Irgendwann, möglicherweise im August 1967, bezogen Charlie, Lynette Fromme – genannt Squeaky – und Mary Brunner eine Wohnung in der Bath Street 705 im kalifornischen Santa Barbara, 330 Meilen südlich von San Francisco. Am oder um den 8. September 1967 herum besuchten die drei einen früheren Knastbruder Mansons namens Greene, der in Manhattan Beach, in der Nähe von Los Angeles, wohnte. Ebenfalls bei Greene zu Besuch war ein Mädchen namens Patricia Krenwinkel, ein einsames, suchendes Geschöpf mit einem endokrinen Problem – zu viel Körperhaar. Sie war der Typ Mädchen, der – wie ihre früheren Tagebucheintragungen belegen – bei Schultanzveranstaltungen als Mauerblümchen in der Ecke sitzen geblieben war.
Patricia kam aus dem kalifornischen Inglewood und war achtzehn Jahre alt. Sie hatte früher an einer Sonntagsschule unterrichtet und war von der Bibel besessen – später sollte sie noch weite Reisen ins LSD-Bibelland Mansons unternehmen und dabei im Übermaß aus der Heiligen Schrift zitieren. Zusammen mit ihrer Schwester Charlene lebte sie in einem Apartment in Manhattan Beach, und während die anderen Mädchen mit dem Kleinbus nach Norden fuhren, blieb Manson mit Miss Krenwinkel für vier Tage dort zurück.
Dann kamen Squeaky und Mary wieder. Patricia hatte bis dahin einen unbefriedigenden Job bei der Insurance Company of North America gehabt. In der Nacht zum 12. September 1967 ließ sie ihren Wagen an einer Tankstelle stehen und schloss sich der Manson-Bewegung an. Die meisten populären Berichte der Manson-Story berichten staunend, dass Miss Krenwinkel gar ihren Gehaltsscheck von der Versicherung uneingelöst zurückließ. Ja, welcher echte Amerikaner würde schon einen Gehaltsscheck liegen lassen?
Patricia Krenwinkel war in der Lage, der wachsenden Family – deren Mitglieder damals natürlich nur als »Charlies Mädchen« bekannt waren – neben ihrer Seele die Gabe aller Gaben darzubringen: eine gültige Chevron- Kreditkarte, für die ihr Vater bürgte, der seine Tochter genügend liebte, um weiterhin die Rechnungen zu bezahlen. Außerdem stellte sie auch eine Telefon-Kreditkarte zur Verfügung.
Solcherart finanziert fuhren sie nordwärts, durch Santa Barbara und nach San Francisco. Dann, am 15. September 1967, reisten sie weiter nach Oregon. Der VW-Bus fuhr zwei Wochen lang zwischen Washington und Oregon hin und her und hielt sich geraume Zeit in der Gegend von Seattle auf. Eines der Ziele dieser Reise nach Nordwesten war es wahrscheinlich, Charlies verlorengegangene Mutter ausfindig zu machen.
Auf dieser Reise in den Norden trafen Manson und Anhang einen 25jährigen Jungen aus Monroe, Louisiana, Bruce Davis, der bald einer der männlichen Hauptjünger Mansons werden sollte. Davis war der Herausgeber des High-School-Jahrbuches in Kingston, Tennessee gewesen, hatte danach drei Jahre lang die University of Tennessee besucht, dann eine Reihe Gelegenheitsjobs gehabt, bis er schließlich im November 1966 von der Bildfläche Amerikas verschwand und sich vorübergehend dem Underground anschloss.
Am 1. Oktober 1967 fuhr der Kleinbus auf dem Rückweg nach San Francisco durch Carson City, Nevada. Die Mitglieder der Gruppe verbrachten ungefähr zehn Tage im Gebiet von San Francisco/Berkeley, dann brachen sie nach Sacramento auf, wo sie ein paar Wochen blieben, möglicherweise in der dortigen Wohnung der hübschen Ex-Nonne Mary Ann, mit der sie den Sommer der Blumen verbracht hatten.
Am 6. Oktober 1967 hielten die Bewohner von Haight-Ashbury im Buena Vista Park in San Francisco eine Begräbnisfeier für einen »Hippie, Sohn der Medien« ab. Die Feier war mehr als ein Symbol, denn sie bezeichnete das Ende eines großartigen Experiments und den Beginn der Ära der » Pigs « . Einladungen mit folgendem Text wurden verschickt:
- BEGRÄBNISANZEIGE -
H I P P I E
Haight-Ashbury
Bezirk dieser Stadt,
Hippie, ergebener Sohn
der Massenmedien
Freunde sind eingeladen,
der Trauerfeier beizuwohnen.
