Wo wir selbst massenhaft Daten über uns ohne Not und nur, um süße Plüschbären von der Tankstelle geschenkt zu bekommen, registrieren und tracken lassen, wird dies in China von staatlicher Seite aus zwingend verlangt. Wahrscheinlich wissen die dortigen Machthaber, dass Chinesen das im Gegensatz zu uns Europäern ohne Zwang nicht mitmachen würden. Das inzwischen etablierte Social-Credit-System in China ist ein Beispiel für Chinas Top-Level-Design – Ansatz (top 设计). Nur wenn Sie als Chinese ausreichende Social Credits erworben haben, können Sie in vollem Umfang am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Gemäß der vom Staatsrat herausgegebenen Planungsskizze für den Aufbau eines Sozialkreditsystems konzentriert sich dieses auf die
Ehrlichkeit in Regierungsangelegenheiten (政务 诚信),
kommerzielle Integrität (商务 诚信),
gesellschaftliche Integrität (社会 诚信) und
gerichtliche Glaubwürdigkeit (司法 剬 信).
Das Social-Credit-System soll unter anderem das Problem des mangelnden Vertrauens in den chinesischen Markt lösen. Befürworter argumentieren, dass dies dazu beitragen würde, Probleme mit Lebensmittelverunreinigung, Betrug und gefälschten Waren in den Griff zu bekommen. Sind das aber nicht auch Argumente, die wir von unseren Politikern zu hören bekommen, um die Überwachung unserer Handlungen zu rechtfertigen? Wie viele Punkte im Social-Credit-System würden Sie erhalten, wenn Sie Ihre Maske im Supermarkt schief aufsetzen? Die Menschen in China sehen sich bereits mit verschiedenen Strafen für die Verletzung von sozialen Vorgaben konfrontiert. Mit dem neuen System wurden bereits neun Millionen Menschen mit niedrigen Werten bei dem Kauf von Inlandsflügen blockiert. Noch im Vorstadium der Einführung des Systems wurde das System verwendet, um Kindern zu verbieten, bestimmte Schulen zu besuchen, nur weil die Eltern nicht linienkonform genug waren. Man verwendet die Ergebnisse, um zu verhindern, dass Leute mit einem angeblich niedrigen sozialen Niveau Hotels mieten, Kreditkarten verwenden und dass Personen, die auf ominösen schwarzen Listen von irgendwelchen persönlichkeitslosen Staatsdienern geführt werden, keine Beschäftigung mehr finden können. Liken Sie also gerne jeden Blödsinn in aller Welt auf allen Plattformen weiter. Früher oder später werden auch unsere Politiker Gefallen an Social Credits finden. Sie wissen ja, was dann auf Sie wartet. Kein Flug mehr heute frei für Leser von Dummies-Büchern nach New York? Dann nehmen Sie einfach den Nachtbus!
Ebenso wie in der Kriminalistik werden auch in der digitalen Welt Fingerabdrücke verwendet, um Sie zu identifizieren. Das sind aber nicht solche Fingerabdrücke, wie Sie sie bisher kennen. Sie patzen dabei nicht irgendwelche Tintenkleckse mit Ihren Fingern aufs Papier. Über Ihren digitalen Fingerabdruck ( Device Fingerprinting ) kann man Sie aber ebenso identifizieren, wie über Ihren echten Fingerklecks. Sie hinterlassen beim Surfen im Web nämlich ganz automatisch Spuren , über die man Sie identifizieren kann und die dann, wenn sie zusammengeführt werden, Ihr digitaler Fingerabdruck werden. Dabei kommen alle Technologien, die Informationen über Sie liefern, in Betracht. Man unterscheidet dabei zwischen
passivem Fingerprinting und
aktivem Fingerprinting.
Mit passivem Fingerprinting meint man das Auslesen solcher Informationen, die beim Aufrufen einer Webseite technisch bedingt übermittelt werden. Darunter fallen Informationen über Browsertyp , -version , -einstellungen , IP-Adresse , Hersteller- und Typenbezeichnung des Smartphones, Tablets oder sonstige mobilen Endgeräte.
