Moni Kaspers - Trust me - Blindes Vertrauen

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"Seit ihrer Kindheit ist Eywa Greens Welt in Dunkelheit gehüllt. Trotzdem meistert sie die kleinen und großen Hürden des Lebens mit einem Lächeln. Auf der Ranch ihres Onkels führt sie ein geborgenes Leben, liebt das Klavierspielen und hat ein ausgeprägtes Gespür für ihre Mitmenschen. Als sie versehentlich mit einem Mann zusammenstößt, schlägt genau dieser Sinn Alarm. Sie spürt eine Dunkelheit in ihm, die schwärzer ist als der Vorhang vor ihren Augen. Trotz dieser Warnung fühlt sie sich zu ihm hingezogen, doch kann sie ihm vertrauen?
Eine schwer traumatische Kindheit hält Leon Marshall in sich gefangen. Von Unruhe getrieben zieht er von Stadt zu Stadt, unfähig, den Menschen zu vertrauen oder ihnen Gefühle entgegenzubringen. Stets auf der Flucht vor zu viel Nähe und sich selbst. Sein Herz hat noch nie für jemanden geschlagen und er ist davon überzeugt, dass sich das auch nie ändern wird.
Wenn zwei Geschöpfe der Dunkelheit zusammentreffen, erkennen ihre Herzen das Licht?"

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Moni Kaspers

Trust me – Blindes Vertrauen

Copyright 2020 Doderer Verlag Lektorat Kristina Licht Umschlaggestaltung - фото 1

Copyright 2020 Doderer Verlag Lektorat Kristina Licht Umschlaggestaltung - фото 2

Copyright @ 2020 Doderer Verlag

Lektorat: Kristina Licht

Umschlaggestaltung: Kristina Licht

Titelabbildung: Shutterstock

Satz: Lina Jacobs

ISBN: 978-3-9821804-0-3

Nur der ist blind, der nicht sehen will

Verzweifelt und vom Glück vergessen Dämonen und Schatten die Seelen fressen - фото 3

Verzweifelt und vom Glück vergessen,

Dämonen und Schatten, die Seelen fressen.

Vor Erinnerung und Unglück flüchtend,

Zuneigung und Liebe fürchtend.

Des Kämpfens müde, auf der Reise,

doch plötzlich klopft das Wunder leise.

Prolog

Nur langsam näherte er sich der massigen, männlichen Gestalt, die mit dem Rücken zu ihm auf einer Parkbank saß. Die herabhängenden Schultern und der auf die Brust geneigte Kopf erzählten eine kleine Geschichte über den inneren Zustand des Mannes. Leon kannte die Geschichte, er kannte sie viel zu gut. Es war schließlich auch seine. Sie waren untrennbar miteinander verbunden.

Einen Moment blieb Leon unter der ausladenden Kiefer stehen, deren Zweige beinahe hinüber bis zu jener Bank reichten. Er sog den beruhigenden und intensiven Duft ihres tropfenden Harzes ein, dann setzte er seinen Weg über den watteweichen Nadelboden fort zu der Gestalt, die dort auf ihn wartete. Als Jasper ihn bemerkte, drehte er den übergewichtigen Körper leicht in seine Richtung, dann wandte er ihm das Gesicht zu und sah ihm entgegen.

Leon hob kurz die Hand zum Gruß, doch sein Bruder drehte sich nur wortlos wieder um. Er schob Jaspers Rollator beiseite, um ihn begrüßen zu können, beugte sich zu ihm hinunter und umarmte ihn kurz. Für Außenstehende mochte es kühl wirken, doch das Band zwischen seinem jüngeren Bruder und ihm war innig.

„Schön, dass du da bist“, sagte Jasper und griff in eine Tüte mit Erdnüssen. Er nahm welche heraus und schob ihm den knisternden Beutel zu. „Auch welche?“ Leon lehnte dankend ab. „Meine Psychologin hat mir dazu geraten“, erklärte Jasper. „Immer wenn mich die Sucht überkommt, soll ich Nüsse essen. Die Mühe, sie zunächst aus der Schale zu brechen und herauszupulen, um dann die winzige Frucht zu essen, hält mich momentan von Fressattacken ab.“

„Es scheint zu helfen“, stellte Leon fest. „Du hast bereits abgenommen.“

„Ja, Gott, das habe ich. Dank eines Ernährungsprogrammes an der Uni. In Kürze bin ich sogar so weit, ein Magenband einsetzen zu lassen.“

„Das klingt super! Du machst offenbar Fortschritte. Was sagt Raven dazu?“

„Sie hat mich verlassen.“

Diese Nachricht hatte Leon nicht erwartet. War die Trennung etwa der Grund für Jaspers Bitte um ein Treffen?

„Ernsthaft? Sie ist weg?“, hakte er noch einmal nach. „Warum?“

„Sie hat ihre Klamotten gepackt, den Autoschlüssel genommen und Abflug.“ Er ahmte ein startendes Flugzeug nach, was im Zusammenhang irgendwie sinnlos war.

„Einfach so? Hat sie nichts gesagt?“

„Doch. ‚Fick dich‘, hat sie gesagt.“

Leon hätte beinah gelacht. Es war so unglaublich absurd.

