Palmström ist nervös geworden;
darum schläft er jetzt nach Norden.
Denn nach Osten, Westen, Süden
schlafen, heißt das Herz ermüden.
(Wenn man nämlich in Europen
lebt, nicht südlich in den Tropen.)
Solches steht bei zwei Gelehrten,
die auch Dickens schon bekehrten –
und erklärt sich aus dem steten
Magnetismus des Planeten.
Palmström also heilt sich örtlich,
nimmt sein Bett und stellt es nördlich.
Und im Traum, in einigen Fällen,
hört er den Polarfuchs bellen.
Als er dies v. Korf erzählt,
fühlt sich dieser leicht gequält;
denn für ihn ist Selbstverstehung,
daß man mit der Erdumdrehung
schlafen müsse, mit den Pfosten
seines Körpers strikt nach Osten.
Und so scherzt er kaustisch-köstlich:
Nein,m e i nDiwan bleibt – westöstlich!
Palmström haut aus seinen Federbetten,
sozusagen, Marmorimpressionen:
Götter, Menschen, Bestien und Dämonen.
Aus dem Stegreif faßt er in die Daunen
des Plumeaus und springt zurück, zu prüfen,
leuchterschwingend, seine Schöpferlaunen.
Und im Spiel der Lichter und der Schatten
schaut er Zeusse, Ritter und Mulatten,
Tigerköpfe, Putten und Madonnen …
träumt: wenn Bildner all dies wirklich schüfen,
würden sie den Ruhm des Alters retten,
würden Rom und Hellas übersonnen!
Palmström nimmt Papier aus seinem Schube.
Und verteilt es kunstvoll in der Stube.
Und nachdem er Kugeln draus gemacht.
Und verteilt es kunstvoll, und zur Nacht.
Und verteilt die Kugeln so (zur Nacht),
daß er, wenn er plötzlich nachts erwacht,
daß er, wenn er nachts erwacht, die Kugeln
knistern hört und ihn ein heimlich Grugeln
packt (daß ihn dann nachts ein heimlich Grugeln
packt) beim Spuk der packpapiernen Kugeln …
Palmström liebt sich in Geräusch zu wickeln,
teils zur Abwehr wider fremde Lärme,
teils um sich vor drittem Ohr zu schirmen.
Und so läßt er sich um seine Zimmer
Wasserröhren legen, welche brausen.
Und ergeht sich, so behütet, oft in
stundenlangen Monologen, stundenlangen
Monologen, gleich dem Redner
von Athen, der in die Brandung brüllte,
gleich Demosthenes am Strand des Meeres.
Der vorgeschlafene Heilschlaf
Palmström schläft vor zwölf Experten
den berühmten Schlaf vor Mitternacht,
seine Heilkraft zu erhärten.
Als er, da es zwölf, erwacht,
sind die zwölf Experten sämtlich müde.
Er allein ist frisch wie eine junge Rüde!
Korf, den Ahnung leicht erschreckt,
sieht den Himmel schon bedeckt
von Ballonen jeder Größe
und verfertigt ganze Stöße
von Entwürfen zu Statuten
eines Klubs zur resoluten
Wahrung der gedachten Zone
vor der Willkür der Ballone.
Doch er ahnt schon, ach, beim Schreiben
seinen Klub im Rückstand bleiben:
dämmrig, dünkt ihn, wird die Luft
und die Landschaft Grab und Gruft.
Er begibt sich drum der Feder,
steckt das Licht an (wie dann jeder),
tritt damit bei Palmström ein,
und so sitzen sie zu zwein.
Endlich, nach vier langen Stunden,
ist der Albdruck überwunden.
Palmström bricht zuerst den Bann:
Korf, so spricht er, sei ein Mann!
Du vergreifst dich im Jahrzehnt:
Noch wird all das erst ersehnt,
was, vom Geist dir vorgegaukelt,
heut dein Haupt schon überschaukelt.
Korf entrafft sich dem Gesicht.
Niemand fliegt im goldnen Licht!