Beim aktiven Fingerprinting wird zusätzlich ein Programm auf Ihrem Gerät ausgeführt. Informationen können dadurch gezielt vom Empfängersystem ausgelesen werden. Bei Smartphones geschieht das in der Regel über harmlos erscheinende und oft auch bereits vorinstallierte Apps im Hintergrund. Im Unterschied zu rein passiven Techniken wird beim aktiven Fingerprinting ein Programmcode direkt auf dem Gerät des Opfers zur Ausführung gebracht. Dadurch lassen sich zusätzliche Informationen zum passiven Fingerprinting in Erfahrung bringen, aber auch typisches Verhalten im Umgang mit dem Smartphone wie die Geschwindigkeit des Eintippens , der typische Haltewinkel , regelmäßige Betriebs- und Ladezeiten oder andere Bediengewohnheiten .
Aufgrund der Vielzahl von Einstellungsoptionen ermöglicht der Device-Fingerprint eine ziemlich genaue Identifizierung des Nutzers, da die verschiedenen Informationen in ihrem Gesamtbild ein einzigartiges Nutzerprofil ergeben. Daher können Sie auch dann identifiziert werden, wenn Ihr Fingerprint in der Zwischenzeit geringfügig modifiziert worden ist oder Sie sich einen völlig neuen Account und neue Geräte zugelegt haben. Und Sie dachten, Sie könnten sich dem Zugriff von Unternehmen oder Behörden entziehen, indem Sie sich ein neues Handy und eine neue Nummer zugelegt haben?
Angenommen Sie verzichten bewusst auf Kommunikation über das verräterische Internet und bedienen sich zum Informationsaustausch nur noch der Post oder toter Briefkästen . Gespräche führen Sie auch nicht mehr in der Öffentlichkeit, sondern nur noch zu Hause in Ihren eigenen vier Wänden. Dann sollten Sie doch einigermaßen sicher sein, dass Ihnen bei Ihren dubiosen Aktivitäten niemand mehr auf die Schliche kommt, oder? Mal sehen, was Ihr Auto und Ihr Haus dazu sagen, die Spielsachen im Zimmer Ihrer Kinder oder Ihre Hosen!
Kürzlich zeigte mir meine Frau ein Video auf YouTube , auf dem ein junger Mann seine neue Sporthose mit einer Schere bearbeitete und mit vielsagendem Blick einen eingebauten RFID-Chip zutage förderte. Nachdem wir uns zunächst etwas ungläubig angeschaut hatten, stürzte ich mich mit der Schere auf meine ebenfalls kürzlich neu erworbene Laufhose, und siehe da: ein Chip! Nun muss man auch als Datenschützer nicht gleich völlig paranoid durch die Weltgeschichte laufen oder entsprechende Überwachungsparanoia bei seinen Lesern erzeugen. Diese RFID-Chips dienen nämlich nicht der Überwachung dessen, was in unseren Hosen passiert (sollten Sie hier über einen höheren Wissensstand verfügen, teilen Sie mir dies bitte mit!). Offiziell dienen diese Chips einzig dazu, durch digitale Datenverarbeitung bei der Distribution und bei Inventuren zu unterstützen. Nichts wirklich Gefährliches also. Leider verhält es sich aber so, dass Unternehmen nicht immer mit offenen Karten spielen und wir oft erst im Nachhinein erfahren, was mit den von uns erhobenen Daten wirklich passiert. Da kann es einem dann schon einmal kurz zu denken geben, wenn ein Chip in der Hose sitzt.
Inzwischen sind Autos, Kühlschränke, Spielzeuge, ja fast alle elektronischen Artikel mit einem Internetzugang versehen. Wir sprechen deshalb vom Internet of Things . So sind über Smartphone oder Computer Steuerungen von Kühlschränken und Staubsaugern möglich, von Garagentüren, von Videokameras an Fahrzeugen oder gleich die Steuerung der gesamten Elektrik in modernen Häusern. Auch das Navigationsgerät in Ihrem Fahrzeug, das die von Ihnen eingegebenen Routen speichert, und der Bordcomputer im Fahrzeug, der bei Vornahme entsprechender Einstellungen im Bord-System keine Fahrt und keine Fahrfehler vergisst, sind Annehmlichkeiten, ohne die wir kaum noch auskommen, die uns aber gläsern machen.
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