Und ganz sicher würde es niemand wie Jayson sein.
»Jayson, ich … wollte einfach nur wissen, dass du okay bist.« ›Wollte sichergehen, dass ich dich nicht verletzt habe, als ich dich benutzt habe.‹
Doch das sprach ich nicht aus. Und auch Jayson schwieg. Sah mich lediglich an und nickte schließlich knapp, ehe er wortlos den Raum verließ.
»Fertig. Gehen wir?«
»Mhm.« Ohne nennenswert von meinem Handy aufzusehen, folgte ich Jay aus der Mansion und die breite Treppe hinab. Unsere Schritte knirschten leise auf der mit hellen Kieselsteinen aufgeschütteten Zufahrt. Das Geräusch schluckte mein leises Schnaufen, das mir beim Blick in meinen WhatsApp-Verlauf mit Devin entwich. Er hatte sich noch immer nicht auf meine Nachricht vom Morgen gemeldet, hatte sie laut der beiden grauen Häkchen noch nicht einmal gelesen. Außer natürlich, er hatte die Lesebestätigung ausgestellt. Das änderte dann aber auch nichts daran, dass er mir nicht antwortete. Zugegeben, ich hatte auch nichts Konkretes gefragt, aber im Normalfall schrieb Devin auf jede Nachricht zurück – wenn er nicht gerade beim Dreh war oder in einem Erdbebenepizentrum feststeckte.
Mit einem weiteren Laut in der Kehle aktivierte ich die Displaysperre und schob mein Smartphone in meine Hosentasche. Vermutlich waren Devin und sein Ex mit irgendwelchem Papierkram bezüglich des Hausverkaufes beschäftigt. Eine plausible Erklärung dafür, dass er sich nicht meldete. Was mich an dem Gedanken jedoch störte, war sein Ex.
Verdammt, Devin und ich hatten uns nie explizit gegenseitig versichert, exklusiv miteinander zu sein. Wir waren kein Paar. Sein Ex hingegen war sein Ex und nach allem, was der Devin anscheinend angetan hatte, schien die Sache zwischen den beiden auch endgültig durch zu sein. Ich hatte keinen Grund, mir einen Kopf zu machen, und außerdem nicht mal wirklich das Recht dazu.
Energisch straffte ich die Schultern und sah Jay dabei zu, wie er den Code für das große Tor eintippte, welches sich gleich darauf mit einem leisen Knirschen öffnete. Über zwei Meter hohe Mauern schirmten die CC Cocks-Mansion vor zu neugierigen Blicken ab. Wir huschten durch das halb offen stehende Tor, welches sich hinter uns wieder schloss und mit einem deutlich vernehmbaren Klicken verriegelte.
Ein wenig kam ich mir schon wie eine Klette vor, weil ich Jay schon wieder zu einer Verabredung mit Dale begleitete. Aber Jay hatte mich gefragt, ob ich mitkommen wollte und da mir der Magen knurrte, weil ich nach dem Sport direkt zur Mansion gefahren war und nicht daran gedacht hatte, mir unterwegs ein Sandwich zu kaufen, kam ich gern mit. Außerdem waren Jay und Dale in diesem schnuckeligen Restaurant nahe der Subwaystation verabredet, in dem es an jedem zweiten Donnerstag im Monat ein grandioses mongolisches All-you-can-eat-Buffet gab. Eine Einladung dorthin konnte ich mir also unmöglich entgehen lassen – auch wenn ich selbstverständlich selbst bezahlen würde.
Spontane Einsätze als Aushilfslichttechniker vergütete Dave mir stets in bar, was vielleicht nicht ganz legal war, aber sowohl für ihn als auch für mich gewisse Vorteile bot. Einer davon war, dass ich mir neben dem Buffet auch einen zweiten großen Monatseinkauf locker würde leisten können, und ich könnte Cathy und den anderen aus meinem Studiengang schreiben, ob wir demnächst mal wieder zusammen durch ein paar Pubs ziehen wollten.
In Gedanken erstellte ich bereits eine Kneipentour-WhatsApp-Gruppe und schrieb eine Einkaufsliste, zu der ich unter anderem auch die Zutaten für einen echten New York Cheesecake hinzufügte. Die Hälfte davon würde ich Mabel bringen, meiner Vermieterin. Allerdings musste ich bedenken, für diesen Besuch ausreichend Zeit einzuplanen, denn wenn ihr Untermieter vorbeikam, kochte sie immer eine riesige Kanne Tee und bestand darauf, dass ich blieb und ihr von meinem Architekturstudium erzählte, bis die Kanne leer war. Sie selbst trank lediglich eine Tasse davon. Wenn ich Mabel besuchte, brauchte ich also neben Zeit auch stets eine Toilette in Reichweite.
