IM SCHATTEN DES FELDMARSCHALLS BRIAN MCCLELLAN
Geschichten aus dem Powder-Mage-Universum
Ins Deutsche übersetzt von
Johannes Neubert
Die deutsche Ausgabe von DIE POWDER-MAGE-CHRONIKEN:
IM SCHATTEN DES FELDMARSCHALLS – GESCHICHTEN AUS DEM POWDER-MAGE-UNIVERSUM
wird herausgegeben von Cross Cult, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.
Herausgeber: Andreas Mergenthaler, Übersetzung: Johannes Neubert;
verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Kerstin Feuersänger;
Korrektorat: Peter Schild; Satz: Rowan Rüster; Cover-Illustration: René Aigner;
Printausgabe gedruckt von CPI Moravia Books s.r.o., CZ-69123 Pohořelice.
Printed in the EU.
Titel der Originalausgabe:
IN THE FIELD MARSHAL’S SHADOW: STORIES FROM THE POWDER MAGE UNIVERSE
HOPE’S END copyright © Brian McClellan, 2013. All rights reserved.
THE GIRL OF HRUSCH AVENUE copyright © Brian McClellan, 2013. All rights reserved.
GREEN-EYED VIPERS copyright © Brian McClellan, 2015. All rights reserved.
THE FACE IN THE WINDOW copyright © Brian McClellan, 2014. All rights reserved.
RETURN TO HONOR copyright © Brian McClellan, 2015. All rights reserved.
THE SIEGE OF TILPUR copyright © Brian McClellan, 2015. All rights reserved.
German translation copyright © 2021, by Cross Cult.
Print ISBN 978-3-96658-319-0 (März 2021)
E-Book ISBN 978-3-96658-320-6 (März 2021)
WWW.CROSS-CULT.DE
Himmelfahrtskommando HIMMELFAHRTSKOMMANDO Achtzehn Jahre vor den Ereignissen aus »Blutschwur«
Das Mädchen von Hrusch Avenue DAS MÄDCHEN VON HRUSCH AVENUE Zehn Jahre vor den Ereignissen aus »Blutschwur«
Die grünäugige Viper
Das Gesicht im Fenster
Verlorene Ehre
Die Belagerung von Tilpur
Achtzehn Jahre vor den Ereignissen aus »Blutschwur«
Captain Verundish dachte darüber nach, sich umzubringen.
Die Pistole lag in ihrem Schoß; der Lauf war geladen, der Hahn gespannt und die Pulverpfanne befüllt.
Es würde ein Leichtes sein, den Lauf in den Mund zu nehmen, die Mündung nach oben auf ihr Gehirn zu richten und abzudrücken. Irgendein armer Infanterist würde das Blut und die Knochenstückchen von der Rückwand ihres Zeltes waschen müssen – oder vielleicht würden sie es einfach nur abbauen und verbrennen. Ihre Leiche würde zurück nach Adro überführt werden, wo sie …
Ach, wieso sich darum kümmern, was danach passierte? Nichts davon würde für sie irgendeine Rolle spielen.
Sie legte ihre Finger um den Griff der Pistole, die einst ihrem Großvater gehört hatte. Der Griff hatte eine glatte, abgenutzte Oberfläche, und sie war froh, dass sie so wenige Angehörige zurücklassen würde, die um sie trauerten. Würden sie überhaupt um sie trauern, wenn sie sich für den feigen Ausweg entschied?
Würde Genevie sich an ihre Mutter erinnern?
Ein Brief lag auf dem Tisch neben ihrem Feldbett. Der Absender war ein junger Mann, der sich zwar dem Gesetz nach als ihr Ehemann bezeichnen konnte, aber abgesehen davon keinerlei Anspruch darauf hatte, sich so zu nennen. Verundish wollte den Brief verbrennen und dessen Inhalt vernichten.
Vor ihrem Zelt grüßte eine bekannte Stimme jemanden. Verundish schob die Pistole unter ihr Kissen und klopfte sich gerade noch die letzten Reste Schießpulver aus dem Schoß, als ein Mann die Zelttür aufwarf.
