Michael Heymel, Christian Möller
Das Wagnis, ein Einzelner zu sein
Glauben und Denken Sören Kierkegaards
am Beispiel seiner Reden
Theologischer Verlag Zürich
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.d-nb.deabrufbar.
Umschlaggestaltung: Simone Ackermann, Zürich
ISBN 978-3-290-17698-3 (Buch)
ISBN 978-3-290-17730-0 (E-Book)
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© 2013 Theologischer Verlag Zürich
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Titelei
Inhalt
Vorwort
Teil A
1 Sören Kierkegaard – Annäherungen an sein Leben
Der rätselhafte Kierkegaard
Der religiöse Schriftsteller
Die indirekte Mitteilung
Kierkegaards Biografie in wenigen Daten
Der Vater
Regine Olsen
2 Sören Kierkegaard – Annäherungen an sein Werk
Zwei Lesarten Kierkegaards – ein kurzer Rückblick auf die Rezeptionsgeschichte
Was hat Kierkegaard mit Philosophie zu tun?
Drei verschiedene Textsorten
Flugblätter gegen die verbürgerlichte Kirche
Teil B
1 Der Streit des Gebets (1844)
A »Der rechte Beter streitet im Gebet und siegt – dadurch, daß Gott siegt«
B Interpretation
Pseudonyme Schriften und Erbauliche Reden von 1844
Der Streit des Beters mit Gott
Kindliches und erwachsenes Beten
Der Streit mit dem Weisen
Im Gebet verändert sich die Gottesbeziehung
C Bezug zur Gegenwart
Missverstandene Innerlichkeit
Innerlichkeit und »Entweltlichung«
Innerlichkeit und Aktivismus
Innerlichkeit und Anbetung
2 Innerlichkeit (1844)
A »Die Bestätigung in dem inwendigen Menschen« (1843)
B Interpretation
Einleitung
Hauptteil der Rede
A. Der inwendige Mensch (131–134)
B. Wohlgelingen dient zur Bekräftigung (134–140)
C. Übelgelingen dient zur Bekräftigung (140–145)
D. Wohl- und Übelgelingen dienen zur Bekräftigung (145–148)
Schluss (148)
C Bezug zur Gegenwart
3 Der Einzelne (1847)
A Aus Anlass einer Beichte (1847)
B Interpretation
Kierkegaards Auseinandersetzung mit dem »Corsar«
Die Frage nach dem Einzelnen als Gewissensfrage
Die Dialektik von Einzelnem und Nächsten
Das Elend des Vergleichens
Das Märchen von der bekümmerten Lilie
C Bezug zur Gegenwart
Der Einzelne und die Quote
4 Erbauung (1847)
A »Liebe erbaut« (1847)
B Interpretation
Was heißt erbauen?
Sehen, was in Wahrheit Liebe ist
Alles kann erbaulich sein, wenn Liebe dabei ist
Kierkegaards Begriff des Erbaulichen
Das Erschreckende als Kehrseite des Erbaulichen
C Bezug zur Gegenwart
5 Die Sorge (1848)
A Die Sorge der Selbstquälerei
B Interpretation
Zur Situation
Zum Aufbau der Reden
Ein biografisches Beispiel
C Bezug zur Gegenwart
Hochrechnungen und Sorgen
»Planen als plante ich nicht«
6 Der einladende Christus als Gestalt der Kirche (1848)
A Eine erbauliche Rede zu Mt 11,28 (1848)
B Interpretation
Was Jesus von anderen Ärzten und Helfern unterscheidet
Christus als der wahre Arzt
Jesus lädt die Sünder ein
Thorvaldsens Christus
Gemeinschaft der Glaubenden
C Bezug zur Gegenwart
Christus als Gemeinde
Die Gestalt des Einladenden heute
7 Über das Erzählen (1848)
A Einübung im Christentum, 3. Teil, III (1848)
B Interpretation
Ein evangelisches Exerzitium
Vom liebevollsten Menschen erzählen
Die Wirkung der Erzählung auf das Kind
Ein Kind als Beispiel für Erwachsene
Wie erzählt werden soll
Das Poetische in Beziehung zum Leben bringen
C Bezug zur Gegenwart
Christentum als Erzählgemeinschaft
Aufmerksamkeit
Lebendiges Erzählen – drei Beispiele
8 In Jesu Seelsorge (1849)
A Der Hohepriester. Rede zum Altargang am Freitag (1849)
Hebräer 4,15
B Interpretation
Trösten – wie geht das?
