3. (3)Ihnen sind aber die gerechten Ansprüche der Griechen unbekannt, bei welchen nicht allein die Philosophie, sondern auch die Menschheit selbst ihren Anfang genommen hat, welches sie den Ungriechen beilegen. Denn bei den Athenern war ja Musäus, und bei den Thebanern Linus, von welchen der erste ein Sohn Eumolps gewesen, und zuerst die Theogonie und die Sphäre besungen, und behauptet hat, dass alles aus einem entstehe, und auch darin wieder aufgelöst werde. Er sei zu Phaleri gestorben, und sein Grabmahl habe diese elegische Inschrift bekommen:
Hier deckt Phaleris Erde den Eumolpeden Musäus.
Seinen erstarrten Leib birgt dieses heilige Grab.
Von dieses Musäus’ Vater sind auch die Eumolpiden zu Athen benannt. (4)Linus aber soll ein Sohn des Hermes und der Muse Urania gewesen sein, und über die Kosmogonie, den Lauf der Sonne und des Mondes, und die Erzeugung der Tiere und Pflanzen geschrieben haben. Er beginnt seine Gedichte mit diesen Worten:
Eine Zeit, die alles erzeugte zusammen, die war einst.
Und daher nahm Anaxagoras seine Behauptung, dass alle Dinge zugleich entstanden, und durch den hinzugekommenen Verstand durchgängig geordnet worden. Linus aber soll in Euböa, getroffen von einem Pfeil Apolls, gestorben sein, und diese Inschrift bekommen haben:
Hier empfing die Erde den toten Linus aus Theben.
Schönbekränzt war er, der Urania Sohn.
So hat also die Philosophie ihren Ursprung bei den Griechen gehabt, und der Name Philosophie zeigt auch schon, dass sie nicht ungriechischen Ursprungs ist.
4. (5)Diejenigen, welche den Ungriechen die Erfindung der Philosophie beilegen, führen den Thraker Orpheus an und sagen, dieser sei ein Philosoph, und zwar ein uralter gewesen. Ich weiß aber nicht, ob einer, der solche Dinge, wie er von den Göttern vorträgt, ein Philosoph genannt werden könne; ja wie ich den nennen soll, der ohne Scheu den Göttern alle menschlichen Leidenschaften beilegt, sowohl die schändlichen Dinge, die einige Menschen im Geheimen begehen, als die, welche öffentlich zur Sprache kommen. Man hat die Sage von ihm, dass er durch Weiber umgebracht worden, aber eine zu Dios in Makedonien befindliche Inschrift sagt in folgenden Worten, dass er vom Blitz erschlagen worden ist.
Hier begruben die Musen den Thraker mit goldener Leier,
Orpheus, ihn erschlug der donnernde Zeus.
5. (6)Diejenigen, welche der Philosophie einen ungriechischen Ursprung geben, setzen auch die Art zu philosophieren, wie sie bei diesen Völkern war, auseinander. Sie sagen, die Gymnosophisten und Druiden hätten in rätselhaften Sprüchen philosophiert: man müsse vor den Göttern Ehrfurcht haben, nichts Böses tun, sich in der Mannhaftigkeit üben. Klitarch schreibt auch im zwölften Buche, dass die Gymnosophisten den Tod verachten.
