Gunong Prau – Ungefähr vierzig Meilen südwestlich von Samarang auf einem Berg namens Gunong Prau ist ein ausgedehntes Plateau mit Ruinen bedeckt. Um diese Tempel zu erreichen, sind von entgegengesetzten Seiten aus vier Fluchten steinerner Treppen den Berg hinauf gelegt; jede Reihe besteht aus mehr als tausend Stufen. Es sind hier Spuren von fast vierhundert Tempeln gefunden worden, und viele (vielleicht alle) waren mit reichen und zart gearbeiteten Skulpturen verziert. Das ganze Land von hier bis Brambanam, eine Entfernung von sechzig Meilen, ist voll von Ruinen, sodass man schön gemeißelte Bildwerke in Gräben liegen sieht und dass sie zu Umzäunungsmauern verbaut werden.
Im östlichen Teil von Java, in Kediri und Malang, sind ebenfalls zahlreiche Spuren von Altertümern, aber die Gebäude selbst sind meist zerstört. Steinerne Bildwerke jedoch kommen vielfach vor, und überall findet man Überreste von Festungen, Palästen, Bädern, Wasserleitungen und Tempeln. Es ist durchaus dem Plan dieses Buches entgegen, etwas zu beschreiben, was ich nicht selbst gesehen habe; aber da ich gelegentlich ihrer erwähnte, so fühlte ich mich verpflichtet, etwas dazu beizutragen, dass diesen wunderbaren Kunstwerken einige Aufmerksamkeit geschenkt werde. Man fühlt sich überwältigt bei der Betrachtung dieser zahllosen Skulpturen, die mit Zartheit und künstlerischem Gefühl aus einem harten und schwer zu behandelnden Trachyt gearbeitet sind und die alle auf einer tropischen Insel gefunden werden. Wie der Zustand der Gesellschaft beschaffen sein konnte, wie die Höhe der Bevölkerung, wie die Subsistenzmittel, welche so gigantische Werke möglich machten, das wird vielleicht für immer ein Rätsel bleiben; und es ist ein wunderbares Beispiel von der Macht religiöser Ideen im sozialen Leben, dass in demselben Land, in welchem fünfhundert Jahre früher diese großen Bauten viele Jahre hindurch ausgeführt wurden, die Einwohner jetzt nur rohe Häuser aus Bambus mit Strohdächern errichten und auf diese Überbleibsel ihrer Voreltern mit unwissender Verwunderung blicken als auf unbezweifelte Produkte von Riesen oder Dämonen. Es ist sehr zu bedauern, dass die holländische Regierung nicht energische Schritte ergreift, um diese Ruinen dem zerstörenden Einfluss der tropischen Vegetation zu entziehen und um die schönen Skulpturen, die überall hin über das Land zerstreut sind, zu sammeln.
Wonosalem liegt ungefähr tausend Fuß über dem Meer, aber unglücklicherweise ist es von dem Wald etwas entfernt und umgeben von Kaffeeplantagen, Bambusdickicht und groben Gräsern. Es war zu weit, um täglich nach dem Wald zurückzugehen, und in anderen Richtungen konnte ich keine Gründe, die sich dem Insektensammeln ergiebig erwiesen, auffinden. Aber der Ort war wegen seiner Pfaue berühmt, und mein Bursche schoss bald mehrere dieser prachtvollen Vögel, deren Fleisch wir zart, weiß und delikat, ähnlich dem des Truthahns fanden. Der javanische Pfau ist eine von der indischen verschiedenen Art; der Nacken ist mit schuppenartigen grünen Federn bedeckt und der Kamm anders geformt; aber der äugige Schweif ist ebenso groß und ebenso schön. Es ist eine sonderbare Tatsache in Beziehung auf die geographische Verbreitung, dass der Pfau nicht auf Sumatra und Borneo gefunden wird, während der prächtige Argus-Fasan, die Fasanen mit feuerrotem Rücken und die augenfleckigen Fasane dieser Inseln ebenso unbekannt auf Java sind. Genau parallel damit geht die Tatsache, dass auf Ceylon und im südlichen Indien, wo der Pfau reichlich vorkommt, die herrlichen Lophophori und andere prächtige Fasane, welche Nordindien bewohnen, nicht gefunden werden. Es könnte so scheinen, als litte der Pfau keine Rivalen in seiner Domäne. Wären diese Vögel selten in ihrem Vaterland und lebend unbekannt in Europa, so würden sie sicherlich als die wahren Fürsten des Federgeschlechts angesehen werden und, was Stattlichkeit und Schönheit anbetrifft, ihnen niemand den Rang streitig machen. Wie die Sache aber liegt, so glaube ich, dass kaum jemand, den man aufforderte, den schönsten Vogel der Erde zu nennen, den Pfau nennen würde, ebenso wenig wie der Papua-Wilde oder der Bugi-Händler den Paradiesvogel dieser Ehre teilhaftig werden ließe.
