sich dicht neben den Kessel, – es war fast mit Gefahr verknüpft, – er steckte den Schwanz aus, so wie es die Mäuse in der Milchkammer thun, wenn sie einen Napf Milch abrahmen, und sich den rahmigen Schwanz hinterher ablecken, aber er kam mit seinem Schwanz nur bis in die heißen Wasserdämpfe hinein, dann sprang er sofort vom Herde herunter.
»Das versteht sich, natürlicherweise, Du bist meine Königin!« rief er; »mit der Suppe wollen wir es bewenden lassen, bis zu unserer goldenen Hochzeit, denn so haben die Armen meines Reiches, die da gespeist werden sollen, Etwas, worauf sie sich freuen können, und haben eine lange Freude!«
Darauf machten sie Hochzeit; aber mehrere der Mäuse sagten, als sie nach Hause zurückkamen: »Suppe auf einem Wurstspeiler sei das eigentlich doch nicht zu nennen, es sei eher Suppe auf einem Mauseschwanze!« – Dieses und Jenes von Dem, was erzählt war, fanden sie gut gegeben; das Ganze aber hätte anders sein können! »ich würde es nun so erzählt haben, und so – – und so – –!«
Das war die Kritik, und die ist immer so klug – hinterdrein.
Diese Geschichte ging in die weite Welt überall hinaus, die Meinungen von ihr waren getheilt, allein die Historie selbst blieb wie sie war; das ist das Richtigste, im Großen wie im Kleinen, so auch in Betreff der Suppe auf einem Wurstspeiler, man erwarte nur keinen Dank dafür.
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Es war eine schneidende Kälte, sternenheller Himmel, kein Lüftchen regte sich.
»Bums!« da wurde ein alter Topf an die Hausthüre des Nachbars geworfen. »Puff, paff!« dort knallte die Büchse; man begrüßte das neue Jahr. Es war Neujahrsnacht! Jetzt schlug die Thurmuhr Zwölf!
»Trateratra!« Die Post kam angefahren. Der große Postwagen hielt vor dem Stadtthore an. Er brachte zwölf Personen mit, alle Plätze waren besetzt.
»Hurrah! Hurrah hoch!« sangen die Leute in den Häusern der Stadt, wo die Neujahrsnacht gefeiert wurde und man sich beim Schlage Zwölf mit dem gefüllten Glase erhob, um das neue Jahr leben zu lassen.
»Prost Neujahr!« hieß es, »ein schönes Weib! viel Geld! keinen Aerger und Verdruß!«
Das wünschte man sich gegenseitig, und darauf stieß man mit den Gläsern an, daß es klang und sang – und vor dem Stadtthore hielt der Postwagen mit den fremden Gästen, den zwölf Reisenden.
Und wer waren diese Fremden? Jeder von ihnen führte seinen Reisepaß und sein Gepäck bei sich; ja sie brachten sogar Geschenke für mich und Dich und alle Menschen des Städtchens mit. Wer waren sie, was wollten sie und was brachten sie?
»Guten Morgen!« riefen sie der Schildwache am Eingänge des Stadtthores zu.
»Guten Morgen!« antwortete diese, denn die Uhr hatte ja Zwölf geschlagen.
»Ihr Name? Ihr Stand?« fragte die Schildwache den von ihnen, der zuerst aus dem Wagen stieg.
»Sehen Sie selbst im Passe nach,« antwortete der Mann. »Ich bin ich!« Und es war auch ein ganzer Kerl, angethan mit Bärenpelz und Pelzstiefeln. »Ich bin der Mann, in Den sehr viele Leute ihre Hoffnung setzen. Komm' morgen zu mir; ich gebe Dir ein Neujahrsgeschenk! Ich werfe Groschen und Thaler unter die Leute, ja ich gebe auch Bälle, volle einunddreißig Bälle, mehr Nächte kann ich aber nicht daraufgehen lassen. Meine Schiffe sind eingefroren, aber in meinem Comptoir ist es warm und gemüthlich. Ich bin Kaufmann, heiße Januar und führe nur Rechnungen bei mir.«
Nun stieg der Zweite aus, der war ein Bruder Lustig; er war Schauspieldirector, Director der Maskenbälle und aller Vergnügungen, die man sich nur denken kann. Sein Gepäck bestand aus einer großen Tonne.
»Aus der Tonne,« sagte er, »wollen wir zur Fastnachtszeit die Katze herausjagen. Ich werde Euch schon Vergnügen bereiten und mir auch; alle Tage lustig! Ich habe nicht gerade lange zu leben; von der ganzen Familie die kürzeste Zeit; ich werde nämlich nur achtundzwanzig Tage alt. Beisweilen schalten sie mir zwar noch einen Tag ein – aber das kümmert mich wenig, Hurrah!«
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