Eine der Lieblingsstellen Mansons im 9. Kapitel der Offenbarung war: »Und taten auch nicht Buße für ihre Morde, Zauberei, Unzucht und Dieberei« – diese Worte zitierte er wieder und wieder und bereitete so seine Anhänger aufs Töten vor. Und hatten seine Anhänger nicht »Haare wie das Haar von Frauen und Zähne wie die Zähne von Löwen«?
Und war nicht Manson der König des Abgrunds?
»Und hatten über sich einen König, den Engel des Abgrunds, des Name heißt auf hebräisch Abaddon, und auf griechisch hat er den Namen Apollyon.« Als man die Bibel aus dem Lateinischen ins Englische übertrug, ließen die Übersetzer in dem Text einen dritten Namen – neben Abaddon und Apollyon – für den Engel des Abgrunds aus. Dieser Name lautet im Lateinischen »Exterminans«.
Exterminans – was für ein Wort, um Charles Manson zu charakterisieren!
Beispiele für die Entsprechungen, die Manson zwischen dem Buch der Offenbarung, den Beatles und seinen eigenen (Wahn-)Vorstellungen fand, gibt es in Hülle und Fülle, doch soll der Leser davon verschont bleiben.
Manson hörte sich den Song » Helter Skelter « aus dem neuen Beatles-Album mit Kopfhörern an, und irgendwie, wie durch ein Wunder, hörte er, wie die Beatles ihn flüsternd drängten, er solle sie in London anrufen. Unglücklicherweise wusste Manson offenbar nicht, dass mit » Helter Skelter « eine Rutschbahn in einem englischen Vergnügungspark gemeint ist.
Die Mädchen behaupten, Manson hätte einmal ein Ferngespräch nach London angemeldet, um mit den Beatles zu sprechen. Zweifellos ist der Song » Helter Skelter « auf dem weißen Beatles-Doppelalbum eine meisterhafte, eindringliche Rock 'n' Roll-Nummer, und es ist ein ziemlich unheimlich klingendes Stück, besonders der lange Schluss, der gegen Ende hin zweimal ausgeblendet wird und wie ein universaler Marsch abgewrackter Irrer klingt.
»Charlie, Charlie, schick uns ein Telegramm« – diese Worte unterlagen seiner Ansicht nach dem Geräuschgeflecht der Komposition »Revolution 9«. Die Mitglieder der Family meinten, dass man mit Kopfhörern nur genau hinzuhören brauche, um die Beatles diese Worte flüstern zu hören. Man hört, was man hören will.
»Rise! Rise! Rise!« (Erhebe dich) pflegte Charlie beim Abspielen von »Revolution 9« zu schreien; er brachte diesen Song mit der Offenbarung – »Revelation, chapter 9« – in Verbindung. Später malten er und seine Anhänger das Wort »Rise« mit Blut an die Wand im LaBianca-Haus.
Man muss sich das weiße Doppelalbum der Beatles anhören, um eine Vorstellung davon zu bekommen, was Manson hörte oder hineinzuhören versuchte. Als Ganzes gesehen ist das Album von unterschiedlicher Qualität. Zwar weist es einige der üblichen brillanten Einfälle der Beatles auf, doch haben die Beatles dieses Album zu einer Zeit gemacht, als sie heftigen Streit miteinander hatten, und das ist dem Album anzumerken.
Dieses Album enthält natürlich auch den Song »Piggies« und, gruseliger noch, einen Song namens »Happiness is a Warm Gun«. Andere Songs wie »Blackbird« und »Rocky Raccoon« wurden in der Family ausnahmslos als rassistische Weltuntergangssongs gedeutet.
Der Song » Sexy Sadie « muss Susan Atkins alias Sadie Mae Glutz in verzückte Zuckungen versetzt haben. »Sexy Sadie, you came along to turn everybody on« , heißt es darin, und »Sexy Sadie, you broke the rules, you laid it down for all to see«.
Zu der Zeit, als die Family noch in dem Haus in Canoga-Park lebte, ermunterte Manson Angehörige verschiedener Motorradbanden, sich der Family anzuschließen. Die beiden Gangs, die der Family am nächsten standen, waren die Satan Slaves und die Straight Satans , die sich beide mit den Initialen S.S. schmückten. Manson wollte die Bikers in seine Gruppe aufnehmen; sie sollten den notwendigen militärischen Flügel darstellen.
