Fritz zauberte nochmals zwei Äpfel hervor.
»Man darf nicht stehlen. Das ist eine Sünde«, sagte eine Stimme hinter ihm.
Fritz drehte sich um. Vor der Box seines Pferdes stand Johannes. Für seine 13 Jahre war er sehr groß und sehr dünn, die Hose schlackerte um seine Beine und den Kapuzenpulli hatte er offenbar von seiner älteren Schwester geerbt. Seine Haut war von besonderer Blässe, lediglich ein paar rote Aknepickel besiedelten seine Stirn. Er starrte den Polizisten aus Biberach durch seine große Brille an, seine Lippen zitterten.
»Noi, stehla darf mr net. Da hosch du recht, Johannes. Aber so a paar Äpfel machet nix aus. Mei Nochbore, die pflückt die eh net. No han i denkt, bevor die rahaglet, nemm i a paar mit. Winona freit sich und mei Nochbore kriagt des gar net mit.«
Fritz lächelte den Jungen an, doch der zeigte keine Reaktion.
Johannes blieb stocksteif vor ihm stehen, als wäre er die Personifizierung der Anklage. »Diebe kommen ins Gefängnis«, stammelte er.
»Ha, jetzt komm. Net wega vier Äpfel. Da gibt’s Schlimmeres. Wenn de zum Beispiel jemand den Geldbeutel klausch oder ebbes ganz Wertvolles. Dann kann es sei, dass de ens G’fängnis kommsch.«
Fritz lächelte den Jungen an, Johannes blieb ernst. »Gott hat es gesehen, dass Sie gestohlen haben«, sagte der Junge schließlich. »Und er wird Sie bestrafen.«
Johannes drehte sich um und lief nach draußen.
»Aha, wenn i mi net täusch, sen des die Auswirkunga vom Firmungsunterricht«, murmelte Fritz. »Des kann ja no was gäba.«
Rosalie drehte sich zur Seite und schmiegte sich an Zacharias’ muskulöse Brust. Er grunzte wohlig, zog sie näher an sich heran und massierte ihren Hintern. Sie spürte, dass er wieder eine Erektion hatte, und das, obwohl er bereits dreimal wie ein sexuell Ausgehungerter über sie hergefallen war. Zacharias war kein zärtlicher Liebhaber und ganz auf seine Befriedigung bedacht, grob zuweilen, aber er wusste, wie er einer Frau Lust bereiten konnte. Und offenbar war er einer, der nie genug bekam.
Rosalie lächelte und presste ihren Unterleib gegen seinen. »Es ist spät, ich muss gleich gehen. Wir könnten doch kurz deinen Freund bei der Bavaria anrufen und einen Termin ausmachen. Nicht, dass er die weibliche Hauptrolle mit einer anderen besetzt.«
»Das macht der nicht. Vertrau mir«, wisperte Zacharias und bedeckte ihren Hals mit Küssen. Seine Hand fuhr die Innenseiten ihrer Schenkel auf und ab und sie spürte die Hitze zwischen ihren Beinen. Sie stöhnte leise, gab sich kurz seinen Zärtlichkeiten hin. Als er ihre Scham berührte, hielt sie seine Hand fest.
»Bitte, ruf ihn an«, hauchte sie. »Es ist mir wirklich sehr wichtig.«
»Weiß ich. Aber erst zeig ich dir, was mir wichtig ist.«
Er führte ihre Hand zu seinem Glied, sie zog sie zurück.
»Das kenn ich schon«, sagte sie und lächelte.
Zacharias machte keine Anstalten, ihrem Wunsch nachzukommen. Stattdessen tauchte er unter die Bettdecke ab, liebkoste ihre Brüste, ihren Bauch, ihren Venushügel. Seine Bewegungen wurden schneller, fordernder, der Druck seiner Hände wurde stärker. Er tat ihr weh. Rosalie versuchte, ihn abzuwehren, griff mit beiden Händen in Zacharias’ Haar und zog seinen Kopf nach oben.
»Lass mich, ich will nicht. Nicht, bevor du mit deinem Freund gesprochen hast.«
Zacharias rollte mit ihr herum, schwang sich auf sie, hielt ihre Arme fest und presste mit seinem Becken ihre Beine auseinander. Rosalie erkannte, dass sie gegen den Muskelprotz keine Chance hatte. Er war durchtrainiert bis in die Zehenspitzen und zudem mindestens 50 Kilo schwerer als sie.