»Dale ist schon drin«, sagte Jay, steckte sein Handy zurück in seine Hosentasche und machte mir erst dadurch, dass ich seine Stimme neben mir vernahm, klar, dass wir den gesamten Fußweg von der Mansion bis zum Restaurant kein Wort gesprochen hatten. Ich wegen meiner Gedanken an ungeplante Zusatzverdienste und die Einkaufsliste und Jay, weil …?
»Alles klar bei dir?«
»Ja.« Er öffnete die Restauranttür und ich tauchte unter seinem Arm hindurch in den mit üppigen Grünpflanzen bestückten Eingangsbereich.
»Sicher?«
»Fang du nicht auch noch an.«
»Hä? Womit?«
»Mich tausend Mal zu fragen, ob es mir gutgeht.«
»Ähm … okay.« Irritiert blinzelnd sah ich Jay nach, der an mir vorbeirauschte, dann jedoch nach drei Schritten stehenblieb und sich noch einmal zu mir umwandte.
»Sorry. Bin mit Mason aneinandergeraten.«
»Echt? Wann?«
»Gerade eben. Nach dem Dreh.«
»Und was war?«
»Ich erzähl’s gleich. Dale wird sicher auch fragen.«
Als Jays Freund würde er das ganz bestimmt. Also begnügte ich mich damit, abzuwarten, und folgte Jay zwischen Tischen mit schwatzenden Gästen hindurch in den hinteren Teil des Restaurants, in welchem nachher das Buffet aufgebaut sein würde. Im vorderen Teil speiste man à la carte.
Mir gingen ein Dutzend Gründe durch den Kopf, weshalb Jay und Mason wohl aneinandergeraten sein könnten, doch mir fiel keiner ein, der spontan einen Sinn ergab. Beim Dreh hatte es so gewirkt, als hätten die beiden eine ganz gute Chemie miteinander, zumal es eigentlich wirklich schwer war, mit Jay keine gute Chemie zu haben. Zugegeben, mit seiner direkten, teilweise provozierenden Art kamen nicht alle klar, aber gerade bei neuen Drehpartnern war Jay eigentlich sehr unkompliziert und darum bemüht, es seinem Co-Star leicht zu machen. Mason wiederum hatte zwar ein wenig angespannt, aber keinesfalls von Jay abgeneigt gewirkt. Eher im Gegenteil.
Ein vages Kribbeln kroch über meinen Nacken und puckerte ganz leicht in meinem Unterleib, wenn ich daran dachte, mit welcher Intensität Mason Jay gefickt hatte. Davon, wie heiß er ausgesehen hatte, als er es sich selbst gemacht und schließlich auf Jay abgespritzt hatte, mal ganz zu schweigen.
Vertieft in meine Gedanken lief ich beinahe in Jay hinein, als dieser an unserem Tisch stehen blieb. Dale rutschte von der Eckbank herunter, stand auf und zog Jay zu einem langen, festen Kuss an sich, ehe er sich mir zuwandte.
»Hi! Du schon wieder?« Sein Lächeln nahm seinen Worten jedweden potenziell beklagenden Unterton, sodass ich die Geste breit erwiderte.
»Jepp, Jay meinte, ihr schafft das All-you-can-eat unmöglich allein.«
Nach einem Küsschen rechts und links sah Dale sich mit betont prüfender Miene in dem nahezu vollbesetzten Gastraum um und verkündete: »Eventuell wären noch die einen oder anderen Personen da, um sich über das Buffet herzumachen, aber ja, wir brauchen deine Hilfe definitiv.«
»Stets zu Diensten.« Ich überließ es Jay, sich einen Platz auszusuchen, und setzte mich schließlich auf einen der Stühle, da Jay schräg gegenüber von Dale auf die Eckbank rutschte.
»Wo hat Jay dich aufgegabelt?«, wandte Dale sich erneut an mich, während Jay sich in die Getränkekarte vertiefte. Ich selbst trank hier immer die hausgemachte Limonade, von der bereits ein Glas vor Dale auf dem Tisch stand. »Warst du in der Mansion?«
»Ja, bin spontan für die Lichttechnik eingesprungen.«
»Ah, dann warst du beim Dreh dabei.«
Es war nicht wirklich eine Frage, dennoch nickte ich. Von rechts schob sich eine Kellnerin mit auffallend pinkfarbenen Haargummis in den dunklen Zöpfen an uns heran.
»Hi, Jungs, was darf ich euch bringen?«
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