Das einzige Count-Five-Album, das total nichtssagend war, war ihr zweites, Carburetor Dung (Double Shot DDS 1009). Man kann mit absoluter Aufrichtigkeit sagen, dass Count Five hier an ihrem abgeranztesten Punkt angelangt waren. Das Album war tatsächlich so abgerockt, dass man bei den meisten Titeln kaum etwas unterscheiden konnte, außer einer undifferenzierten Wand aus knarzenden Geräuschen und einer unaufhörlichen Interpunktion von glottalem sägeartigen Stöhnen. Ich glaube, das Album lässt sich am besten als düster charakterisieren. Einige der Texte waren verständlich, wie die von ›The Hermit’s Prayer‹: ›Sunk funk dunk Dog God the goosie Glastone prod old maids de back seat sprung Louisiana sundown junk an’ bunk an’ sunken treasures / But oh muh drunken hogbogs / I theenk I smell a skunk.‹ Solche Texte hört man nicht jeden Tag, und auch wenn der musikalische Hintergrund dazu eher wie ein Auto klang, das mit durchdrehenden Reifen im Schlamm steckte, kann man nicht leugnen, dass der Song einen gewissen Wert als Prototyp für Rock’n’Roll auf niedrigstem Niveau hatte. Andere Titel wie ›Sweat Haunch Woman‹, ›Woody Dicot‹ und ›Creole Jukebox Pocahontas‹ zeichneten sich dadurch aus, dass sie sich leicht von der uniformen, eindimensionalen Mattigkeit des restlichen Materials abhoben.
Andererseits täte man vielleicht gut daran, mich nicht beim Wort zu nehmen, sondern einfach an meine Plattensammlung zu gehen und das Album selbst zu hören. Dave Marsh stand total darauf. (Er sagte: ›Es ist nur eine der Möglichkeiten, wie weit Rock gehen kann, ein Ende der Fahnenstange, und eines der menschenmöglich primitivsten Werke, die ich je gehört habe. Man muss verrückt sein, um solche Musik zu machen, und ich bin froh, dass sie es getan haben.‹) Ed Ward hat mir erzählt, er würde es immer behalten, denn ›es ist eines der komischsten Alben in der Geschichte des Rock’n’Roll, zusammen mit Blow against the Empire und Kick Out the Jams; wie kann man sich so was entgehen lassen?‹ Obwohl Jon Landau sich energisch weigerte, eine Kritik im Rolling Stone zu veröffentlichen: ›Hör zu, ich arbeite in diesem Geschäft nicht mit der Gesinnung einer geistigen Rotznase, die sich im Gebüsch versteckt und dem Erstbesten, der vorbeikommt, ein Bein stellt und sich dann halbtot lacht, wenn er auf die Schnauze fällt. Alles an diesem Album ist falsch. Erstens ist es absolut entsetzlich, eine der schlimmsten Monstrositäten, die je veröffentlicht wurden. Zweitens ist die Gruppe, die es aufgenommen hat, nur eine Fassade für Studiomusiker, das weiß ich mit Sicherheit. Du kannst mir nicht erzählen, dass die gleiche Band, die Iron Rainbows on the International Dateline oder wie das Ding auch immer geheißen haben mag, aufgenommen hat ... egal, es war ein wunderbares Werk, prätentiös, überarrangiert, überproduziert, langatmig, geltungssüchtig und vulgär, aber nichts desto trotz wunderbar – der Glockenspielspieler hat sich siebenundzwanzig Minuten lang halb zu Tode gejammert –, auf jeden Fall, du kannst mir also nicht erzählen, dass das und dieser Schrott von derselben Band stammen. Das ist wahrscheinlich die Band ... oh Gott! Und außerdem haben sie ein entsetzliches Label. Wer hat denn schon mal was von Double Shot Records gehört? Welche Art von Promotion und Publicity haben sie denn? Keine! Wie viele Platten veröffentlichen sie pro Jahr? Wer zum Teufel weiß das? Ihr letztes halbwegs erträgliches Konzert war mit Brenton Wood, und das ist vier Jahre her. Dieses Album, das garantiere ich dir, wird sich nicht verkaufen. Sieh dir nur mal das Cover an, eine rostige Schubkarre, das Wrack eines alten Fords ohne Reifen und Motor mit einer Pappel im Hintergrund. Die Sonne ist schon fast untergegangen und es ist so dunkel, dass man praktisch nichts mehr erkennen kann. Also steht der Titel ganz oben in ochsenblutroten Buchstaben. Ochsenblut! Und jetzt kommst du an und sagst, wir sollen eine Kritik dieses Albums im Rolling Stone veröffentlichen, weil es das einzige seiner Art ist, und wenn die Leute es jetzt nicht kaufen, bekommen sie es vielleicht nie wieder. Und dann reichst du eine Kritik ein und vergleichst es mit Louis Armstrong, Elmore James, Blind Willie Johnson, Albert Ayler, Beefheart und den Stooges! Und alles nur, damit die Leute es kaufen, obwohl es nicht den geringsten Grund dafür gibt, warum irgendein musikinteressierter Mensch das tun sollte. Warum schickst du die Kritik nicht an Creem und machst es zum Album des Jahres? Oh mein Gott, und ich hatte mal Respekt vor euch Typen. Mittlerweile glaube ich, ihr habt alle den Verstand verloren oder findet Rock’n’Roll jetzt Scheiße. Es kommt noch soweit, dass Creem kein Album mehr bespricht, das nicht entweder Free Jazz oder so abgefuckter, mediokrer, lärmlastiger Metal ist, dass man genauso gut seine Ohren an einen Müllhäcksler oder eine Motorsäge halten kann. Glaub’s mir, die Öffentlichkeit kauft das nicht. Überhaupt kein Echo!‹