»Verdirb uns nicht die Stimmung. Es ist gerade sehr nett mit uns«, keuchte er. Erneut küsste er ihren Hals, knabberte an ihrem Ohrläppchen. Sein Penis drückte gegen ihren Bauch, eine Hand machte sich unsanft an ihrer Scham zu schaffen, unter seinem Gewicht fiel ihr das Atmen schwer. Rosalie bäumte sich auf und stemmte sich gegen ihn. Der vage Gedanke, dass Zacharias sie hereingelegt haben könnte, regte sich in ihr. Womöglich hatte er gar keine Beziehungen zur Filmbranche, das alles war ein Vorwand gewesen, um sie ins Bett zu bekommen. Sicher würde er sich bald mit seiner Eroberungsmasche rühmen und allen erzählen, wie leicht es war, Rosalie abzuschleppen. Eine Welle aus Wut und Scham überschwemmte sie, gegen ihren Willen stiegen ihr Tränen in die Augen. Diese Geschichte hatte das Zeug dazu, ihren stark angekratzten Ruf noch mehr zu schädigen. Durch ihre knappen Outfits und ihre zahlreichen Liebeleien hielten sie viele für eine kleine Nutte, die für jeden die Beine breit macht, der die richtigen Versprechungen anbrachte. Dabei sehnte sie sich nur nach ein bisschen Anerkennung, wenn es schon keine Liebe für sie geben konnte.
Sie presste die Schenkel zusammen, um ihm das Eindringen zu erschweren, aber ihre Widerborstigkeit schien ihn weiter anzuturnen. Er grunzte, verstärkte den Druck seines Beckens, Rosalie schrie vor Schmerz auf. Sie biss ihm in die Schulter. Zacharias warf den Oberkörper zurück und ließ sie los. Rosalie gab ihm einen kräftigen Stoß, sodass er zur Seite fiel.
»Du spinnst wohl komplett, du dumme Sau!«, schrie er und griff nach ihr. Mit einer behänden Bewegung wich Rosalie aus, rollte sich aus dem Bett und beeilte sich, ihre Sachen im Zimmer zusammenzusuchen.
»He, was soll denn das? Wir wollten Spaß haben und wir hatten unseren Spaß, oder nicht? Zick nicht so rum, du lässt doch sonst auch nichts anbrennen.«
Zacharias massierte die Schulter, an der sich der Biss rot abzeichnete. Rosalie würdigte ihn keines Blickes und zog sich an. »Diesen Freund bei der Bavaria gibt es gar nicht, oder?«, presste sie hervor. Tränen liefen ihr über die Wangen. »Du hast mich verarscht und ich blöde Kuh bin darauf reingefallen. Echt schade, ich habe gedacht, du bist nett.«
»Nett kann ich auch. Das bringt nichts«, erwiderte Zacharias und grinste, obwohl er es ein wenig bereute, dass der Spaß zu Ende sein sollte. Eigentlich fand er es ganz reizvoll, wenn sich eine Frau wehrte und er sich letztlich als Eroberer fühlen konnte. Außerdem war Rosalie schöner, wenn sie wütend war. Er schwang seine Beine aus dem Bett und versuchte, sie daran zu hindern, ihre Shorts anzuziehen. Sie schlug und trat nach ihm. Auch wenn sie ihm damit keine großen Schmerzen zufügen konnte, wich er tänzelnd aus. Der kleine Übungskampf gefiel ihm, zumal er wusste, dass der Sieger bereits feststand.
Das Klingeln seines Smartphones brachte ihn aus dem Konzept. Rosalie nutzte seine Unaufmerksamkeit und floh ins Nebenzimmer. Zacharias zögerte, entschied sich gegen eine Verfolgung und nahm das Gespräch an. Wortlos hörte er zu, und je länger er lauschte, desto mehr verflogen seine Wut und seine Lust auf Rosalie. Er merkte nicht einmal, dass sie zum Ausgang schlich, so euphorisch stimmte ihn das Gehörte. »Gut gemacht, Kleiner«, sagte er und schüttelte die rechte Faust vor seinem Gesicht. »Jetzt packen wir sie alle an den Arsch. Du machst jetzt Folgendes …«
Er senkte seine Stimme und sprach leise weiter, bis er das Telefonat so abrupt beendete, wie er es angenommen hatte. Mit wirrem Blick wendete er sich zu Rosalie, die wie hypnotisiert stehen blieb. »Was ist denn passiert?«
»Gerechtigkeit, Süße. Es gibt Gerechtigkeit. Das Schicksal meint es gut mit mir. Sehr bald werden ein paar Herren bereuen, dass sie sich mit mir angelegt haben«, murmelte er.
»Wie meinst du das? Welche Herren werden sich wundern?« Ihre Stimme hörte sich piepsig an.
»Die Blutreiter, diese Verbrecherbande. Kümmer dich nicht um Dinge, die du gar nicht verstehst …«
Zacharias streckte eine Hand nach ihr aus und bewegte sich auf die junge Frau zu. Sie löste sich aus ihrer Erstarrung, lief zur Wohnungstür, nestelte fahrig an dem Schlüssel, der im Schloss steckte. Er ließ sich nicht drehen.
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