Die Grösse eines Verwaltungsrates hat auch einen Einfluss auf die Beziehungen. Bei einer Gruppe von zehn bis zwölf Mitgliedern gibt es automatisch sogenannte Untergruppen, die sich organisieren und meistens auch über ihre Meinungsbildung miteinander reden. Eigentlich ist es Sache des Verwaltungsratspräsidenten, dies zu verhindern und Beziehungen unter allen Mitgliedern zu fördern. Und trotzdem kommt es vor, dass sich vereinzelte Verwaltungsratsmitglieder vorgängig absprechen und solche Bündnisse den übrigen Mitgliedern überraschend an einer Sitzung vortragen. Das ist nicht gewünscht. Es ist jedoch ziemlich selbstverständlich, wenn ein Verwaltungsratsmitglied einen Vorstoss machen möchte, er zuerst sondiert, ob seine Idee gut ankommt
Die Geschlechterunterschiede spielen bei den meisten Verwaltungsräten für die Beziehungen keine Rolle. Im Gremium muss es menschlich stimmen, was sich als direkter Motivationsfaktor für das Unternehmen auswirken kann. Dazu braucht es auch soziale Fähigkeiten wie Verlässlichkeit, Glaubwürdigkeit, Einfühlungsvermögen, Toleranz, Belastbarkeit, Frustrationstoleranz, Kritikfähigkeit und Lernbereitschaft. Man muss nicht miteinander befreundet sein; bestehende Freunde in einen Verwaltungsrat zu holen, wird von sämtlichen Verwaltungsräten abgelehnt; das könne nicht gut herauskommen. Was aber nicht heisst, dass nicht mit der Zeit Freundschaften entstehen und die Beziehungen dann bis ins Private reichen können. Eine gesunde Distanz ist auch zugunsten einer Streitkultur trotz allem immer gut. Und wie überall, wo Menschen miteinander interagieren, ist es normal, dass man sich mit dem einen oder anderen Mitglied besser versteht. Ganz bestimmt ist ein Verwaltungsrat aber keine gemütliche Runde, sondern ein seriöses Gremium.
Natürlich ist es angenehm, wenn die Mitglieder eines Verwaltungsrates von den Persönlichkeitsstrukturen her zueinander passen. Das ist dem Nutzen für das Unternehmen förderlich und hat Einfluss auf ein gut zusammenspielendes Team. Dafür spielen unter anderem der respektvolle Umgang und das Empfinden, von seinen Kollegen ernst genommen zu werden, eine grosse Rolle. Es gibt aber auch Mitglieder, die eher distanziert sind, sich vorwiegend auf das Mandat konzentrieren und für Smalltalk weniger zugänglich sind. Andere trennen strikte das Geschäftliche und Private; ihre Beziehungen sind rein professionell. All das zu akzeptieren gehört zu einer toleranten Beziehung untereinander. Solange immer eine klare Verpflichtung zum Wohle des Unternehmens erkennbar ist, stellt es auch kein Problem dar.
Besonders wichtig sind die menschlichen Beziehungen in einem Verwaltungsrat für die Kommunikation. Die Leute drücken sich einfacher und freier aus, wenn sie die Gesichter am Tisch kennen und eine gute Beziehung untereinander haben. Andernfalls kann es sein, dass Hemmungen entstehen und lieber geschwiegen wird.
Verwaltungsrätinnen äusserten sich dazu wie folgt:
Sicherheit – Vertrauen
Nur wenn es ihr wohl sei, könne sie sagen, was sie denke, und sie fühle sich in ihrer Rolle sicherer. Die Beziehungen unter den Verwaltungsratsmitgliedern spielten für sie eine grosse Rolle; dazu gehöre auch ein Basisvertrauen in die andere Person. Nur wenn man am gleichen Strick ziehe, miteinander arbeite und gleichzeitig untereinander eine gute Beziehung pflege, könne man das Beste für die Firma herausholen. Aber sie suche keine Freundschaften im Verwaltungsrat.