Beginn bei Sonnenaufgang,
am 6. Oktober 1967
im Buena Vista Park
Mansons Gruppe wuchs. Es waren zu viele Mitglieder, als dass sie alle in dem VW-Bus hätten schlafen oder gar sich rühren können. Außerdem machte sich der Winter langsam bemerkbar. Da bot sich ihnen die Gelegenheit, für ihre weiteren Reisen einen Schulbus zu erwerben.
Es waren Ken Kesey und seine Gruppe der Merry Pranksters , darunter auch der großartige Neal Cassady, die in den Jahren 1964 und 1965 die Idee aufgebracht hatten, in angemalten und kunstvoll dekorierten Schulbussen als »sittsame« Fahrensleute umherzureisen.
Diese Leute waren es, die in Gruppen mit LSD-Trips und, wichtiger noch, mit mystischen Gruppenerfahrungen unter LSD-Einwirkung experimentierten. Auf ihren Fahrten drehten sie auch Filme. Keseys Gruppe jedoch war auf der »guten« Seite.
An diese Geschichte knüpfte Manson an: Aber sein schwarzer Bus, der von Bob Beausoleil mit einem Ziegenkopf bemalt worden war, verließ die Blumeninsel, um ein Land anzusteuern, wo Folter und Gemetzel zu Hause sind.
Sie gaben – vermutlich in Sacramento – den VW-Bus gegen einen alten gelben Schulbus in Zahlung, der groß genug war, um das wachsende Rudel von Jugendlichen aufzunehmen. Manson behauptet, das Geld dafür beim Zocken in Nevada gewonnen zu haben. Den Bus hätten sie einem Holländer abgekauft. Es gäbe da aber ein Problem, sagte der Holländer. Man habe den Bus aus einem Fluss herausgezogen, und tote Kinder seien drin gewesen. Er sei mit einem Fluch belegt. Uiii!
Am 16. Oktober 1967 statteten sie bei Stewart E. Millers Standard-Chevron -Tankstelle in Sacramento den Schulbus mit einer Batterie von 39 Dollar und zwei Sätzen 825-20-Reifen von insgesamt 216,20 Dollar aus.
Aus dem hinteren Teil des Busses entfernten sie die Sitze, um sich so einen Wohnraum zu schaffen. Auf das Dach montierten sie eine große Box. Im Laufe der Zeit brachten sie in dem Bus einen Eisschrank, eine Stereoanlage und einen an Drähten hängenden Tisch sowie eine Menge von Kissen unter. Die Innenwände bemalten sie nach und nach mit Farbstrudeln im Early-Acid-American-Dayglo -Stil. Gottesaugen, Pfauenfedern und Musikinstrumente vermittelten die drogenbewegte Stimmung. Zunächst behielt der Bus zwar sein Schulgelb, doch als die Polizei sie anzuhalten begann, weil sie gegen die Verordnungen zur Benutzung von Schulbussen verstießen, besorgten sie sich an irgendeinem Strand eine ganze Menge schwarzer Sprühfarbe, und einige Bikers sprühten den Bus einschließlich der Fenster schwarz an. Sie wollten den Bus mit weißen Lettern bemalen, eine Arbeit, die eine junge Französin übernahm, doch unter ihrer Hand wurden aus den geplanten »Hollywood Productions« die »Holywood Productions«. Die Idee war nämlich, sich als umherziehendes Filmteam auszugeben – dadurch wollte man den Problemen aus dem Weg gehen, die sich, besonders seitens der Polizei, für einen 33jährigen Mann mit einer Busladung voller Teenagern in Miniröcken aufwerfen konnten.
Im November wurde Mansons Bewährungsaufsicht von San Francisco nach Los Angeles übertragen, das heißt, Charlie wollte offenbar seine Operationsbasis nach Südkalifornien verlegen. Um den 7. oder 8. November herum fuhr Manson nach San Francisco, wo er ein hübsches junges Mädchen, Susan Denise Atkins, in einem Haus an der Oak, Ecke Lyon in Hashbury kennenlernte, wo sie mit einigen Dealern zusammenlebte. Die geniale Janis Joplin wohnte in der Nähe, und Susan saß gern auf der Veranda, um ihr beim Üben zuzuhören. Einige andere Mädchen aus dem Haus bestiegen gemeinsam mit Susan Atkins den Bus. Eins von ihnen war Ella, vermutlich identisch mit Yeller, die die Gruppe später bei Beach Boy Dennis Wilson in Los Angeles einführen sollte.
Читать дальше