20. Father P. rannte nun angeblich zum Altar, ergriff ein großes, »gestohlenes« Holzkruzifix und schlug Pussycat damit ins Gesicht.
21. Blaine behauptet, er sei daraufhin zu seinem Kleinbus gerannt und habe ein kleines Tonband geholt, das er dann in den Ashram geschmuggelt habe, um die Zeremonie aufzunehmen.
22. Pussycat brüllte: »Hilfe! Polizei!«
23. Father P. drohte dem gefesselten Pussycat, dem er Fußtritte versetzte, ihn wieder zu knebeln.
24. Offenbar ging es eine Zeitlang wirklich nicht ganz geheuer zu, jedenfalls erwogen sie allen Ernstes, den Jungen zu opfern. »Wenn du sterben musst, wird Sadyi mit dir sterben«, soll Father P. gesagt haben.
25. D. K. holte einen Holzpflock und machte sich daran, an ihm herumzuschnitzen, wobei er sagte: »Er muss sterben.«
26. Leute kamen zur Tür herein und unterbrachen das, was sich drinnen abspielte. Nun versuchte Father P., den Knaben von dem Einfluss Sadyis zu befreien: »Sadyi, hinfort mit dir, oder ich werde deinen Körper unter großen Schmerzen zerstören. Ich werde ihn Stück um Stück verbrennen, und ich werde ihn in kleine Stücke schneiden.« Natürlich hätte er dabei auch Pussycat umbringen müssen.
27. Blaine behauptet, dass Manson am nächsten Tag im Bus zur Spahn-Ranch zurückgefahren sei.
28. Blaine sagt, dass Father P. bald darauf nach Los Angeles gereist sei und Manson dort besucht habe.
29. Blaine behauptet, dass er später, nach dem Tod eines Mitglieds der Companions of Life, Father P. und Pussycat hinunter zum Topanga-Canyon gefahren und die beiden dort abgesetzt haben.
30. Was besagten Sadyi und seine schwangere Frau betrifft, so machten sich die beiden angesichts dieser üblen »Vibrationen« schnellstens aus dem Staub und verließen den Haight. Auf diese Weise bekam zumindest ein Teil der Story ein Happy-End – oha!
Nach und nach scheint die Manson Family in die Nähe von Los Angeles zurückgekehrt zu sein, wo sie auf der Spahn-Ranch den späten September und Oktober verbrachte. Den alten schwarzen Bus, den Bus der Liebe, gab Charlie einem Typen namens John, jenem Freund von Sandy Good, der eine Zeitlang im hinteren Teil der Ranch gewohnt hatte. John gab Charlie dafür einen Lieferwagen. John fuhr mit dem schwarzen Bus zu einer Kommune nach Oregon, die sich Commune of the Sacred Heart nannte.
Was Beausoleil angeht, so verbrachten er und seine Freundin-Frau Gail im Frühherbst die Zeit in Santa Cruz und gingen dann nach Santa Barbara, wo er seinen Lieferwagen gegen ein Boot eintauschte, auf dem er dann im Hafen von Santa Barbara lebte. Gail setzte sich ab und kehrte nach San Francisco zurück, während Beausoleil auf seinem Hausboot blieb. Zu einem späteren Zeitpunkt habe Manson ihn auf dem Hausboot besucht, so berichtete Beausoleil, und ihn gebeten, mit ihm zu kommen und bei der Vorbereitung eines Plattenalbums zu helfen. Beausoleil tat es.
Irgendwann Anfang Oktober bei einem Gruppen-LSD-Trip brach unter den Mitgliedern der Family ein Kampf aus; sie knurrten sich an und peitschten einander und versuchten, sich gegenseitig in das brennende Kaminfeuer zu werfen. Die Family -Legende erzählt, dass es ihnen schließlich gelungen sei, einander in die Flammen zu stoßen, und sogar eine Katze hätten sie in die Flammen geworfen, aber ihrer aller Seele sei so stark gewesen, dass niemand verbrannt sei.
Am 7. Oktober 1968 hatte Susan Atkins alias Sadie eine Frühgeburt. Es war ein Junge, den sie, bei der Augenbraue des Ra, Zezo Ze-ce Zadfrak nannte, kurz Zezo. Als Sadie der glücklichen Family verkündete, dass die Geburt bevorstünde, wurde Manson wütend. Es sei doch etliche Wochen zu früh. Statt dessen forderte er Sadie auf, einen Topf mit Wasser aufzusetzen. Er wolle sich rasieren. Als sie im Badezimmer das Wasser erhitzte und den Rasierspiegel für ihn aufstellte, kam das Baby. Ungeachtet der eintretenden Wehen machte er sich daran, sich zu rasieren, und erteilte so seinen Anbetern eine Lektion in Kaltblütigkeit und Gelassenheit. Auf die Family wirkte es fast wie eine Zauberformel, wie er auf diese Weise die »Macht der Angst brach«, so nannten sie es.
