Mädchen
Lastrata heiß ich; und mein guter Vater
Er wohnt mit mir im kleinen Palmenthal,
Doch nicht des Thales angenehme Kühle,
Nicht Bäche Murmeln, nicht der Sonne Kreisen
Erfreuet meinen guten Vater mehr.
Franke
Wie! freut dem Vater nicht des Stromes Quellen,
Der Palmen lindes Frühlingssäuseln nicht?
Ich faß es; doch, wie es ein Gram mag geben
Der deiner Tröstung möchte widerstreben,
Das nur, Lastrata, faß ich nicht.
Mädchen
Italien ist das Vaterland des Greisen,
Und vieles Unglück bracht ihn nur hierher.
Mit sehnsuchtsvollem Blick schaut er am Mittelmeere
Hinüber in das vielgeliebte Land.
Und seufzend sehn’ auch ich hinüber
Nach jenen Blüthenreichen Küsten mich.
Erkranket ruht mein Geist auf jener blauen Ferne,
Und schöne Träume tragen mich dahin.
Sag’, wogt nicht schöner dort der Strom des Lebens?
Sehnt dort die kranke Brust sich auch vergebens?
Franke
Mädchen! ach! von gleichem Wunsch betrogen,
Wähnt’ ich: schönes berg’ die Ferne nur,
Doch umsonst durchsegelt’ ich die Wogen,
Hat auch diese Ahndung mir gelogen
Die du, Mädchen, jetzt in mir erweckt. –
Mädchen
Fremdling! kannst du diese Sehnsucht deuten?
Fühlst du dieses unbestimmte Leiden?
Dieses Wünschen ohne Wunsch?
Franke
Ja ich fühl ein Sehnen, fühl ein Leiden.
Doch jetzt kann ich diese Wünsche deuten,
Und ich weiß, was dieses Streben will.
Nicht an fernen Ufern, nicht in Schlachten!
Wissenschaften! nicht an eurer Hand,
Nicht im bunten Land der Phantasien!
Wohnt des durst’gen Herzens Sättigung.
Liebe muß dem müden Pilger winken,
Myrthen keimen in dem Lorbeerkranz,
Liebe muß zu Heldenschatten führen,
Muß uns reden aus der Geisterwelt. –
Mächt’ger Strom! ich fühlte deine Wogen,
Unbewußt fühlt’ ich mich hingezogen,
Nur wohin! wohin! das wußt’ ich nicht.
Wohl mir! dich und mich hab’ ich gefunden.
Liebe hat dem Chaos sich entwunden.
1Hinweise bezüglich orthographischer Besonderheiten s. Nachbemerkung.
2Tellus: „Erde“, in der römischen Mythologie die Erd-Gottheit, entspricht der griechischen Gaia.
3Timur: auch als Tamerlan bzw. Timur Lenk bekannt, 1336-1405, ein zentralasiatischer muslimischer Eroberer, strebte die Wiederherstellung des Mongolischen Reiches an.
4Manen: in der römischen Religion die Geister der Toten.
5Erebos: in der griechischen Mythologie der Gott und die Personifikation der Finsternis.
6Samum: Bezeichnung für einen Sandsturm in Nordafrika/Arabien.
7Ariadne: in der griechischen Mythologie die Tochter des kretischen Königs Minos und seiner Gattin Pasiphaë. Sie half Theseus den Minotauros zu besiegen, floh mit Theseus von Kreta, wurde von ihm aber auf der Insel Naxos zurückgelassen.
8Möris: in der griechischen Antike Name eines großen, durch Dämme begrenzten künstlich angelegten Sees in Unterägypten.
ES HAT EIN KUSS MIR LEBEN EINGEHAUCHT
Poetische Fragmente
Piedro
Dunkel ruhet auf den Wassern,
Tiefe Stille weit umher,
Piedro’s Schiff nur theilt die Wellen,
Seine Ruder schlägt das Meer.
Aber Piedro steht am Maste
Und sein Aug’ in trüber Glut,
Sucht den Räuber der Geliebten,
Sucht sie durch des Meeres Fluth.
Endlich naht er ihrem Segel,
Endlich geht die lange Nacht,
Und mit ungedult’ger Eile
Ordnet er der Schiffe Schlacht.
Viele fallen, Viele siegen,
Einer kämpft mit Löwenmuth,
Naht sich Piedron durch die Menge
Kühnlich mit bescheidnem Muth.