„Hast du je mit ihr darüber geredet? Ich meine, du weißt schon …“ Er wollte die Sache nicht beim Namen nennen und eigentlich hatten sie das Arrangement getroffen, nie wieder drüber zu reden. Jasper warf ihm einen kurzen Seitenblick zu und schnaubte dabei.

„Was denkst du denn? Natürlich nicht. Ich habe jahrelang versucht, keinen Gedanken daran zu verschwenden. Jeder noch so kleine Dämon in meinem Kopf wurde sofort vernichtet. Meist mit Essen, leider. Denkst du, da will ich endlos lange Gespräche darüber führen? Womöglich hätte Raven sich dadurch zur Therapeutin berufen gefühlt und mich mit pseudoschlauen Sprüchen angeödet. Es hat mich überhaupt gewundert, dass sie sich auf mich eingelassen hat. Ich hätte nicht gedacht, dass sie so lange durchhält. Sieh mich an. Ich bin ein Fettklumpen.“

„Aber du kämpfst dagegen an.“

„Zu spät, würde ich behaupten. Wir haben wohl beide unsere Zwänge, nicht wahr?“ Jasper betrachtete ihn von oben bis unten. „Obwohl ich neidisch zugeben muss, dass deine Zwänge dich verflucht gut aussehen lassen.“

Leon antwortete nicht darauf, aber Jasper hatte recht. Sie beide quälten sich, jeder auf seine Art. Sein Bruder, indem er wahllos alles in sich hineinstopfte und er, indem er seinem Körper immer das Letzte abverlangte. Muskeln und Verzicht bedeuteten alles für ihn. Ein Tag ohne schmerzende Glieder war ein verschwendeter Tag. Jaspers seelischer Panzer bestand aus einer gigantischen Fettmasse, seiner dagegen aus Kraft und Muskeln.

„Raven liebt dich. Und du liebst sie.“

„Ja, das tu‘ ich, aber auf meine Weise. Wenn sie das nicht mehr ertragen kann, dann verstehe ich das und dann muss sie eben gehen.“

„Du willst sie nicht zurückholen?“

„Da kennst du Raven aber schlecht.“

„Du wirst keine mehr finden, die das alles genauso akzeptiert, wie sie es getan hat. Du solltest versuchen, sie zurückzugewinnen.“

Jasper richtete sich auf, streckte sich ein wenig und drehte den Kopf schräg zu ihm. Sein Blick ging durch Leons Augen bis in seine Seele.

„Ich bin traurig, Leon, aber sie hat es verdient, glücklich zu sein und ich kann ihr nicht geben, was sie braucht. Was soll sie mit mir? Darum ist es besser so, auch wenn es mich zerreißt.“ Er beugte sich näher zu ihm, die Erdnusstüte zwischen ihnen knisterte. „Ich habe dich wegen etwas anderem hergebeten.“

Leon schob den Unterkiefer vor und atmete hörbar aus. „Also doch.“

„Du bist leider schwer zu erreichen. Ich habe oft angerufen.“

Leon blickte zu Boden, er bekam ein schlechtes Gewissen. Natürlich hatte er die zahlreichen Anrufe seines Bruders gesehen, doch er war nicht immer in der Lage, sofort zu reagieren, nur weil Jasper es wollte.

„Ja, ich weiß. Ich war unterwegs“, versuchte er abzutun.

„Natürlich. Wie immer. Gibt es noch einen Flecken Erde in unserem Land, auf dem du noch nicht gewesen bist?“

„Ein paar“, gab er knapp zurück.

„Deine ständige Flucht vor dir selbst bringt dich aber offenbar auch nicht weiter. Sieh uns an. Mein Fettpanzer fesselt mich an diesen Ort. Ich kann nicht weg, nirgendwo hin. Meine Bewegung ist völlig eingeschränkt. Zum Laufen brauche ich einen Rollator, wie ein alter Mann. Seit Raven weg ist, kommt ein bezahlter Dienst, der mich zum Arzt bringt, mich wäscht und meine Wohnung putzt. Der Weg bis zu dieser Parkbank hat mich fast umgebracht und nun sieh dich dagegen an. Dein Körper ist gestählt, topfit bis ins kleinste Haar. Sogar die Narbe in deinem Gesicht wirkt attraktiv und es gibt genug Frauen, die dich äußerst anziehend finden. Du kannst reisen, wohin du willst, kein Flugzeugsitz ist zu klein für dich, kein Weg zu weit, und doch bist du nicht besser dran als ich. Nichts hält dich lange an einem Ort. Stets bist du auf der Suche nach innerem Frieden, nach Ruhe und nach dir selbst.“

Jaspers Worte schnitten in seine Seele. „Vielleicht wird sich das irgendwann ändern. Warum hast du mich herbestellt?“, lenkte er ab. Jasper ging ihm mit seinen Analysen auf die Nerven.

„Er ist tot.“

Leon konnte nicht sofort antworten, diese drei Worte waren wie ein Faustschlag. Er wusste es bereits aus den Nachrichten, doch nun, da Jasper es aussprach, breitete sich das kalte Grauen in ihm aus und er war chancenlos, dagegen anzukämpfen.

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