Roth
Die Poesie des Biers
Jürgen Roth
Die Poesie des Biers
Mit Gastbeiträgen von Matthias Egersdörfer,
Marco Gottwalts, Christian Jöricke,
Friederike Reents, Michael Rudolf, Jörg Schneider
und Dieter Steinmann
Jürgen Roth, geboren 1968, lebt als Schriftsteller in Frankfurt am Main. Jüngst sind von ihm im Verlag Antje Kunstmann drei Hörspiel-CDs erschienen ( Stoibers Vermächtnis , Der Untergang des Bayernlandes und Mit Verlaub, Herr Präsident … , die ersten beiden zusammen mit Hans Well von der Biermösl Blosn) sowie bei Zweitausendeins der Band Schrumpft die Bundesrepublik! (zusammen mit Michael Rudolf und F. W. Bernstein). Im Oktober Verlag liegen von ihm diverse Titel vor, darunter Anschwellendes Geschwätz , Fußball! (Buch und CD), Das perfekte Wirtshaus und, als Herausgeber, die Live-Lese-CD Der saubere Herr Rudolf .
2., korrigierte, überarbeitete und stark erweiterte Auflage
© 2010 Oktober Verlag, Münster
Der Oktober Verlag ist eine Unternehmung
des Verlagshauses Monsenstein und Vannerdat OHG, Münster
www.oktoberverlag.de
Alle Rechte vorbehalten
Satz: Claudia Rüthschilling
Umschlag: Tom van Endert unter Verwendung
eines Photos von Jürgen Roth
Alle anderen Bildnachweise am Ende des Buches
Herstellung: Monsenstein und Vannerdat
ISBN: 978-3-938568-91-0
eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net
Ich hab’ nach vier Runden schon gemerkt, daß ich
so blau bin, da hab’ ich gemerkt: Oh, oh, das wird schwer!
Claudia Pechstein
Kann man einem Menschen trauen, der keinen
Alkohol trinkt? Ich habe da meine Bedenken.
Gerhard Polt
[…] dieses eine Bier hatte auf ihn gewartet, und
er hatte es noch nicht ganz ausgetrunken.
Malcolm Lowry: Unter dem Vulkan
Was soll man denn die Leute in den Geschichten immer trinken
lassen – nimmt man Whisky, muß man einen Revolver einbauen,
und bei Sekt wird die Beschreibung der Kleider der Weiber gleich viel
zu langwierig. Bei Bier schreibt man Bier, und damit hat es sich.
Franz Dobler: Bierherz
So sind zum Beispiel Bier, Wein und Denken
Reize, aber nur vom erstern ließe sich leben.
Jean Paul
Pilsner Bier ist das eigentlich einzige Alkoholgetränk,
das absolut für viele Leidende eine Medizin, ein Diätetikum, eine
Rekonvaleszenz, eine Erlösung, ein Heil erster Ordnung bedeutet!
Peter Altenberg
Bier ist unter den Getränken das nützlichste, unter den Arzneien
die schmackhafteste, unter den Nahrungsmitteln das angenehmste.
Plutarch
Da der Komfort das oberste Prinzip ist, so versteht es sich
von selbst, daß man Bier haben kann, wenn man einen
Menschen anzapft und ein Gefäß unter die Öffnung hält.
Karl Kraus: Varieté
Andere gehen am Vormittag in ein Wirtshaus und
trinken drei oder vier Gläser Bier, ich setze
mich hier herein und betrachte den Tintoretto.
Thomas Bernhard: Alte Meister
Trinkst du persönlich auch noch was?
Wirtin in der Frankfurter Gastwirtschaft Lokalteil
Bier hilft!
Jörg Fauser
Cerevisiam bibunt homines.
Es war alles Bier.
Heino
Man trank, um getrunken zu haben.