Freundschaften – Balanceakt
Wenn man neu sei in einem Verwaltungsrat, dann nehme man natürlich wahr, dass sich die anderen schon kennen. Als Neue müsse man sich immer zuerst orientieren, Beziehungen ergäben sich dann durch die Zusammenarbeit. Gewöhnlich versuche sie immer zuerst, die Stimmung wahrzunehmen. Mit der Zeit könnten sich durchaus freundschaftliche Beziehungen entwickeln; das könne aber auch problematisch werden. Nämlich dann, wenn man seinem Mitverwaltungsrat wegen der freundschaftlichen Beziehung weniger kritisch gegenüberstehe und ihn eher nicht in Frage stelle. Jemanden, den man nicht so gut kenne und zu dem man ein eher distanziertes Verhältnis habe, ergründe man vielleicht mehr. Positiv sei jedoch, dass man sich bei einem engeren Verhältnis und guter Bekanntschaft eher getraue, etwas zu sagen. Alles in allem versuche man indessen schon, immer professionell und auf einer sachlichen Basis zu funktionieren. Das Beziehungsgeflecht in einem Verwaltungsrat sei stets ein Balanceakt, welchen jedes Mitglied immer wieder von neuem bewältigen müsse. Ein gut harmonierender Verwaltungsrat sei insbesondere gegenüber der Geschäftsleitung von grossem Vorteil.
Sonderstellung Frau
In keinem Verwaltungsrat habe sie persönliche Freunde, dies könne aber auch Zufall sein. Es sei schon so, dass es in allen Verwaltungsräten Leute gebe, die sich besser kennen als andere. Sie sei immer die Ausnahmefigur, weil es ja nicht so viele Frauen gebe; das schaffe eine Sonderstellung und fördere das Ausmass an Vertraulichkeit sicher nicht. Das möge heute etwas anders sein, doch früher sei sie die Quotenfrau gewesen und habe sich immer ganz klar als Fremdkörper empfunden. Aber damit habe sie gut leben können. Als dann einmal eine zweite Frau in einen der Verwaltungsräte gewählt wurde, habe sie sich nicht mehr als Quotenfrau gefühlt. Es sei zwar ein subjektives Gefühl gewesen, aber damit sei für sie die Verpflichtung weggefallen, sozusagen die ganze Gattung Frau vertreten zu müssen. Es habe sie entlastet und die Situation für alle entspannt. Generell sei es auch wichtig, dass die Verwaltungsräte dank der Anwesenheit von weiblichen Kolleginnen lernen, dass Frauen genau so verschieden seien wie Männer.
Mittagessen
Das Zwischenmenschliche spiele eine grosse Rolle und werde oft unterschätzt, insbesondere wenn es darum gehe, Vertrauen zu bilden. Die informellen Gespräche bei einem anschliessenden Mittagessen fände sie wichtig. Einen hohen Wert habe es deshalb, weil man dort die Gelegenheit habe, auch über Privates zu sprechen, um so den Menschen und Kollegen als Ganzes besser zu verstehen und zu erfassen. Natürlich gebe es immer Kollegen, zu denen man mehr Affinität habe, einen anderen Draht, das sei normal. Sie könne nicht sagen, ob sie sich eher zu Frauen oder Männern hingezogen fühle, weil für sie die Persönlichkeit, die Sympathie und vielleicht auch ein ähnlicher Background ausschlaggebend seien, ganz sicher nicht das Geschlecht. Es gebe keine Verbundenheit speziell zu einer Frau, nur weil sie beide in der Minderheit oder eben Frauen seien.
«Bonding»
Es gebe schon eine natürlich Verbindung und Sympathie, ein gewisses «Bonding», unter Frauen, das sei so.
Verbundenheit
In einem Verwaltungsrat gebe es von distanzierten bis zu kollegialen Beziehungen alles. Es vereinfache vieles, wenn man sich besser kenne und eine gewisse Nähe und Kollegialität vorhanden sei. Die Folge davon sei auch, dass man etwas vorbesprechen könne, um die Chance zu erhöhen, dass ein Thema oder Geschäft im Verwaltungsrat durchkomme. Alleine sei dies immer schwierig.
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