Von Shoshone aus ging's in Richtung Westen, vorbei an weiten, sich auftürmenden Hügeln, die aussahen wie Millionen übereinandergeschichteter, abgebrannter Riesenstreichhölzer. Sie fuhren über den Salisbury-Pass und über den Jubilee-Pass bis zu dem ausgetrockneten Amargosa-River. Sie fuhren an Ashford Mills vorbei und bogen linker Hand auf der ersten Schotterstraße in nordwestlicher Richtung ab und kamen an einem Schild vorbei: »Warnung. Straße wird nicht täglich patrouilliert«.
Schon Gurdjeff sagte, man dürfe Wüsten-Straßenkarten nicht trauen. Auf der Karte von Inyo-County befindet sich diese Abzweigung östlich von Ashford Mills, während sie in Wirklichkeit westlich davon liegt. Es kann sein, dass der Verlauf der Straße inzwischen geändert worden ist, denn in solchen Einöden sind Straßen davon abhängig, was die Planierraupe des jeweiligen Bezirks alle Vierteljahr einebnet.
Von der Talsohle des Death Valley aus kletterte der Bus eine lange Serpentinensteigung an der Ostseite der Panamint-Mountains hinauf. Am Wingate-Jeep-Trail bog der Bus noch einmal links ab, vorbei an einem Straßenschild, »Warm Springs, 4 Meilen, Anvil Springs, 18 Meilen«.
Von da an befand sich der Bus, der nun immer tiefer ins Gebirge hineinfuhr, innerhalb des Death Valley-Naturschutzgebietes; ein Schild mit weißen Lettern auf schwarzem Grund wies darauf hin: »Feuerwaffen verboten.«
»Charlie konnte fahren wie ein Motherfucker «, bemerkte Clem, als er eineinhalb Jahre später dieselbe Strecke noch einmal fuhr. Auf diesem Treck durch die Wildnis zur Barker-Ranch soll Charles Manson mehrere Wundertaten vollbracht haben.
Der grün-weiße Bus musste sagenhafte Flussbettstraßen, gewundene und mit Geröll bedeckte Pfade passieren. Einmal ging ein Wagenrad kaputt. Ein andermal wurde der Boden des Busses aufgerissen. Clem behauptete, Charlie hatte den Bus mittels Levitation über einen Felsbrocken hinweggebracht. Und die Mädchen mussten natürlich die tiefen Schlaglöcher häufig mit Holz oder Steinen auffüllen.
Da wo die Straße zum Warm-Springs-Valley hinaufführte, war der Weg zunehmend identisch mit dem Flussbett. Vier Meilen taleinwärts kamen sie an einer Gruppe von Talkbergwerken vorbei – Halden von Babypuder am Hang. Bei den warmen Quellen kam der Bus an einer Baumgruppe, einer Tanksäule und mehreren Wohnwagen für die Bergleute vorbei.
Gleich hinter den Talkbergwerken wurde die Straße schlechter: die Laster, die den Talk abtransportierten, benutzten offenbar lieber die aus dem Tal hinausführende Straße als die zum Mengel-Pass hinaufführende. Nur Goldschürfer und Camper nahmen die Straße, die am schwarzweiß gestreiften Berg, dem Striped Butte, vorbeiführte.
»Holterdiepolter« – das war die Experience für die Family , als sie in das felsenübersäte Chaos eindrang. Die Straße gabelte sich, und der Wegweiser, »Jeep Road – Butte Valley«, deutete nach links. Rechter Hand schlängelte sich die Straße zu weiteren Talkbergwerken hoch. Rudel wilder Esel durchstreiften das Striped-Butte-Valley und Kojoten lauerten ungeniert, die dünnen Nasen hinter Fettholzbüschen hervorstreckend, auf Beute.
Von der hoch gelegenen Talsohle aus erklomm der Bus recht und schlecht den Mengel-Pass, und dann rumpelte er etwa weitere fünf Meilen den geheiligten Goler-Wash hinunter zur Barker-Ranch. Dort blieben sie.
Wie durch ein Wunder hatte der Bus die Barker-Ranch erreicht, wo er heute noch steht; der Motor ist ausgebaut, und die Karosserie ist gegenüber von Ballarat Bobs Hühnerstall abgestellt. Den hinteren Kotflügel hat irgendein kaputter Zyniker mit einem rot-weißen Klebezettel » America. Love it or leave it « versehen.
In der Zwischenzeit begannen die Dinge im geheiligten Goler-Wash ungemütlich zu werden. Ein Kälteeinbruch machte mit dem Nudismus Schluss. Der Winter kroch heran.
