»Darf ich die haben? Die sollen sie auf Fingerabdrücke prüfen, mein ich. Und eine Frage zum Schluss hab ich auch noch: Auf der Karte vom Praetorius war auf der Hinterseite ein Fünfer draufgemalt. Was hat denn das zu bedeuten?«
»Ein Fünfer?«, hat der Hintermeier geschluckt. »Hab ich gar ned mitgekriegt.«
»Hm«, der Sanktus. »Fünfter Psalm? Die Zeitung hat da so was in der Richtung geschrieben.«
»Herr, höre meine Worte, merke auf meine Rede!«, hat der Hintermeier zitiert. »Herrschaft, wia geht’s weiter?«
Jetzt hat er sein Smartphone gezückt und gegoogelt.
»Logisch. Vernimm mein Schreien, mein König und mein Gott; denn ich will vor dir beten … wer böse ist, bleibt nicht vor dir … du bist feind allen Übeltätern …Du bringst die Lügner um; der Herr hat Gräuel an den Blutgierigen und Falschen«, hat er gemurmelt.
»Also, Migi«, hat der Sanktus fordernd gesprochen, »Lügner, Blutgieriger, Falscher … War er das, der Praetorius?«
»Oh, oh. Migi. Des gefallta ma neda«, hat der Mbewu geflüstert.
»Sanktus«, hat der Hintermeier geantwortet, »man kann ja ned in jeden Menschen reinschauen, aber ich hab den Engelbert doch besser gekannt. Ich hab mich auch wirklich gefreut, dass er die Firmung gemacht hat. Also so war er bestimmt nicht. Definitiv nicht.«
»Und das fünfte Gebot: Du sollst nicht töten?«
»Der Engelbert, ein Mörder?«, hat der Hintermeier gekeucht.
Der Sanktus hat, während der Sud gekocht hat, die Schranner Bine angerufen und sich über den Stand der Ermittlungen erkundigt, doch es hat noch nichts Neues gegeben. Auf der Monstranz waren keine Fingerabdrücke zu finden.
»Gut, dass wir den Graffiti im Biergarten verhört haben«, hat die Bine gemeint. »Die Presse hat dadurch keinen Wind von der Sache gekriegt.«
»Aber die Muxeneder muss mit jemand g’sprochen haben«, hat der Sanktus bemängelt. »Da ist durchgesickert, dass wer den Abt schon am Vormittag bedroht hätte. Und die Details von der Tarotkarte hat auch nur sie weitergeben können. Bin gespannt, wie lange wir den Graffiti da heraushalten können. Apropos Karte. Fünftes Gebot: Du sollst nicht töten. Ihr müsstet schauen, ob der Abt mal in irgendeinen Mordfall verwickelt war.«
»Sauber. Und Psalm 5?«
»Könnt auch sein. Aber die schreiben sie ja eher an die Kirchenwände. Ned auf Karten. Und wie sehts ihr das mit dem Kerl in der Luzifermaske?«, hat der Sanktus gefragt.
»Bisher ist das lediglich Sachbeschädigung. Es werden Kirchenwände besprüht. Im Internet stößt er zwar Drohungen aus, die aber nie konkret auf Schäden an Personen hinweisen oder zur Folge haben.«
»Hm!«, vom Sanktus.
»Meiner Meinung nach will der nur aufschrecken. Der will die Leute und vor allem die Pfarrer, die ihren Job nicht ganz so ernst nehmen, wie soll ich sagen, auf den richtigen Weg zurückführen? Stimmt ned ganz.«
»Er will, dass sie sich wieder auf ihre wahre Aufgabe besinnen«, hat der Sanktus gemeint.
»Genau!«
»Und der Fall Altenböck?«
»War nichts Kriminelles dabei«, hat die Bine gesagt. »Die Informationen, die preisgegeben worden sind und den Altenböck der Polizei sozusagen ausgeliefert haben, waren alle vollständig korrekt. Außerdem hat es keine Erpressung gegeben, also liegt nichts Strafbares vor.«
»Tja. Ein Robin Hood der katholischen Kirche, oder was?«
»Irgendwie schon. Sanktus, denen ihre Mitglieder werden jedes Jahr weniger. Es gibt immer weniger Pfarrer. Wer hat denn bei uns Lust, diesen Job zu machen? Heiraten darfst du nicht …«
»… und in den Beichtstühlen musst du dir den Schmarren von den Leuten anhören«, hat der Sanktus lächelnd dazwischengeworfen.
»Depp, sei mal ernst«, hat die Bine ihn ermahnt. »Heutzutage hast du eine Work-Life-Balance. Zumindest die jungen Leute. Arbeiten um zu leben, nicht leben, um zu arbeiten. Da scheidet der Job des Pfarrers ja total aus. Da musst du schon dazu berufen sein.«
»So hab ich das noch gar nicht betrachtet«, hat der Sanktus zugestimmt.