Und sie kämpfen, keiner weichet,
Tapferkeit wird wilde Wuth;
Und in zornigen Strömen mischet
Sich der Kämpfer heißes Blut.
Endlich in des Jünglings Busen
Senket Piedro seinen Stahl,
Vor dem unwillkommenen Gaste
Flieht sein süßes – Leben all.
Und er stirbt so hold im Tode,
Daß Piedro niedersinkt,
Und von seinen blassen Lippen
Reuig heiße Küsse trinkt.
Nacht will endlich niedersinken,
Tiefe Stille weit umher;
Piedro’s Schiff nur theilt die Wellen,
Seine Ruder schlägt das Meer.
Piedro aber liegt verwundet
Einsam in des Schiffes Raum;
Seine Seele ist gefangen,
Ganz und gar in einem Traum.
Denn ihm däucht er sey umschlungen
Von des todten Jünglings Arm,
Freundlich will sein Auge brechen,
Doch es schlägt sein Herz noch warm.
Piedro will sich von ihm reißen,
Doch mit sehnsuchtsvollem Blick
Und mit heißen Liebesküssen
Hält der Knabe ihn zurück.
Freudig, daß er sie befreiet,
Tritt die Braut zu Piedro hin,
Will ihn trösten, will versuchen,
Ob die bösen Träume fliehn.
Und sie neigt sich zu ihm nieder,
Ruft des Theuern Namen laut.
Er erwacht und mit Entsetzen
Wendet er sich von der Braut.
Und er mag sie nicht mehr schauen,
Ihre Liebe ist ihm Pein.
Tief versenkt nur im Betrachten
Des Gestorbenen mag er seyn.
Und das süße Mädchen weinet,
Sie verhüllt ihr Angesicht,
Möchte gern vor Schmerzen sterben,
Nur den Theuern lassen nicht.
Piedro siehts, ein tiefes Sehnen
Zieht ihn nach des Grabes Ruh,
Er zerreißt der Wunde Banden
Und geht still den Todten zu.
Dunkel ruhet auf den Wassern,
Tiefe Stille weit umher,
Piedro’s Schiff erreicht die Küste,
Aber er schläft tief im Meer.
Der erste Pilger
Ich bin erkranket
An Liebespein,
Mögt’ nur genesen,
Wollst du mein seyn.
Dein lieblich Wesen,
Dein Lippenroth,
Hält mich gefangen
Bis an den Tod.
Mein Aug’ ist trübe,
Mein’ Jugend verdorrt,
Doch kenn’ ich noch Heilung,
Wohl weiß ich den Port.
Zu dem will ich wallen
Ob Länder und Meer,
Die Brust ist beklommen,
Das Herz ist mir schwer.
Ich greife zum Stabe,
Ich walle zum Meer;
Es brausen die Winde,
Es tobet das Meer.
Die Vöglein fliegen
So lustig voran,
Sie suchen den Frühling
Und treffen ihn an.
Es hält mich die Liebe,
Ich bliebe so gern,
Doch ziehet mich Sehnsucht
Zum Grabe des Herrn.
Lebt wohl dann ihr Augen
Von freundlichem Schein,
Mein Blick soll zum Himmel
Gerichtet nur seyn.
Mich sehnet, o süße
Geliebte, nach dir!
Doch wähl’ ich das Grab mir,
Des Heilands dafür.
Da kniee ich nieder
Voll bitterem Schmerz;
Da kann ich dich lassen,
Da bricht mir das Herz.
Die Heilung ist bitter,
Der Weg ist wohl weit;
Doch greif’ ich zum Stabe
Und ende mein Leid.
Der zweite Pilger
Ich scheide froh vom Vaterland
Und suche den geliebten Strand,
Wo Jesus Christus wallte;
Wo er in Demuth angethan
Des Erdenlebens schwere Bahn,
Mit stillem Sinne wallte.
Was ist die Herrlichkeit der Welt
Und alles, was dem Sinn gefällt?
Ich will ihm froh entsagen.
Die irrdische Kette fällt von mir,
Und Jesu! nur zu dir! zu dir!
Will ich mein Sehnen tragen.
Die Märterkrone winket mir
Und Seeligkeit wohl für und für,
Wenn ich vollendet habe.
O süße Buße! himmlisch Leid!
In frommer Einfalt Seligkeit,
Ihr wohnt am heiligen Grabe.
aus einem ungedruckten Romane
Es hat ein Kuß mir Leben eingehaucht,
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