Als ich später zu unserem zweiten CAB-Meeting gehe, bin ich hoffnungsfroh. Wenn wir unseren alten Change-Prozess wieder zum Leben erwecken können, sollten wir dazu in der Lage sein, eines der größten Audit-Probleme schnell zu lösen, und gleichzeitig auch selbst etwas davon haben.
Ich bin zudem begeistert davon, wie gut Patty und Wes zusammenarbeiten.
Als ich mich dem Besprechungsraum nähere, höre ich laute Stimmen.
»... und dann hat Patty ihn dafür gefeuert, dass er seinen Job gemacht hat. Er war einer unserer besten Netzwerktechniker. Du hattest das nicht zu entscheiden!«
Kein Irrtum möglich. Da tobt sich Wes aus. Dann höre ich, wie Patty hitzig antwortet: »Was? Du hast die Kündigung doch unterschrieben! Warum ist das jetzt plötzlich meine Schuld?«
Es wäre ja auch zu schön gewesen.
Ich höre John sagen: »Das war der richtige Schritt. Wir haben jetzt seit drei Jahren bei den Audits die gleichen Probleme mit dem Change-Management. Das landet dieses Mal beim Audit-Komitee. Und beim nächsten Mal ist es vermutlich nicht nur ein Techniker, der gefeuert wird, wenn Sie mich fragen.«
Was? Wer hat John zu diesem Meeting eingeladen?
Bevor John alles noch schlimmer machen kann, trete ich schnell durch die Tür und sage fröhlich: »Hallo, alle zusammen! Und? Können wir uns ein paar Changes anschauen?«
14 Personen schauen mich an. Die meisten technischen Leiter der verschiedenen Gruppen sitzen am Tisch. Wes steht vor Wut schäumend hinter seinem Stuhl, während Patty vor dem Beamer steht und die Arme verschränkt hat.
John sitzt weiter hinten im Raum, seine allgegenwärtige Mappe geöffnet und ganz offensichtlich eigentlich unerwünscht.
Mit beiden Händen setze ich meinen antiken Laptop ab. Er landet etwas hart auf dem Tisch, und der Akku löst sich, weil das Tape nicht mehr länger klebt. Dann höre ich das kratzende Geräusch einer herunterfahrenden Festplatte.
Wes’ verärgerter Gesichtsausdruck ist sofort verschwunden. »Wow, Boss, nette Kiste. Was ist das? Ein Kaypro II? So etwas habe ich ja seit 30 Jahren nicht mehr gesehen. Falls du ein 8-Inch-Diskettenlaufwerk benötigen solltest, um CP/M auf dem Rechner zu starten – ich habe noch eines auf dem Dachboden liegen.«
Zwei der Entwickler kichern ebenfalls. Ich lächle Wes kurz an und bin dankbar für die Ablenkung.
Ich bleibe stehen und sage zu allen: »Ich will euch erklären, warum ich alle herbeordert habe. Angesichts der Dringlichkeit von Phoenix könnt ihr euren Hintern darauf verwetten, dass ich keine Zeit verschwenden würde, wenn es nicht so wichtig wäre.«
Ich fahre fort: »Erstens dürfen solche Aktionen wie die vom Dienstag, die zum SAN-Ausfall und zum Payroll-Problem geführt haben, so nicht wieder vorkommen. Was als mittelschwerer Payroll-Zwischenfall begann, führte zu einer massiven, selbst gemachten SAN-Katastrophe. Und warum? Weil wir nicht miteinander darüber reden, was für Änderungen wir planen oder umsetzen. Das können wir nicht weiter hinnehmen.
Zweitens hat John recht. Wir haben gestern den ganzen Vormittag damit verbracht, mit unseren Auditoren einen Haufen Mängel zu diskutieren, die sie gefunden haben«, fahre ich fort. »Dick Landry geht der Hintern schon auf Grundeis, weil das den Finanzbericht für dieses Quartal beeinflussen könnte. Wir müssen unsere Änderungen besser im Griff haben, und als Manager und technische Leiter müssen wir uns überlegen, wie wir einen vernünftigen Prozess aufsetzen können, der selbst verschuldete Pannen vermeidet und uns die Auditoren vom Hals hält, gleichzeitig aber dafür sorgt, dass wir unsere Arbeit erledigt bekommen. Wir werden diesen Raum nicht eher verlassen, bevor wir nicht einen Plan ausgearbeitet haben. Verstanden?« Zufrieden sehe ich, dass alle angemessen eingeschüchtert sind, und eröffne die Diskussion. »Was hält uns also davon ab, das zu erreichen?«
Einer der technischen Leiter sagt schnell: »Ich werde anfangen. Dieses Change-Management-Tool ist unbenutzbar. Es gibt Millionen Pflichtfelder, und in den meisten Fällen sind die Auswahlboxen für ›Betroffene Anwendungen‹ nicht passend gefüllt. Darum habe ich es aufgegeben, überhaupt Change Requests einzutragen.«
Ein anderer Leiter ruft: »Das stimmt. Wenn ich mich an Pattys Regeln halte, muss ich Hunderte Servernamen per Hand in eines der Textfelder eintragen. Und meist ist das Feld gar nicht groß genug! 100 Servernamen sollen in ein Textfeld mit 64 Zeichen passen? Welcher Idiot hat das denn gebaut?«
Weiteres, unerfreuliches Lachen.