Offensichtlich sang die Family Lieder, um die Atmosphäre bei Sadies Entbindung zu entkrampfen. Die Family hatte eine besondere Form von Entspannungs-Mantra, die sie in Zeiten der Anspannung sang. Dieses Entspannungs-Mantra wurde von den Beach Boys als Koda dem abschließenden Fadeout des Songs »Cease to Exist/Resist« hinzugefügt.
Es war eine Steißgeburt. Als die Mutter zuerst den Arm und dann den Körper des kleinen Zezo hervor presste, hörte Manson – so will es die Legende – auf zu singen und riss von seiner spanischen Gitarre eine Saite ab, um damit die Nabelschnur abzubinden.
In der Woche darauf fuhren Tex Watson und Dean Morehouse in Terry Melchers Jaguar nach Ukiah, um Mary Brunners Baby, Pooh Bear alias Valentine Michael Manson, zu holen. Diese Angelegenheit ist immer noch mit einer Mauer des Schweigens umgeben, doch weiß man, dass Terry Melcher Mitgliedern der Family erlaubte, seinen Jaguar und seine Standard-Oil- Kreditkarte zu benutzen. Die Family beglich dicke Rechnungen mit dieser Kreditkarte, die sie immer dann benutzte, wenn sie größere Reisen unternahm.
Mrs. Roger Smith war, wie man sich erinnern wird, zur Pflegemutter von Pooh Bear ernannt worden, als Mary Brunner in Mendocino mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. Ihr Mann war Mansons Bewährungshelfer gewesen und leitete später im Rahmen der Freien Klinik von Haight-Ashbury ein Programm zur Bekämpfung der Drogensucht.
An dem Tag, als Tex und Dean nach Mendocino fuhren, brachte Mrs. Smith, offenbar auf Aufforderung des Vormundschaftsgerichts, das Kind nach Ukiah, um es seiner Mutter zurückzugeben.
Etwa zur gleichen Zeit, also irgendwann am Abend des 13. Oktober 1968, wurden nur sechs Meilen südlich von Ukiah am US-Highway 101 zwei Frauen – Cilda Delaney und Nancy Warren – zu Tode geschlagen und erwürgt. Um ihre Hälse fanden sich zwei knapp einen Meter lange Lederriemen, die als Drosselwerkzeuge benutzt worden waren.
Mrs. Warren war die Ehefrau eines Polizisten von der Highway Patro l und im achten Monat schwanger. Mrs. Delaney war ihre 64jährige Großmutter, die neben ihrem Trailer-Haus einen kleinen Antiquitätenhandel unterhielt.
Dieser Doppelmord wird hier erwähnt, weil es der erste einer ganzen Reihe ungeklärter Mordfälle ist, bei denen sich merkwürdigerweise stets Mitglieder der Family in der Nähe des Geschehens aufgehalten hatten. Am Abend dieser grässlichen Ereignisse zumindest waren – darauf wies Bob Richardson vom Sheriffbüro in Mendocino-County hin – zwei der später wegen der sogenannten Tate-LaBianca-Morde zu Tode Verurteilten nicht weit entfernt bei einer Anhörung anwesend.
15. Death Valley [Herbst 1968]
Zwei Tage nach den Morden in Ukiah verließ die Family die Spahn-Ranch. Manson hatte plötzlich beschlossen, zu »Grandma's Place« im Death Valley in Kalifornien aufzubrechen.
Mit den üblichen Seidenstoffen, Kissen und arabischen Wandteppichen schmückten sie den neuen Bus im maurischen Stil à la Manson.
Von dem weit abgelegenen Ort in der Wildnis des Death Valley hatte die Family durch eine gewisse Cathy Meyers alias Cathy Gillies alias Patty Sue Jardin erfahren. Cathy Gillies war auf einem Besitz, der zum Schürfgebiet erklärt worden war, hoch oben in den Randgebieten des Death Valley aufgewachsen. Die Ranch hieß nach Cathys Großeltern, denen der Besitz noch heute gehört, Meyers-Ranch. Die Meyers-Ranch befand sich ungefähr eine Viertelmeile östlich von der Barker-Ranch im Goler-Wash. Der Goler-Wash, einst ein Goldschürfgebiet, inzwischen ungenutztes Ödland, ist eine enge gefährliche Schlucht in den Panamint-Mountains, die das Panamint-Valley im Westen mit dem hügeligen Wüstenhochland in der Nähe der Meyers-Ranch im Nordosten verbindet. Cathy hatte Manson auf einer Ranch im Topanga-Canyon kennengelernt. Sie hing voll drin in der Los-Angeles-Musikszene, wo man sie als feuriges Buffalo Springfield-Groupie kannte.
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