Die Künstler aber freuten sich unbändig über diese neue glückliche Wendung zu Ehren ihres Standes und machten Erikson glückwünschend zu ihrem Helden, nicht ahnend, welcher Abfall von Pinsel und Palette mit dieser Verlobung sich vollende. Denn Erikson hat in der Tat nie wieder gemalt, obgleich er den Künstlern zugetan blieb und mit vieler Behaglichkeit sich später eine Bildersammlung anlegte.
Nur Ferdinand ertrug diesen Vorfall nicht; er verlor sich in der größten Uneinigkeit mit sich selbst aus dem Hause und stürmte in den Buchenwald hinaus, in welchem viele einzelne Masken umherirrten und lärmten. Viele kamen auch von den Forsthäusern auf die Kunde von den artigen Begebenheiten in das Landhaus der Witwe oder nunmehrigen Braut und wurden da bewirtet. Erikson rührte sich sogleich lustig als künftiger Herr des Hauses und schaffte mit ausgiebiger Bewegung Raum und Stoff in die Verwirrung, die rauschend hereingebrochen war.
Dann aber geleitete er Rosalien, die sich zurückziehen wollte, als sie alles im besten Gange und durch treue Freunde und Diener überwacht sah, nach der Stadt. Sie erbebte in der Dunkelheit vor Vergnügen, als er sie in den Wagen hob und als der leichte Kasten heftig schaukelte, da der hünenmäßige Erikson einstieg.
Während sich dies alles begeben, hauste in dem Gewächshause ein kleines Trüppchen Leute, abgelegen und vergessen von der großen Gesellschaft, und führte zwischen den Myrten- und Orangenbäumen ein wunderlich verborgenes Leben. Da saß an einem Tischchen der fabelhafte Bergkönig, welcher mit seiner Krone und seinem weißen Barte aussah, als wäre er eben aus den Fluten des Rheines, aus der Nibelungenzeit heraufgestiegen, und sang, indem er das lange Kelchglas schwenkte, die lustigsten Lieder; neben ihm zechte ein Winzer aus dem Bacchuszuge, ein wirklicher Rheinländer, welcher eine Anzahl Champagnerflaschen erhascht und unter den Myrten verborgen hatte. Es war ein untersetzter Mann von dreißig Jahren mit einem braunen Krauskopfe und kindlich lachenden Augen, welche bald mit frommem Ausdrucke in die Welt schauten, bald in schlauer Lustigkeit funkelten. Seine Hände verkündeten einen fleißigen Metallarbeiter und der weichgeschnittene Mund einen andächtigen Trinker, indessen doch die Mundwinkel einen sinnenden festen Zug hatten vom häufigen Verschließen und Verziehen des Mundes über der beharrlichen plastischen Arbeit. Man nannte ihn den kleinen Gottesmacher, weil er nicht nur alle für den katholischen Kultus notwendigen Silbergefäße, sondern auch sehr wohlgearbeitete Christusbilder in Elfenbein verfertigte. Nebenbei war er ein trefflicher Musikus, der mehrere Instrumente spielte und ein Kenner der alten Kirchenmusik sowohl als einer Menge melancholischer Volkslieder war. Diese sang er jetzt abwechselnd mit dem Bergkönig und dem grünen Heinrich, welcher mit Agnes den kleinen Kreis vervollständigte.
Das verzweifelte Mädchen hatte sich hierher zurückgezogen, weil sie nicht unter den anderen Frauensleuten sein mochte, die alle glücklich waren und sich ihres Lebens freuten. Sie saß nun wieder stumm und still und lauschte auf die Worte Heinrichs, welcher ihr fortwährend Hoffnung machte und zuflüsterte, sie solle nur Geduld haben; wenn erst diese tolle Zeit vorüber sei, so würde sich Ferdinand schon besinnen und müsse es, er wolle ihn dazu zwingen. Als das Geräusch der Verlobung sich verbreitete, eilte Heinrich weg, um Ferdinand aufzusuchen, während Agnes mit banger Hoffnung und aufblitzender Lebenslust seiner harrte. Aber er fand ihn nirgends und kehrte allein zurück.
Agnes versank in eine tiefe Erstarrung, alles vergessend, was um sie war. Der Bergkönig und der Winzer begannen jetzt ihren Zustand zu erkennen und bewährten sich als bescheidene und treuherzige Gesellen, welche mit herzlicher Schicklichkeit ihrer schonten und zugleich mit derselben sie aufzuwecken und zu beleben suchten.