Patty ist knallrot geworden. Sie ruft: »Wir müssen Auswahlboxen nutzen, damit wir die Datenintegrität wahren können! Und ich würde die Liste mit den Anwendungen liebend gerne aktuell halten, aber ich habe keine Ressourcen dafür. Wer hält denn den Anwendungskatalog und die Change-Management-Datenbank up to date? Meint ihr, das geschieht irgendwie per Magie?«
»Es geht nicht nur um das Tool, Patty. Der ganze Prozess ist kaputt«, erklärt Wes. »Wenn meine Leute Change Requests eintragen, müssen sie ewig warten, bis die genehmigt sind, geschweige denn eingeplant werden. Uns sitzt das Business die ganze Zeit im Nacken, dass wir unseren Kram erledigt bekommen. Wir können nicht darauf warten, dass du unsere Einträge bis ins Detail analysierst und dich dann beschwerst, dass nicht alle Felder korrekt ausgefüllt sind.«
Patty meckert zurück: »Das ist Quatsch, und das weißt du. Deine Leute halten sich nie an die Regeln. Ihr markiert doch auch alle Change Requests als ›dringend‹ oder als ›Notfalländerung‹. Das Feld ist nur für echte Notfälle gedacht!« Wes erwidert: »Das müssen wir doch tun, denn nur so schaut sich dein Team die Einträge überhaupt an! Wir können nicht drei Wochen darauf warten, eine Erlaubnis zu bekommen.«
Einer der leitenden Techniker schlägt vor: »Vielleicht könnten wir noch ein weiteres Feld aufnehmen mit dem Namen ›Extrem dringend‹?«
Ich warte, bis alle wieder zur Ruhe gekommen sind. Wenn wir so weitermachen, erreichen wir heute gar nichts mehr. Schließlich sage ich nach hektischem Nachdenken: »Wir machen zehn Minuten Pause.«
Als wir fortfahren, sage ich: »Wir beenden dieses Meeting nicht ohne eine Liste mit genehmigten und terminierten Änderungen, die wir in den nächsten 30 Tagen umsetzen.
Wie ihr sehen könnt, hat meine Assistentin einen Stapel leerer Karteikarten mitgebracht. Ich möchte, dass jede Gruppe jede geplante Änderung aufschreibt – eine pro Karte. Dabei sollen drei Informationen darauf stehen: wer die Änderung plant, welches System geändert wird sowie eine kurze Zusammenfassung in einem Satz.
Ich habe einen Kalender auf das Whiteboard gemalt, auf dem wir die genehmigten Änderungen schließlich je nach Termin anpinnen werden«, fahre ich fort. »Das sind die Regeln. Kurz und einfach.«
Wes schnappt sich einen Stapel Karten und schaut sie misstrauisch an. »Echt jetzt? Karteikarten, heutzutage? Warum nehmen wir nicht gleich deinen Laptop, der scheint ja noch älter zu sein als diese Karten?«
Alle lachen – mit Ausnahme von Patty. Sie sieht verärgert aus, ganz offensichtlich ist sie nicht begeistert über die Richtung, in die dieses Meeting läuft.
»Das ist so anders als jeder Change-Management-Prozess, den ich je zu Gesicht bekommen habe«, sagt John. »Aber ich werde meine Änderungen an die Tafel pinnen. Zum Beispiel die anstehenden Firewall-Updates und Änderungen am Monitoring, die für die nächsten Tage geplant sind.«
Überraschenderweise inspiriert Johns Bereitschaft zur Teilnahme auch andere, und sie fangen an, fleißig ihre Änderungen auf die Karten zu schreiben.
Schließlich sagt Wes: »Okay, versuchen wir es. Alles ist besser als dieses blöde Change-Management-Tool.«
Einer der Techniker hält eine Handvoll Karten hoch. »Ich habe hier alle Datenbankänderungen aufgeschrieben, die wir machen wollen.«
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