»Gell? Die Kirche ist altmodisch und verzopft. Das haben sie zu lange ausgesessen, und jetzt kommt die Quittung. Unser jetziger Papst würde, glaub ich, gerne schneller was bewirken, aber selbst er scheitert. Er hat aber schon des Öfteren von Veränderungen und Einschnitten gesprochen. Es bleibt spannend. Vielleicht beschleunigt der Unbekannte etwas«, hat die Bine philosophiert.
»Du meinst also, er ist kein Krimineller?«, hat der Sanktus gefragt.
»Ich hoffe nicht, weil, ich bin halt auch christlich aufgewachsen und glaub an das Gute im Menschen.«
»Und wenn’s nur der Auftakt zu einer Mordserie ist? Vielleicht kommt ja noch wer nach dem Abt? Dass sie ernst machen und Pfarrer, die besondere Verfehlungen begangen haben, ausmerzen? Dass es ein Verrückter ist?«, hat der Sanktus den Teufel an die Wand gemalt.
»Das ist auch die Theorie vom Rudi. Er sieht die Sache nicht so entspannt wie ich«, hat die Bine erwidert.
»Wir müssen auf jeden Fall in der Vergangenheit vom Praetorius graben und schauen, ob da was war. Missbrauch oder so! Hört man ja zurzeit immer wieder.«
»Wir, Sanktus? Und denk dran, nicht alle Pfarrer sind Kinderschänder. Auch, wenn es manche gerne so hinstellen.«
»Ja, wir! Wir zusammen, wieder einmal. Heute waren der Pfarrer Hintermeier und ein Pater Joseph Mbewu bei mir. Sie haben mich um Hilfe gebeten, weil mehrere Pfarrer Drohbriefe erhalten haben. Einer davon ist der Horvat Boži. Den kennst du auch noch.«
»Logisch! Deinen Schulspezl aus Steinhausen. Für den würd ich aber die Hand nicht ins Feuer legen. Und Sanktus«, hat die Bine noch eingeworfen, »der Graffiti ist immer noch unser Hauptverdächtiger. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Du könntest mal ein bisserl in seinem Leben graben und schauen, ob du was Interessantes findest. Ich persönlich glaub jetzt zwar nicht, dass er der Täter ist, aber umsonst hat der den nicht am Schlawittl gehabt, gell!«
»Wird erledigt, Frau Kommissar. Ich hab schon einen Schlachtplan.«
Der Kelch ist jedoch nicht, wie zuvor erhofft, am Sanktus vorbeigegangen, denn schon kurz, nachdem er die Pfannen gereinigt hatte und der Sud im Gärtank angestellt war, sind die Birthe und die Kathi zur Tür der Bierwerkel hereingeschneit gekommen. Dem Sanktus ist ein leises »Zefix« entfahren, aber dann hat er sich mit einem Kunstlächeln umgedreht und die beiden Damen aufs Herzlichste begrüßt.
»Ja, was tuts denn ihr da? Freut mich ja riesig, dass ihr Zeit g’funden habts, mich zu besuchen. Mögts an Pfiff?«
»Oh, gerne«, hat die Birthe gelechzt, »wir sind zü Füß hergekömm. Kilomädorweit! Gloobste nüsch!«
»Ja so was! So weit, ha? Ja, Kathi, von wo aus hast denn die Birthe her gehetzt?«, hat der Sanktus wissen wollen.
»Von daheim nur«, hat die Kathi verwundert geantwortet.
»Uiui. Des san ja gewiss 700 Meter. Verreck Kaffeehaus, ha?«
»Nur 700 Mädor? Kam mir viel längor vör!«, hat die Birthe hechelnd und schwitzend von sich gegeben.
»Passt scho! Ich hol euch was zu trinken.«
Kurz darauf ist der Sanktus mit drei Bhupindia Pale Ales zurückgekommen. Ein bisserl stark, aber sehr hopfenaromatisch und blumig. Ein Bier, das bei Frauen sehr beliebt war.
Die Birthe hat angesetzt und das Gesicht verzogen.
»Ei ferbibbsch, is das biddor. Das kann isch ned trinken. Sörry!«
Der Sanktus hat das Glas ausgeschüttet und der Birthe ein Helles hingestellt. Die hat das in einem Zug runtergeschüttet.
»Das is güd! Schmeckt nach nix. Wie früher in do DDR. Fühlsch mich gleich heimisch.«
Der Sanktus hätte sie jetzt ungespitzt in den Boden schlagen können, aber die Kathi hat ihm sanft auf die Hand gelangt, und er ist sofort ruhiger geworden. Ihr Blick hat ihm gesagt: Sie meint’s nicht so. Gib ihr eine Chance.
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