6.Dass aber die Chaldäer sich mit Astronomie und Wahrsagen beschäftigen, dass die Magier sich dem Gottesdienst widmen, und Opfer und Gebete verrichten, als ob sie allein gehört würden. Sie halten Vorträge über das Wesen und die Erzeugung der Götter, die, ihrer Behauptung nach, Feuer, Erde und Wasser sind. Sie verwerfen die Götterbilder, und missbilligen besonders die Sagen von männlichen und weiblichen Gottheiten. (7)Sie halten Vorträge über die Gerechtigkeit, und erklären die Verbrennung der Leichen für etwas Verruchtes, aber die fleischliche Vermischung mit Müttern und Töchtern halten sie für unsträflich, wie Sotion im 23. Buche schreibt. Sie geben sich auch mit Weissagen und Vorbedeuten ab, und behaupten, dass ihnen die Götter erscheinen. Sie lehren, die Luft sei mit geistigen Wesen angefüllt, die auf eine sehr feine, und den Ausdünstungen gleiche Art einen Einfluss auf die Augen der Scharfsehenden haben; sie untersagen äußeren Schmuck und das Goldtragen. Ihre Kleidung ist weiß, ihr Lager die Erde; ihre Speise Gemüse, Käse und Brot; ihr Stab ein Rohr, auf dessen Spitze sie, wie man sagt, Käse stecken, ihn emporheben, und essen. (8)Magische Weissagungen kennen sie nicht, wie Aristoteles in seinem Magischen Buche und Dinon im 5. Buche seiner Geschichten schreiben, welch letzterer auch sagt, dass der Name Zoroaster einen Verehrer der Gestirne bedeute. Eben das schreibt auch Hermodor. Aristoteles aber im 1. Buche von der Philosophie schreibt, dass die Magier älter sind als die Ägypter, und dass sie zwei Urwesen, einen guten und einen bösen Dämon, annehmen, welchen ersten sie Zeus und Oromasdes, und den letztern Hades und Arimanius nennen. Eben das sagen auch Hermipp im 1. Buche von den Magiern, Eudox im Periodus, und Theopomp im 8. Buche der Philippika, (9)welcher auch noch schreibt, dass die Menschen nach der Lehre der Magier wieder lebendig werden, und zur Unsterblichkeit gelangen, und dass alle Dinge ihre Benennungen behalten werden. Eben das schreibt auch der Rhodier Eudem. Hekätus aber schreibt, dass ihrer Meinung nach auch die Götter erzeugt worden. Klearch von Soli, in seinem Buche von der Unterweisung, sagt, dass die Gymnosophisten von den Magiern herstammen, und einige wollen auch die Juden von diesen ableiten. Überdies tadeln auch die Schriftsteller von den Magiern den Herodot; denn Xerxes habe weder Pfeile gegen die Sonne abgeschossen, noch Fesseln ins Meer geworfen, weil die Magier diese für Götter hielten; die Götterbilder aber habe er allerdings mit Recht zerstört.
7. (10)Die Ägypter philosophieren so über die Götter und über die Gerechtigkeit. Sie nehmen eine erste Materie an, wovon die vier Elemente abgesondert und einige lebendige Wesen gebildet werden. Sonne und Mond halten sie für Götter und nennen die erstere Osiris, den letzteren Isis und deuten sie durch einen Käfer, Drachen, Habicht und andere Tiere an, wie Manethon in seinem kurzen Begriff der Naturlehre und Hekätus im 1. Buche von der ägyptischen Philosophie schreiben. Sie stellen Bilder auf und legen Heiligtümer an, weil sie die Gestalt der Gottheit nicht wissen. (11)Die Welt halten sie für erzeugt, für zerstörbar und für kugelförmig. Die Sterne halten sie für Feuer, durch deren Einfluss alles auf der Erde hervorgebracht werde. Der Mond werde verfinstert, wenn er in den Schatten der Erde komme. Die Seele sei unsterblich, und wandere aus einem Körper in den anderen. Die Regen entstünden durch Umwandlung der Luft. Diese und andere Dinge lehren sie über die Natur, wie Hekätus und Aristagoras schreiben. Sie haben auch Gerechtigkeitsgesetze gemacht, die sie dem Hermes zuschreiben. Sie verehren auch die nützlichen Tiere als göttlich. Ferner behaupten sie, die Sterndeuterei, die Rechnungskunde und die Erdmesskunst erfunden zu haben. – So weit von der Erfindung.
8. (12)Den Namen Philosophie hat Pythagoras zuerst gebraucht und sich einen Philosophen genannt, da er sich mit Leon, dem Beherrscher der Sikyonier oder Philiaster unterhielt, wie der pontische Heraklides in seinem Buch von der Entseelten schreibt, denn kein Mensch sei weise, sagte er, sondern nur allein Gott. Vorher wurde nämlich das, was jetzt Philosophie heißt, Sophia oder Weisheit genannt, und die Männer, welche diese lehrten, hießen Sophen, oder Weise, als solche, die in die Tiefen der Seele ganz eingedrungen wären: Philosophen aber, oder Liebhaber der Weisheit, hießen die Schüler derselben.
9.Nicht aber Sophen allein, sondern auch Sophisten wurden die Weisen genannt, welchen letztern Namen man auch den Dichtern beilegte; denn Kratin nennt im Archiloch, wo er Homer und Hesiod rühmt, diese beiden Sophisten. (13)Den Namen Weise führten folgende: Thales, Solon, Periander, Kleobul, Chilon, Bias, Pittakus; zu welchen man noch den Skythen Anacharsis, den Cheneer Myson, den Syrer Pherekydes, und den Kreter Epimenides hinzusezt. Einige zählen auch noch den Athener Fürsten Pisistrat darunter. Diese heißen Weise.
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