Die Schwägerin wünschte, seine Kunst zu sehen; darum schüttete sie Reis in den Topf. Li streckte eines seiner Beine darunter und zündete es an. Hell schlugen die Flammen empor, und das Bein brannte wie Kohle.
Als der Reis beinahe gar war, da sprach die Schwägerin: »Nimmt denn dein Bein nicht Schaden?«
Li sagte zürnend: »Ich habe dich doch gewarnt, dass du nichts sagen sollst, dann hätte es nichts gemacht. Jetzt aber ist mein eines Bein gelähmt.«
Mit diesen Worten nahm er den eisernen Feuerhaken und machte sich daraus eine Krücke. Er hängte einen Flaschenkürbis auf den Rücken und ging in die Berge, um Arzneikräuter zu sammeln. Darum nennt man ihn Li mit der Eisenkrücke.
Eine andere Geschichte von ihm erzählt, dass er im Geiste häufig zu seinem Meister Laotse in den Himmel hinaufstieg. Bevor er wegging, befahl er einem Schüler, auf seinen Leib mit der Seele darin aufzupassen, damit sie sich nicht zerstreue. Wenn sieben Tag vorbei seien, ohne dass sein Geist zurückkehre, so könne er seine Seele in den leeren Raum entweichen lassen. Unglücklicherweise wurde der Jünger nach sechs Tagen an das Sterbebett seiner Mutter gerufen, und als am Abend des siebenten Tages der Geist des Meisters zurückkam, da war das Leben aus dem Körper schon gewichen. Da er so in seinem eigenen Körper keine Wohnung mehr fand, benützte er in der Verzweiflung den ersten Körper, der sich ihm darbot und aus dem die Lebenskraft noch nicht zerstreut war. Es war dies der Körper seines Nachbarn, eines lahmen Krüppels, der eben gestorben war, so dass von da ab der Meister dessen Äußeres an sich hatte.
Der siebente heißt Han Siang Dsï. Er war der Neffe des berühmten konfuzianischen Gelehrten Han Yü aus der Tang-Dynastie. Von frühester Jugend an pflegte er die Künste der unsterblichen Götter, verließ sein Haus und ward Taoist. Vom Großvater Lü wurde er erweckt und in die himmlische Welt erhoben. Er rettete einmal seinem Oheim das Leben. Dieser nämlich war vom Hofe vertrieben worden, weil er sich widersetzt hatte, als der Kaiser einen Buddhaknochen mit großem Pomp einholen ließ. Als er auf seiner Flucht über den blauen Pass kam, hatte tiefer Schnee die Wege ungangbar gemacht. Sein Pferd war in eine Schneegrube gefallen, und er selbst war nahe daran zu erfrieren. Da erschien ihm plötzlich Han Siang Dsï, half ihm und seinem Pferde heraus und brachte ihn sicher nach der nächsten Herberge am blauen Pass. Han Yü sang ein Gedicht, in dem die Zeilen vorkamen:
In Wolken liegt der Tsin Ling-Berg.
Wie ist die Heimat, ach, so weit!
Schnee türmt sich um den blauen Pass.
Wer gibt dem Pferde das Geleit?
Da fiel ihm plötzlich ein, dass vor mehreren Jahren Han Siang Dsï nach seinem Hause gekommen war, um ihm zum Geburtstag Glück zu wünschen. Bevor er weggegangen war, hatte er diese Zeilen auf ein Papier geschrieben. Der Oheim hatte sie betrachtet, ohne jedoch ihren Sinn zu verstehen. Nun sang er selbst unbewußt diese Zeilen in dem Liede, das sein Neffe gemacht hatte. Da sprach er seufzend zu Hang Siang Dsï: ,,Du bist wohl ein Unsterblicher, dass du also die Zukunft voraus wußtest?«
Dreimal auch hat er versucht, seine Frau zu erlösen. Als er nämlich von zu Hause weggezogen war, um des geheimen Sinns zu pflegen, da saß sie den ganzen Tag da und hatte Heimweh nach ihm. Han Siang Dsï wollte sie erlösen zur Unsterblichkeit; aber er fürchtete, dass sie nicht fähig sei. So erschien er ihr in mancherlei Gestalten, um sie zu versuchen, einmal als Bettler, ein andermal als wandernder Bettelmönch. Aber seine Frau kam nicht zur Besinnung. Endlich verwandelte er sich in einen lahmen Taoisten, der auf einer Matte saß, den Holzfisch schlug und vor dem Hause Sutren las.
Seine Frau aber sprach: »Mein Mann ist nicht zu Hause, ich kann dir nichts geben.«
Der Taoist erwiderte: ,,Ich will nicht dein Gold und Silber, ich will dich selber. Setz dich zu mir auf die Matte, dann fliegen wir in die Luft, und du siehst deinen Gatten wieder.«
Da wurde die Frau böse und schlug ihn mit dem Stock.