Er verlöscht die Kerze schweigend.
Doch dann, auf die Sonne zeigend,
spricht er: Wenn nicht jetzt, so einst –
kommt es, daß du nicht mehr scheinst,
wenigstens nicht uns, den – grausend
sag ich’s –: Unteren Zehntausend! …
Wieder sitzt v. Korf danach
stumm in seinem Schreibgemach
und entwirft Statuten eines
Klubs zum Schutz des Sonnenscheines.
Palmström kann nicht ohne Post
leben:
Sie ist seiner Tage Kost.
Täglich dreimal ist er ganz
Spannung.
Täglich ist’s der gleiche Tanz:
Selten hört er einen Brief
plumpsen
in den Kasten breit und tief.
Düster schilt er auf den Mann,
welcher,
wie man weiß, nichts dafür kann.
Endlich kommt er drauf zurück:
auf das:
»Warenhaus für Kleines Glück«.
Und bestellt dort, frisch vom Rost,
(quasi):
ein Quartal – »Gemischte Post«!
Und nun kommt von früh bis spät
Post von
aller Art und Qualität.
Jedermann teilt sich ihm mit,
brieflich,
denkt an ihn auf Schritt und Tritt.
Palmström sieht sich in die Welt
plötzlich
überall hineingestellt …
Und ihm wird schon wirr und weh …
Doch es
ist ja nur das – »W.K.G.«
Palmström geht durch eine fremde Stadt …
Lieber Gott, so denkt er, welch ein Regen!
Und er spannt den Schirm auf, den er hat.
Doch am Himmel tut sich nichts bewegen,
und kein Windhauch rührt ein Blatt.
Gleichwohl darf man jenen Argwohn hegen.
Denn das Pflaster, über das er wandelt,
ist vom Magistrat voll List – gesprenkelt.
Bona fide hat der Gast gehandelt.
Korf und Palmström nehmen Lektionen,
um das Wetter-Wendische zu lernen.
Täglich pilgern sie zu den modernen
Ollendorffschen Sprachlehrgrammophonen.
Dort nun lassen sie mit vielen andern,
welche gleichfalls steile Charaktere,
(gleich als ob’s ein Ziel für Edle wäre),
sich im Wetter-Wendischen bewandern.
Dies Idiom behebt den Geist der Schwere,
macht sie unstät, launisch und cholerisch …
Doch die Sache bleibt nur peripherisch.
Und sie werden wieder – Charaktere.
Palmström denkt sichd i e s e saus:
Ein quadratisch Bühnenhaus,
mit (v. Korf begreift es kaum)
drehbarem Zuschauerraum.
Viermal wechselt Dichters Welt,
viermal wirst du umgestellt.
Auf vier Bühnen tief und breit
schaust du basse Wirklichkeit.
Denn in dieser Quadratur,
wo pro Jahre i nDrama nur,
wird natürlich jeder Akt
höchst veristisch angepackt.
Mauern siehst du da von Stein,
Bäche murmeln quick und rein.
Erdreich riechst du schlecht und recht,
Gras und Baum blühn wurzelecht.
Alles steht hier für ein Jahr
und ist deshalb wirklich wahr. –
Palmström macht sich ein Modell:
formt aus Rauschgold einen Quell
und aus Schächtelchen ein Dorf …
und verehrt das Ganze Korf.
Palmström liebt es, Tiere nachzuahmen,
und erzieht zwei junge Schneider
lediglich auf Tierkostüme.
So z. B. hockt er gern als Rabe
auf dem oberen Aste einer Eiche
und beobachtet den Himmel.
Häufig auch als Bernhardiner
legt er zottigen Kopf auf tapfere Pfoten,
bellt im Schlaf und träumt gerettete Wanderer.
Oder spinnt ein Netz in seinem Garten
aus Spagat und sitzt als eine Spinne
tagelang in dessen Mitte.
Oder schwimmt, ein glotzgeäugter Karpfen,
rund um die Fontäne seines Teiches
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