»Na gut, dann schramm dir doch die Fingerknöchel auf, damit du sie wieder in warmes Bier tauchen kannst, aber sag nicht, wir hätten dich nicht gewarnt. Du solltest wissen, dass du der einzige alte Sack hier bist, dessen Schrott sich Skewey, Ruey und Blooie überhaupt anhören ... und was soll diese Verabschiedungsscheiße überhaupt? Wer ist denn schon dankbar dafür, tot zu sein?«
»Nun, tatsächlich gab es mal eine Zeit, wo eine Menge Betrogener das waren, aber das ist eine andere Geschichte. Ich beschränke mich jetzt auf die Yardbirds-Saga, anderenfalls schweifen wir noch in die Ozonschicht ab. Also hört jetzt zu und hört gut zu und wartet mit euren Fragen bis ich fertig bin.
Wie ich bereits sagte, waren die Yardbirds einfach unglaublich. Sie kamen angestürmt und schmissen alle und jeden ganz entspannt aus der Spur. Sie waren einfach so verdammt gut, dass die Leute sie noch ein Jahrzehnt später imitierten und, wie ich hinzufügen möchte, reich dabei wurden, weil die Originalbesetzung der Genies nicht so lange zusammen geblieben war. Natürlich war keines ihrer Stiefkinder auch nur halb so genial, und im Laufe der Zeit wurden sie immer gekünstelter und gestelzter, bis 1973 eine Horde von abgemagerten Fatzkes namens Led Zeppelin ihr Abschlusskonzert gab und der Leadgitarrist von einem wütenden Strychninfreak aus dem Publikum mit einer selbst gebastelten Waffe ermordet wurde, und das in der achtundfünfzigsten Minute seines virtuosen, weltberühmten zweieinhalbstündigen Solos auf einem Basston. Dann haben sie sich den Leadsänger gegriffen, der so dermaßen auf Stechapfel war, dass er praktisch nichts mehr tun konnte, außer »Gleep gleep gug jargaroona fizzlefuck«-artige Texte zu keuchen, und ihm die Haare abgeschnitten, seine Mundharmonika zertreten, ihm bürgerliche Kleidung verpasst (ich glaube, es handelte sich um ein Paar übergroße lebenslängliche Ganzkörperkettenjeans) und ihn als Frachtgut aus der Stadt geschafft. Das letzte, was man von ihm gehört hat, war, dass er versuchte vor ein paar sentimentalen alten Kiffern »Whole Lotta Love« in irgendeinem Klub in Posemuckel zu singen. Zum Umfallen rührselig.
Aber wisst ihr, obwohl die Yardbirds alles auf den Kopf stellten, haben sie nur ein paar Jahre existiert. Und einige der Trittbrettfahrer, die sie hatten! Mann, es hat mich schon geekelt, die Platten nur anzusehen! Als sie beispielsweise ›I’m a Man‹ rausgebracht und die Top Ten gestürmt haben, mit einer Mischung aus Bo Diddley (ah, das war der alte fette Kater, der mit diesem berühmten Shuffle Beat groß rauskam ... Ich glaube, der war schon wieder passé, bevor ihr geboren wurdet. Tja, als also das Konzept eines regelmäßigen Bassrhythmus komplett verschrottet wurde, wart ihr immer noch zu jung, um euch an den kulturellen Bürgerkrieg zu erinnern, der dann losbrach, als Jagger auf offener Straße Zagnose in einen Hinterhalt lockte und Beefheart in die Berge von Costa Rica abzischte, um sich dort zu verstecken, bis sich die Stimmung etwas abgekühlt hatte ...) und Feedback, sind allen die Wattebäusche aus den Ohren geflogen, bevor sie tot umfielen, weil dieses ganze verzerrte Elektrozeug, das euch in den Schlaf geschaukelt hat, als ihr noch in der Wiege gelegen habt, damals noch nicht gehört wurde, ein echtes Gehirnbeben. Manche Leute fanden das leicht anstößig, wie der blanke Nerv in einem Draht, der sie wie verrückt anblinkt, aber wir steilen Senkrechtstarter sind von Anfang an tierisch auf diese kulturelle Veränderung abgegangen. Wir haben nur auf jemanden gewartet, der vorbeikommt und die Weicheier platt macht, kick out the jams ... ach, diese Phrase! Tja, das ist auch so eine Geschichte. Hat einen netten messerwetzenden Klang. Ihr werdet bestimmt wieder lachen, aber wir hatten einen ziemlich kritischen Sprachstil, als ich noch ein Zwerg war, harte Riffe wie ›Right on!