Heinrich bot ihr an, sie nach Hause zu bringen; allein sie verweigerte es und ging nicht von der Stelle, indem sie behauptete, Ferdinand müsse sie nach Hause begleiten und würde gewiß noch kommen. Sie trank nun mehreremal von dem brausenden Weine, den sie in ihrem Leben noch nie getrunken, und als derselbe seine Wärme durch ihr Blut ergoß, wurde sie allmählich laut und ergab sich einer selbstbetäubenden Freude. Sie sang nun selbst mit den Gesellen und ließ eine so wohlklingende Stimme ertönen, daß alle bezaubert wurden. Sie wurde immer lustiger und trank in kurzer Zeit einige Gläser aus.
Die drei Burschen, wenig erfahren in so bedenklichen Sachen, ließen sich nun ohne Arg von ihrer Ausgelassenheit hinreißen und freuten sich über das reizende lustige Mädchen, über welches ein eigentümlicher dämonischer Zauber gegossen war. Sie brach blühende Myrten- und Lorbeerzweige und flocht Kränze daraus; sie plünderte das ganze Gewächshaus, um Sträuße zu binden, und indem sie ihre Zechbrüder mit den fremden Wunderblumen aufputzte und ihnen die Kränze aufsetzte sowie sich selbst, tanzte sie nicht wie eine Diana, sondern wie eine kleine angehende Bacchantin herum, ohne daß indes die ganze Szene das geringste von ihrer Unschuld und Harmlosigkeit verloren hätte.
Aber plötzlich, als die Lust am größten war, veränderte sich ihr Gesicht, und sie fing bitterlich an zu weinen; sie warf sich auf einen Stuhl und weinte mehr und mehr, es war, als ob alle Quellen des Leides sich geöffnet hätten, und bald war das Tischtuch, auf das sie ihr schluchzendes Haupt niederbeugte, von ihren strömenden Tränen benetzt, die sich mit dem Champagner ihres umgestürzten Glases vermischten.
Mit durchdringender, klagender Stimme rief sie, vom Schluchzen unterbrochen, nach Ferdinand, nach ihrer Mutter. In größter Ratlosigkeit suchten die Gesellen sie zu beruhigen und aufzurichten, zugleich befürchtend, daß andere Gäste herbeikommen und Agnesens bedenklichen Zustand sehen möchten.
Allein ihr Schrecken wurde noch größer, als die Tränen unversehens versiegten, Agnes vom Stuhle sank und in wilde Krämpfe und Zuckungen verfiel. Sie warf ihre feinen weißen Arme umher, die Brust drohte das spannende Silbergewand zu sprengen, und die schönen dunkelblauen Augen rollten wie irre Sterne in dem bleichen Gesicht. Heinrich wollte nach Hilfe rufen, aber der Bergkönig, welcher der älteste war, hielt ihn davon ab, um einen allgemeinen Auftritt zu verhüten. Sie hofften, der Anfall würde vorübergehen, sprengten ihr Wasser ins Gesicht und lüfteten das Brustgewand, daß der kleine pochende Busen offen leuchtete. Heinrich hielt das schöne tobende Mädchen, das mehr dem Tode als dem Leben nahe schien, auf seinen Knien, da kein geeigneter Ruhesitz im Treibhause war, und indem er das zärtlichste Mitleid für sie fühlte, verwünschte er den eigensüchtigen Ferdinand, welcher nun weiß Gott wo umherschweifen mochte.
Als aber der unglückliche Zustand, anstatt vorürberzugehen, immer schlimmer und bedrohlicher wurde, indem die Zuckende kaum mehr zu halten war, entschlossen sie sich in der größten Angst, die Kranke vorsichtig nach dem Hause zu tragen.
Der Bergkönig und der Winzer hoben sie auf ihre Arme und trugen die tobende Diana auf dem dunkelsten Seitenwege durch den Garten, indessen Heinrich voranging und die Gelegenheit erspähte. So gelangten sie mit der verräterisch glänzenden und ächzenden Last mit Mühe endlich durch eine Hintertür in das Haus und in das obere Stockwerk, wo sie ein mit Betten versehenes Zimmer fanden. Sie legten dort das arme Kind hin und suchten in der Stille einige weibliche Hilfe herbei. Es war auch die höchste Zeit, denn sie lag nun in tiefer Ohnmacht; zugleich erregte aber die herbeigeeilte Gärtnersfrau, die Heinrich gefunden, ein solches Lamento, daß bald alle noch anwesenden Damen in dem Zimmer waren, der Vorfall nun mit dem größten Aufsehen bekannt ward und die betroffenen drei Zecher sich in den Hintergrund ziehen mußten.
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