Jörg Fauser
Inhalt
Vorbemerkung zur zweiten Auflage Vorbemerkung zur zweiten Auflage Jeden Autor freut es, wenn ein Buch von ihm vergriffen ist. Es wurde gekauft, womöglich sogar gelesen und weiterempfohlen. Also einfach geschwind eine Neuauflage drucken? Nein. Bei Lesungen hat man gemerkt, daß dieser und jener Text an der einen oder anderen Stelle nicht richtig fließt, daß man hier ein wenig kürzen, dort hingegen eine Kleinigkeit einfügen müßte, daß sich ein Druckfehler, eine Wiederholung oder ein falsches Wort eingeschlichen hat. Die Suche nach dem »mot juste« (Flaubert), auf die man sich dann begibt, kann außerordentlich mühsam sein, denn sie verleitet einen dazu, die alten Sachen, die man Arno Schmidt zufolge fünfundzwanzig Jahre nicht mehr anschauen sollte, einer genauen Überprüfung zu unterziehen. Das ist keine angenehme Arbeit. Ich habe alle Texte so penibel wie möglich durchgesehen, und das hat sich hingezogen. Deshalb erscheint die Neuauflage mit einem Jahr Verspätung. Zudem konnte ich es nicht lassen, noch etwelche Glossen, Reportagen, Geschichten, Aufsätze und Minidramen zu schreiben, und der Anhang ist auf das Fünffache des ursprünglichen Umfangs angeschwollen. Es werden dort jetzt 844 Biermarken inspiziert und bewertet. Ob es sie alle noch gibt, vermochte ich beim besten Willen nicht zu recherchieren. Wo das nicht der Fall ist, verweise ich auf das konservatorisch-eschatologische Moment von Literatur. Im Verbund mit dem im Frühjahr 2009 erschienenen Band Das perfekte Wirtshaus liegen meine Texte zum Thema Bier nun gesammelt in Buchform vor. Dann kann es ja weitergehen.
Vorbemerkung Vorbemerkung Vielfältig sind nicht nur die Lobgesänge, die die besten Dichter auf das Bier angestimmt haben, auf das älteste Getränk der Kulturgeschichte, die sinn- wie würdevollste Erfindung des Menschen. Eindrucksvoll vielfältig ist die Alltagspoesie selbst, die der Zungenlöser und Geselligkeitsförderer Bier anregt. Die Poesie des Biers wendet sich einigen bemerkenswerten Aspekten und einigen abgelegenen Winkeln des unermeßlich weiten Bierkosmos zu, unternimmt Exkursionen in fränkische Bockbierparadiese und in Bierprovinzen, erzählt von Tresengesprächen und von konfusen Bierdiskursen – verpflichtet im wesentlichen den Gattungen und Genres Prosa, Polemik und Panegyrik. Zuweilen mogelt sich das Bier auch bloß vom Rande herein, was nicht bedeutet, daß es dann eine weniger wichtige Rolle spielt. Im Anhang werden einige spezielle und nicht so spezielle Erzeugnisse der weltweit tätigen Brauwirtschaft begutachtet; mit 241 neu verkosteten Marken ist er als Ergänzung zu den Bänden Bier! Das Lexikon und Bier! Das neue Lexikon gedacht. Der freundliche Hinweis auf Michael Rudolfs Opus 2000 Biere – Der endgültige Atlas für die ganze Bierwelt sei hier auch gestattet.
Grußwort Grußwort Bis zum April 1999 dachte ich, Herrn Rudolf ganz passabel zu kennen; diesen distinguiert auftretenden, edle Lederjacken schätzenden, stets leidlich gescheitelten, kotelettenfreien Herrn, der während seiner Jahre als Sudingenieur c/o Greizer Vereinsbrauerei ein reines Gespür für Hopfen, Malz und die Solistenkunst Ritchie Blackmores entwickelt zu haben schien; der bei gelegentlichen Luftspeedgitarrenwettkämpfen gar nicht mal »schlecht« aussah und dem Moment des musikalischen Glücks meist wohltönende Lautreihen zu schenken verstand; der, und wann findet man so was schon in unsren verlotterten Zeiten, ein Freund war. Bis zum April 1999 – – da wir gemeinsam die Fränkische Schweiz bereisten und keine drei Tage später getrennte Wege gingen. Gehen mußten. Ich könnte Sachen erzählen. Wenn hier zum Beispiel einer den Arsch offen hat, dann der feine Herr Rudolf. Der saubere Herr Rudolf, der sich vertraulich gerne »Brüsteforscher Rudolf« nennt, peppt jenen Trank, den er »testifizieren« möchte, mit Zigaretten auf, »um der schalen fränkokanadischen Hopfenkaltschale wenigstens etwas Power« zu »verleihen«. Ernste Verkostung gehorcht gewiß anderen Regeln. Der honorige Herr Rudolf, die Schnapsdrossel und temporäre Whiskyleiche, pflegt jede halbe Stunde zu fordern: »Laß uns noch einen Liter Bierschnaps wegputzen, du fährst ja« – die häßlichste der bekannten Formen des Bierdopings.
Читать дальше