Captain Constaire betrat das Zelt und zog seinen Hut mit einer schwungvollen Bewegung. Er war ein großer, gertenschlanker Mann; sein langes, braunes Haar hatte er über einer Schulter zurückgebunden, und er hatte die schelmischen Augen eines Spaßvogels. Seine dichten Koteletten reichten bis zu seinen Mundwinkeln, und seine Uniform hing locker von seinem drahtigen Körper.
Er kam zu ihr, beugte sich herunter und küsste sie auf den Mund, was ihre Proteste im Keim erstickte. Einen Moment später küsste sie ihn zurück, und nach viel zu kurzer Zeit riss Constaire sich mit einem Grinsen im Gesicht von ihr los. »Liebes«, sagte er, »ich wollte nur kurz vorbeischauen auf meinem Weg zu General Tamas.«
Verundish zog die Augenbrauen hoch. »Die Beförderung?«
»Ich denke schon.« Constaire richtete sich zu seiner vollen Größe auf, wobei sein Kopf die Spitze ihres Zeltes anhob, und tat so, als würde er sich einen Umhang über den Arm werfen. »Das nächste Mal, wenn wir uns sehen, werde ich Major Constaire sein.«
Verundish lehnte sich auf ihrem Feldbett zurück und betrachtete den Mann.
»Du bist ein Narr.«
»Aber du liebst mich trotzdem.«
»Ich bin keine kluge Frau.«
Er hielt inne, so als spüre er, dass etwas nicht stimmte. »Verie?«
Sie schüttelte leicht den Kopf als eine Warnung, nicht nachzufragen.
Er ignorierte sie.
»Was ist los?«
»Nichts.«
»Sag es mir. Hat er noch einen Brief geschickt?« Seine Augen wanderten zu dem Umschlag auf dem Tisch neben ihrem Feldbett. »Dieser verdammte Mistkerl! Was will er diesmal? Geht es Genevie gut?«
»Es ist nichts«, sagte Verundish leise. Constaire machte es ihr nicht leicht. Es wäre besser, wenn sie keinen Liebhaber hätte, niemanden, der sich ihren Tod zu Herzen nehmen würde. Das würde die Dinge einfacher machen. Sie tat einen tiefen Atemzug und rief sich ins Gedächtnis, dass das hier nur eine Soldatenliebe war. Früher oder später würde der Feldzug enden und sie beide nach Hause zurückkehren. Constaire würde sich eine jüngere Frau suchen, und Verundish würde zurückkehren in ein kaltes Haus mit einem verabscheuungswürdigen Ehemann.
Nun. Sie würde nicht dorthin zurückkehren müssen, wenn sie sich umbrächte.
Constaire ging auf ein Knie. »Lass dich von ihm scheiden«, sagte er. »Heirate mich. Ich werde gleich zum Major ernannt. Wir könnten nach Adopest zurückgehen und Genevie von diesem Monster befreien.«
Oh, dieser Narr. Er streute ihr bloß Salz in die Wunde. »Das meinst du nicht ernst.«
»Doch, tue ich. Todernst.«
Wenn es doch nur so einfach wäre. Aber das Leben, hatte ihre Mutter ihr immer gesagt, war niemals einfach. »Er wünscht sich eine Scheidung noch mehr als ich«, sagte Verundish.
»Perfekt! Beantrage eine Scheidung und heirate mich.«
»Weißt du, wer mein Vater ist?«
Constaire wirkte verblüfft. »Ich glaube, du hattest gesagt, er sei ein Priester.«
»Ja. Er ist der Priester, der uns getraut hat, und er würde die Papiere unterzeichnen müssen, die meine Scheidung rechtskräftig machen.«
Constaire machte ein langes Gesicht und ließ sich nach hinten sinken, bis er auf dem Boden ihres Zeltes saß. »Und er glaubt nicht an Scheidung. Ist es das?«
»Er denkt, dass es eine Sünde gegen Kresimir ist. Er denkt, dass es besser ist, dass ich diese Ehe durchstehe mit einem Mann, der mich betrügt und klaut und lügt und meiner Tochter Schläge androht, als geschieden zu werden.«
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