Jesus Christus und die andere Qualität des Mitleidens
»Rede zum Altargang«
»Die Krankheit zum Tode« im Verhältnis zu den »Drei Erbauliche Reden«
C Bezug zur Gegenwart
Selbstseelsorge
Selbst werden
9 Die Bibel – ein Liebesbrief (1851)
A »Sich mit wahrem Segen beschauen im Spiegel des Worts« (1851) Aus einer erbaulichen Rede zu Jak 1,22–27
B Interpretation
Die Heilige Schrift: Gottes Wort
Begegnung mit dem Bibeltext, kein Buchstabenglaube
Der unbedingte Anspruch des Wortes Gottes
Was der Liebende tun soll
Radikaler Gehorsam
Mögliche Einwände gegen Kierkegaard
C Bezug zur Gegenwart
10 Gottes Unveränderlichkeit (1851 / 1854 / 1855)
A In Gottes Unveränderlichkeit zur Ruhe kommen262
B Interpretation
Zur Situation des Predigers
Ruhe in Gottes Unveränderlichkeit
Kierkegaard als Prediger
Streit mit der Staatskirche
Die neue Situation der Citadelpredigt
Kierkegaards Sterben und Tod
C Bezug zur Gegenwart
Gericht und Gnade
Teil C
1 Wie Sören Kierkegaard seinen Lesern Türen öffnen kann
2 Sören Kierkegaard – zwischen Himmel und Hölle
Literatur
Sören Kierkegaard
Literatur
Fußnoten
Seitenverzeichnis
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Dieses Buch ist aus zwei Vorlesungen erwachsen, die wir gemeinsam in den Sommersemestern 2011 und 2012 an der Universität Heidelberg gehalten haben, um Studierende aller Fakultäten in Glauben und Denken Kierkegaards einzuführen. Üblicher Weise1 werden dafür pseudonyme Schriften Kierkegaards wie »Entweder-Oder«, »Philosophische Brocken«, »Der Begriff Angst« oder »Die Krankheit zum Tode« herangezogen, weil vor allem sie seinen Namen bekannt gemacht haben. Seine Reden bleiben aber meist unbeachtet, ihre besondere Bedeutung für das Verstehen seines Glaubens und Denkens wird nicht erkannt.
Wir haben vor allem auf diese Reden zurückgegriffen, weil Kierkegaard sie unter seinem eigenen Namen herausgegeben hat. Diese fast hundert literarischen Reden sind deshalb so provokant, weil sie von einer Leidenschaft des Glaubens geprägt sind. Gerichtet sind sie an »jenen Einzelnen, den ich meinen Leser zu nennen die Ehre habe«. Wer ist das – »jener Einzelne«? Es ist jeder, es ist jede, freilich so, dass sie zu sich selbst kommen, den trügerischen Schutz der Menge und des »Meinungssuffs« verlassen und verantwortlich für sich selbst werden. Dieser widerständige Einzelne ist für Kierkegaard freilich nur die andere Seite einer Gemeinschaft, die von der Verantwortung des Einzelnen lebt und auf die Würde des Einzelnen achtet. Jeder Mensch wird dann zum »Nächsten«, wie Kierkegaard in seiner wohl großartigsten Sammlung von 18 Reden ausführt, die er unter dem Titel »Der Liebe Tun« (1847) herausgab.
Was Kierkegaards Reden auszeichnet, ist die Widerstandskraft, die sie ihrem Leser verleihen, um Einzelner zu werden, der sich nicht mehr von jedem neuen Lüftchen der Zeit wegwehen lässt. Kierkegaard nennt diese Widerstandskraft »Innerlichkeit«, die es im Menschen zu »erbauen« gilt. Deshalb geht es um »Erbauliche Reden«, die einen ähnlich programmatischen Charakter haben wie eine Generation zuvor Schleiermachers »Reden |8| über die Religion an die Gebildeten unter ihren Verächtern« (1799). Kierkegaards Reden sind in ihrer Existenzmitteilung nicht apologetisch, sondern polemisch: Sie greifen eine Gesellschaft an, der die Leidenschaft des Denkens und des Glaubens abhandengekommen ist; sie greifen vor allem eine an die üblichen Denkschemata der Zeit angepasste Christenheit an und üben mit dem Leser und der Leserin Schritt für Schritt, Rede für Rede ein Verstehen des Lebens ein, das zwar rückwärts reflektiert werden kann, aber vorwärts gelebt werden muss.
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