Drei Tage nach meiner Ankunft in Wonosalem besuchte mich mein Freund Herr Ball und erzählte mir, dass vor zwei Abenden ein Knabe von einem Tiger getötet und gefressen worden sei nahe bei Modjo-agong. Er fuhr auf einem Ochsenkarren und kam in der Dämmerung die Hauptstraße entlang auf dem Weg nach Hause; kaum eine halbe Meile vom Dorf sprang ein Tiger auf ihn, trug ihn in den Dschungel dicht dabei und verzehrte ihn. Am nächsten Morgen fand man seine Überreste, die nur aus ein paar zermalmten Knochen bestanden. Der Waidono hatte ungefähr siebenhundert Männer zusammengebracht und wollte das Tier jagen; es wurde auch, wie ich später hörte, gefunden und getötet. Man gebraucht bei der Verfolgung eines Tigers nur Speere. Man umstellt eine große Strecke Landes und zieht sich allmählich zusammen, bis das Tier in einen vollständigen Ring bewaffneter Männer eingeschlossen ist. Wenn es sieht, dass es nicht mehr entfliehen kann, so macht es gewöhnlich einen Sprung und wird von einem Dutzend Speere aufgefangen und fast augenblicklich zu Tode gestochen. Das Fell eines so getöteten Tieres ist natürlich wertlos, und in diesem Fall war der Schädel, den ich Herrn Ball gebeten hatte, mir zu sichern, in Stücke gehauen, um die Zähne zu verteilen, die als Zaubermittel getragen werden.
Nach einem einwöchigen Aufenthalt in Wonosalem kehrte ich an den Fuß des Berges zurück in ein Dorf mit Namen Djapannan, welches von verschiedenen Waldpartien umgeben war und für meine Zwecke durchaus zu passen schien. Der Häuptling des Dorfes hatte für mich zwei kleine Bambuszimmer an der einen Seite seines eigenen Hofraumes hergerichtet und schien geneigt zu sein, mir so viel wie möglich zu helfen. Das Wetter war außerordentlich heiß und trocken, und da seit mehreren Monaten kein Regen gefallen, so waren infolgedessen Insekten und hauptsächlich Käfer sehr spärlich vorhanden. Ich ließ es mir daher hauptsächlich angelegen sein, eine gute Reihe Vögel zu erlangen, und es gelang mir auch, eine erträgliche Sammlung zu machen. Alle Pfaue, welche wir bisher geschossen, hatten kurze oder unvollkommene Schwänze gehabt, aber jetzt erhielt ich zwei prachtvolle Exemplare von mehr als sieben Fuß Länge, von denen ich einen vollständig aufbewahrte, während ich von zwei oder drei anderen nur den an dem Schwanz befestigten Schweif behielt. Wenn man diesen Vogel auf dem Boden nach Nahrung gehen sieht, so scheint es wunderbar, wie er mit einem so langen und schwerfälligen Schweif von Federn sich in die Luft erheben kann. Und doch tut er es mit großer Leichtigkeit, indem er ein kleines Stück schnell läuft und dann schief in die Höhe steigt; er fliegt über Bäume von beträchtlicher Höhe. Ich erhielt hier auch ein Exemplar des seltenen grünen Dschungelhahns (Gallus furcatus) , mit einem aus bronzenen Federn schön geschuppten Rücken und Nacken und einem sanft gerandeten ovalen und an der Basis grünen Kamm von violett-purpurner Farbe. Es ist auch dadurch bemerkenswert, dass es einen einzigen großen Kehllappen hat, glänzend gefärbt mit drei roten, gelben und blauen Flecken. Der gewöhnliche Dschungelhahn (Gallus bankiva) kommt auch hier vor. Er ist fast genauso wie ein gewöhnlicher Kampfhahn, aber seine Stimme ist anders, viel kürzer und abgebrochener, woher er auch seinen inländischen Namen Bekeko hat. Sechs verschiedene Arten von Spechten und vier Königsfischer fand ich hier, den schönen Nashornvogel, Buceros lunatus , mehr als vier Fuß lang, und den hübschen kleinen Loriket, Loriculus pusillus , kaum mehr als ebenso viele Zolle.
Eines Morgens als ich gerade meine Spezimina präparierte und ordnete, sagte man mir, dass eine Gerichtsverhandlung stattfinden würde; und bald traten vier oder fünf Männer ein und hockten auf einer Matte unter dem Audienzdach auf dem Hof nieder. Dann kam der Häuptling mit seinem Schreiber und setzte sich ihnen gegenüber. Einer sprach nach dem anderen und erzählte seine Geschichte, und ich fand heraus, dass die zuerst Eingetretenen der Gefangene, der Ankläger, der Polizist und der Zeuge waren und dass der Gefangene nur dadurch sich auszeichnete, dass er ein loses Stück Tau um den Leib geschlungen, aber nicht fest zusammengebunden hatte. Es war ein Fall von Diebstahl, und nachdem die Aussage des Zeugen gemacht war und der Häuptling einige Fragen gestellt hatte, sagte der Angeschuldigte ein paar Worte, und dann wurde das Urteil gesprochen; es war ein günstiges. Die Parteien standen auf und gingen zusammen fort; sie schienen ganz freundschaftlich gegeneinander gesinnt zu sein; und von Leidenschaft oder übler Stimmung war durchaus nichts bei irgendeinem der Anwesenden zu sehen – eine sehr gute Illustration zu dem malaiischen Charaktertypus.
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