Weder Jon noch ich hegten deswegen einen Groll, es war nur einfach so, dass er bei Musik eine wie auch immer geartete Unzulänglichkeit nicht ertragen konnte, was durchaus nachvollziehbar war, während ich auf bestimmte provozierende Arten von Unzulänglichkeit total abfuhr. Carburetor Dung mag das unzulänglichste Album gewesen sein, das ich je gehört habe, auf jeden Fall war es auf einer Linie mit Amon Düül und Hapshash and the Coloured Coat Featuring the Human Host and the Heavy Metal Kids. Ja, Kinder, das war wirklich der Titel eines Albums, manchmal tendiere ich dazu, mir Alben auszudenken, so als wünschte ich mir, ein bestimmtes Album würde existieren, aber das tut es nicht. Also erfinde ich es, aber dieses existiert wirklich. Auch Carburetor Dung existiert wirklich, aber Double Shot promotete es aus mehreren Gründen überhaupt nicht (Titel, Meinung verschiedenster Leute seitens Presse und Industrie, Desinteresse der Öffentlichkeit und die Tatsache, dass bei Double Shot nicht einer gewillt war, darüber zu sprechen, so blamabel war die ganze Sache). Ich glaube, es verklang einfach still, wie Alexander Spences Oar und so viele andere bemerkenswerte Platten. Und was Count Five anbelangt, die gingen schließlich dahin, wo alle guten kleinen Bands hinkommen: zur großen Tankstelle im Himmel.«
»Tja, das ist ja alles hochinteressant, du erzählst uns hier vier Stunden lang was über die meteoritengleiche Karriere der Abgase ...«
»Nein, Count Five, Carburetor Dung, also Abgase, hieß das ...«
»JA KLAR, ABER WANN ZUR HÖLLE ERZÄHLST DU UNS WAS ÜBER DIE YARDBIRDS?!«
»Oh, hmmm ja, ... die Geschichte behalte ich gerne für ein anderes Mal in Reserve. Davon abgesehen, wenn man das Ganze grundlegend betrachtet, waren Count Five langfristig gesehen vermutlich genauso wichtig wie die Yardbirds. Es ist eben einfach so, dass manche Leute schon zu ihrer Zeit verstanden werden und andere nicht.«
Creem, Juni 1971
Astral Weeks
Van Morrisons Astral Weeks wurde fast auf den Tag genau zehn Jahre bevor ich diesen Text schrieb, veröffentlicht. Für mich hatte es eine besondere Bedeutung, denn der Herbst 1968 war eine schreckliche Zeit. Ich war ein physisches und psychisches Wrack, meine Nerven total zerrüttet, Geister und Spinnen rückten bedrohlich näher und nisteten sich in meinem Verstand ein. Meine sozialen Kontakte waren praktisch nicht mehr existent, die Gegenwart anderer machte mich nervös und paranoid. Ich versank endlose Tage und Nächte in meinem Lehnstuhl im Schlafzimmer, damit beschäftigt, Zeitschriften zu lesen, fernzusehen, Platten zu hören und ins Leere zu starren. Ich hatte keine Ahnung, wie ich meine Situation ändern sollte und hätte vermutlich auch nichts unternommen, wenn ich es gewusst hätte.
Astral Weeks ist das Thema dieses Artikels, die Rockplatte mit der größten Bedeutung in meinem bisherigen Leben, völlig unabhängig davon, wie ich mich fühlte, als sie rauskam. Aber in dem Zustand, in dem ich mich damals befand, hatte sie den Stellenwert eines Leuchtfeuers, ein Licht auf der weit entfernten Küste jenseits des trüben Wassers und darüber hinaus, ein Beweis, dass es noch etwas anderes außer Nihilismus und Destruktivismus gab, dem man künstlerisch Ausdruck verleihen konnte. (Meine andere große Platte in dieser Zeit war White Light / White Heat). Es klang, als leide der Mann, der Astral Weeks gemacht hatte, fürchterliche Schmerzen, Schmerzen, die in den meisten von Van Morrisons vorangegangenen Werken nur angedeutet waren, aber wie bei den späteren Alben von Velvet Underground gab es ein rettendes Element in dieser Schwärze, ein ultimatives Mitgefühl für die Leiden anderer und einen Pfad reiner Schönheit und mystischer Ehrfurcht, der mitten durch das Herz dieses Werks schnitt.
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