Die Family verbündete sich auch mit den Jokers Out of Hell , einer Gang, die sich mit Okkultismus befasste. Einer dieser Jokers hatte einen Plattenladen in Santa Monica. Interviews haben ergeben, dass die Jokers Häuser im San-Fernando-Valley, in der Nähe des Hauptquartiers der Family , besaßen.
Manson veranlasste seine Mädchen, die Bikers zu verführen, damit sie mit der Family in Kontakt blieben. Es kam vor, dass er einem der Mädchen befahl, sich auszuziehen und ihnen einen zu blasen. Reißverschlüsse wurden aufgerissen, Miniröcke fielen zu Boden, und die Bikers waren begeistert. Manson veranlasste seine Anhängerinnen auch, die Bikers, was persönlichen Besitz betraf, zu bearbeiten. Sie streiften ihnen die Armbanduhren von den Handgelenken ab, und eines der Mädchen gurrte ihnen dazu ins Ohr: »Du brauchst keine Zeit. Was ist das schon, Zeit?« Und wenn gelegentlich ein Biker eine Braut mit auf die Ranch bringen wollte, sagten die Mädchen: »Wozu brauchst du denn eine Braut?«
Manson arbeitete ein regelrechtes Public-Relations-Programm aus, um die Bikers anzulocken. Er lieh ihnen Geld. Er ließ sie ihre Motorräder bei der Family parken und reparieren, und als die Family wieder auf der Spahn-Ranch wohnte, gab es dort eine Menge Reitpferde, eine Menge Mädchen, und zu essen war auch immer etwas da. Räuberbanden haben sich seit jeher gern am Wüstenrand angesiedelt. Die Wüstengebiete, die Los Angeles umgeben, haben diese Tradition würdig fortgeführt – da gab es Überfälle, Rauschgifthandel, Handel mit Teilen von gestohlenen Autos und schaurige, magische Zeremonien im Überfluss.
In mancherlei Hinsicht glich die Family allmählich einem Biker-Club: derselbe unglaubliche männliche Chauvinismus, dieselbe Outlaw-Attitüde, dieselben »Todes-Trips«, derselbe Satanismus, dieselben Rituale. Die neuen Mädchen der Family trugen sogar, wie einige der Bike-Club-Mamas, an den Fußgelenken Kettchen, die zeigten, wer ihr »Besitzer« war.
Die Bikers sind berühmt für ihre vollendeten Begräbnisse, bei denen sich die Motorradfahrer zu langen Einzelreihen formieren, die den Leichenzug bilden. Die »Farben« der Frau – ihre Club-Kluft – werden oft mit den Sachen ihres »Alten« begraben. Manchmal gibt es für die Frau Trauerzeiten mit regelmäßigen Ritualen am Grab, zu denen unter anderem das Begießen der Erde mit Wein gehört.
Ein Straight Satan , der eine Zeitlang mit der Family zusammenlebte, war ein großer, hübscher Kerl namens Joe. Joe lernte die Family in der Gresham Street kennen, als er sich nach dem Weg zu einem Haus erkundigte, das er mieten wollte. Er war so hingerissen von der Family , insbesondere von Sexy Sadie, dass er gleich dort blieb. Er hatte eine Freundin, die damals schlaftablettenabhängig war.
Joe, der Straight Satan , übernahm bei den Helter-Skelter -Vorbereitungen eine wichtige Aufgabe: Er war der »Architekt« des geheimen Fluchtwegs ins Death Valley.
Sein Aufenthalt bei der Family kostete ihn an die 2.600 Dollar. Er steuerte seine Armbanduhr, einen Revolver, einen Kleinbus und sogar sein Motorrad zum Gemeingut bei. Zuerst lebte er mit der Family ungefähr einen Monat lang in der Gresham Street, danach ein paar Wochen auf der Hollowberry-Hill-Ranch-of-Satan und dann, bis zum Muttertag 1969, auf der Spahn-Ranch.
Von allen Bikern hatte Danny De Carlo, ein kleiner, schwarzhaariger Straight Satan mit Schnurrbart, die längste und engste Beziehung zu Manson.
Danny De Carlo war im März gekommen, um ein Motorrad zu reparieren. Charlie lud ihn ein zu bleiben und bot ihm jede Menge Mädchen an. Seiner gewaltigen Potenz wegen wurde De Carlo von den Mädchen bald in Donkey Dick Dan umgetauft.
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