Hang Siang Dsï verwandelte sich in seine ursprüngliche Gestalt, trat auf eine leuchtende Wolke und stieg in die Höhe. Das Weib sah ihm nach und weinte laut; aber er blieb verschwunden. Die achte der Unsterblichen war ein Mädchen und hieß Ho Siän Gu. Sie war die Tochter eines Bauern. Ihre Stiefmutter behandelte sie hart; dennoch blieb sie ehrfurchtsvoll und fleißig. Sie liebte es, Almosen zu spenden; die Mutter aber hinderte sie daran. Doch sie ward niemals zornig, auch wenn sie von ihrer Mutter Schläge bekam. Sie hatte geschworen, sich nicht zu verheiraten, und schließlich wußte die Mutter nicht mehr, was sie mit ihr tun sollte. Eines Tages, als sie eben Reis kochte, da kam der Großvater Lü und erlöste sie. Sie hielt den Kochlöffel noch in der Hand, während sie in die Lüfte stieg. Sie ward im Himmel angestellt, um vor der südlichen Himmelstür die abgefallenen Blumen aufzukehren.
32. Die acht Unsterblichen II
Es war einmal ein armer Mann, der hatte schließlich gar kein Obdach mehr und keinen Bissen zu essen. Da legte er sich müde und matt draußen am Weg neben einem kleinen Feldgott-Tempelchen nieder und schlief ein. Da träumte ihm: Der alte weißbärtige Feldgott kam aus seinem Häuschen und sagte ihm: »Ich weiß dir eine Hilfe. Morgen kommen hier am Wege die acht Unsterblichen vorbei; vor denen wirf dich nieder und flehe sie an!«
Als der Mann erwachte, setzte er sich unter den großen Baum, der neben dem Feldgott-Tempelchen stand und wartete den ganzen Tag auf die Erfüllung des Traumes. Da endlich, als die Sonne schon nahe am Untergehen war, kamen acht Gestalten des Weges gegangen, dem Bettler deutlich als die acht Unsterblichen erkennbar. Sieben von ihnen eilten sehr schnell; aber einer mit einem lahmen Bein humpelte hinter den anderen her. Vor diesem — es war Li Tiä-Guai — warf sich der Mann auf den Boden.
Aber der Lahme wollte nichts von ihm wissen und hieß ihn fortgehen. Doch der Arme hörte nicht auf, ihn anzuflehen, dass er mit ihm gehen und auch zu den Unsterblichen gehören dürfe. Das sei unmöglich, gab der Lahme zur Antwort. Doch da der Arme gar nicht aufhörte zu betteln und nicht von ihm wich, sprach er schließlich: »Nun gut, halte dich an meinem Rocke fest!« Das tat der Mann, und nun ging es in fliegender Eile über die Wege und Felder fort, immer weiter, immer weiter. Auf einmal standen sie zusammen hoch oben auf dem Turm des Pong-lai-schan, des berühmten Geisterberges am Ostmeer. Und siehe, da waren die anderen Unsterblichen auch. Aber diese waren höchst unwillig über den Genossen, den Li Tiä-Guai mitgebracht hatte. Doch da der Arme so dringlich bat, ließen auch sie sich schließlich erweichen und sagten zu ihm: »Wohlan! Wir springen jetzt hinunter in das Meer; folge uns, dann kannst du auch ein Unsterblicher werden.« Und einer nach dem anderen von den Sieben sprang hinab in das Meer. Als aber die Reihe an den Mann kam, bekam er Angst und wollte den Sprung nicht wagen. Da sagte der Lahme zu ihm: »Wenn du dich fürchtest, kannst du auch kein Unsterblicher werden.«
»Was soll ich nun anfangen«, jammerte der Mann; »meine Heimat ist weit fort, und ich habe kein Geld!« Der Lahme brach ein Stückchen Stein von der Mauerzinne los und drückte es dem Manne in die Hand; danach sprang er selbst vom Turm hinunter und war gleich den sieben anderen im Meer verschwunden.
Wie nun der Mann den Stein in seiner Hand näher betrachtete, da war er von reinem Silber. Das reichte ihm als Reisegeld, bis er nach vielen Wochen wieder in seiner Heimat war. Da war dann aber auch das Silber gerade aufgebraucht, und er war ebenso arm wie vorher.
Es waren einmal zwei Scholaren. Der eine hieß Liu Tschen, und der andere hieß Yüan Dschau. Die waren beide jung und schön. An einem Frühlingstage gingen sie miteinander in das Tiän Tai-Gebirge, um Heilkräuter zu pflücken. Da kamen sie an einen Berghang, wo auf beiden Seiten die Pfirsichbäume in üppiger Blüte standen. Mitten drin öffnete sich eine Höhle, da standen zwei Jungfrauen unter den blühenden Bäumen, die eine in roten Kleidern, die andere in grünen. Die waren über alle Maßen schön. Sie winkten den beiden Scholaren mit der Hand.
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