Manson machte sich auf die Suche nach geeigneteren Bleiben und nahm »etliche Leute« mit, wie Brooks Posten erzählte.
Offenbar hatte die Family Anfang 1969 Wohnprobleme. Irgend etwas hinderte sie daran, zur Spahn-Ranch zurückzugehen.
Susan Atkins wohnte einige Zeit in einem Haus auf der Buchanan-Ranch im Topanga-Canyon. Sie lebte dort mit einem Mann namens Rory zusammen. Um diese Zeit kann es gewesen sein, dass Manson Sadie/Susan aus der Family ausstieß und ihr das Baby Zezo Ze-ce Zadfrak wegnahm.
Freunde von Sadie auf der Buchanan-Ranch schmiedeten Pläne, wie sie Zezo zurückholen könnten. Interessant daran ist, dass Sadie, wie Augenzeugen berichtet haben, sich energisch gegen Manson zur Wehr gesetzt und ihre Unabhängigkeit behauptet hat. Bis Manson eines Tages oberhalb der Ranch auf einem Hügelkamm auftauchte und »Sadie!« brüllte und sie zu sich winkte, worauf Sadie Mae Glutz sofort zur Family zurückkehrte.
19. Helter-Skelter und Rock 'n' Roll
Manson mietete ein Haus und ein kleines Gästehaus in der Gresham Street Nr. 21019 im kalifornischen Canoga-Park im San-Fernando-Valley, nicht weit von der Spahn-Ranch entfernt. Wegen seiner Farbe wurde das Haus »Yellow Submarine« genannt. Hier verfolgte Manson gleich zwei Ziele mit Eifer – ein Star zu werden und die geeignete Ausrüstung zusammenzustellen, um mit seinen Anhängern in die Wüste zurückkehren zu können. Dafür benötigte er Generatoren, haufenweise Strandbuggies und Geld.
Das Geld beschloss er sich durch Drogenhandel, Diebstahl und Schnorrerei zu verschaffen. »Innerhalb von drei oder vier Wochen, nachdem wir ins Yellow Submarine gezogen waren«, schrieb er in seiner Autobiografie, »war das Haus zu einem Konzertsaal für Musiker geworden, zum Pornostudio für perverse Produzenten, zum Drogennest und Unterschlupf für Diebe. Ein geeigneter Platz, um geklaute Autos auszuschlachten und alles mögliche zu treiben, außer ein Bordell.«
Allerdings bemühte Manson sich, die Sache mit dem Diebesversteck und den gestohlenen Strandbuggies vor Terry Melcher und Dennis Wilson zu verbergen. Immerhin versprach er sich von einem oder beiden einen Plattenvertrag.
Das Anwesen Gresham Street Nr. 21019 war ein Haus mit rotem Dach und einem Säulenportal sowie einem kleinen grünen »Gästehaus« dahinter. Linker Hand befinden sich hinter einer Doppelgarage einige Pferdeställe oder -boxen.
Wenn man die unbefestigte Straße in Richtung Devonshire-Street hinabfährt, stößt man auf die Island-Village-Apartments, in denen verschiedene Bekannte von Manson wohnten.
Von den Hügeln im Norden bahnt sich der Brown-Canyon-Wash seinen Weg ins San-Fernando-Valley hinunter, ein Trockenbett, das eher einer überdimensionalen, gepflasterten Straßenrinne ähnelt. Dieser Wash führte zur Westseite des Anwesens hinunter, so dass Manson mit seinem Strandbuggy von der Devil-Canyon-Gegend, der Heimat von Helter-Skelter , durch das Trockenbett direkt bis zum Gresham-Haus fahren konnte. Da Manson angeblich in den Death Valley-Hills lebte, wurde sein Bewährungsfall von Los Angeles nach San Bernardino überstellt. Am 17. Januar 1969 versuchte der neue Bewährungshelfer, Manson im Death Valley aufzusuchen. Er kam bis zum Ballarat General Store, wo er von einem alten Bergarbeiter erfuhr, dass er einen Siebenmeilenmarsch die Wasserfälle hinauf auf sich nehmen müsse, wenn er das Camp der Family aufsuchen wolle. Nein, danke.
Etwa eine Woche nach dem Einzug in das Haus in Canoga Park schickte Manson einen Trupp zur Barker-Ranch hinauf, der den Rest der Family holen sollte. Es waren Brooks, Juanita und Gypsy, die Geigenspielerin, die dort zurückgeblieben waren, um auf ihre Sachen aufzupassen.
Eine Woche später traf der International Scout Jeep, für den Juanita und Watkins in Las Vegas den roten Dodge in Zahlung gegeben hatten, in Goler-Wash ein und holte die drei ab.
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