‹ und ›Peace, brother!‹, nicht diese einfältige telegrafische Scheiße, die bei euch banalen Bälgern heutzutage als Kommunikation durchgeht. Ich kann mich erinnern, als ich auf der High School war (ach, hab ich euch doch schon erzählt: das war das, wo sie dich hinschickten, wenn sie nicht wussten, was sie mit dir machen sollten, also wenn man schon zu groß für den Kinderbunker war, aber noch zu jung, um so zu tun, als würde man in die Männerwelt eintreten, was bedeutete, jeden Tag zur gleichen Zeit zu einem komischen Gebäude zu gehen, um dort stundenlang irgendwelche sinnlose Scheiße zu machen, damit man sich Brot kaufen konnte und alle einen respektierten), also, als ich zur High School ging, hatten wir ein paar ziemlich heftige Sprüche drauf. Wenn beispielsweise einer etwas echt Dämliches machte, hieß es immer ›Hast du Scheiße im Hirn?‹ Auch gut war, wenn man echt angepisst von jemandem war, sagte man ›Du mieser Haufen Scheiße‹. Ein paar von uns, eine Bande von Tagedieben genau wie ihr, fuhren immer zum Spirituosenladen, um Cola und Kartoffelchips zu kaufen, und später stöhnte der Beifahrer immer, ›Knutsch es runter, knutsch es runter!‹, was sich natürlich auf das Essen bezog. Einige Jahre später fingen ein paar phantasiebegabte Individuen damit an, Essen ›Mampfi‹ zu nennen, aber glücklicherweise hat sich dieser schwachsinnige Begriff nicht lange gehalten.
Wir hatten übrigens bereits Jahre vorher schon eine sehr rätselhafte Zauberformel: ›Ich mache nicht solchen Schrott wie du, ich zünde ihn an!‹ Wenn man das sagte, waren die Leute ziemlich irritiert. Wenigstens die Kinder, aber ich habe vergessen, was der Satz bedeutete, ich glaube, er war so eine Art Zen. Wenn man also eine Auseinandersetzung mit jemandem hatte, konnte man einfach diesen Spruch raushauen und je nachdem, wie er von dem Anderen aufgenommen wurde, stiftete er entweder Frieden oder das Ganze endete mit einem Faustkampf.
Aber ich schweife schon wieder ab. Scheiße, Kinder ihr habt Recht, ich werde zu einem alten Ziegenbock mit glasigen Augen. Mit Scheiße im Hirn. Sobald wir mit unserer Anekdotenstunde hier fertig sind, nehme ich mein Morphin und beruhige meinen fiebrigen Verstand für ein, zwei Stündchen. Ich habe heute Abend eine Verabredung mit Delilah Kooch und muss ausgeruht sein, wenn ich beim ersten Hahnenschrei immer noch bumsen will, Orgelöl hin oder her ... mit neunzig sollte man sich in Mäßigung üben.
Aber wie ich bereits ausgeführt habe, bevor ich den Kuschelweg einschlug, blieben die Yardbirds nicht sehr viele Monde zusammen, und als sie sich mit ›I’m a Man‹ verabschiedeten, wurden sie schon von allen Seiten von kleinen Teeniebands geplündert (eines Tages erzähle ich euch mal ein bisschen was über Paul Revere and the Raiders, ha, das glaubt selbst ihr nicht...), die sofort schlechte Imitationen von ›I’m a Man‹ aufnahmen, um ihre Debütplatten voll zu kriegen, Bands wie die Royal Guardsmen, die zwei Nummer-Eins-Hits hatten mit irgendwelchen Späßchen über einen Hund namens Snoopy, der verknöcherte Deutsche in antiken Flugzeugen abschießt. Ich schwör’s bei Gott! Und dann tauchten überall Punkbands auf, die zwar eigene Songs schrieben, aber den Sound der Yardbirds kopierten und ihn auf dämliches Verzerrergematsche reduzierten ... ach, das war himmlisch, es war reine Folklore, das gute alte Amerika, und manchmal glaube ich, das waren die besten Zeiten überhaupt.
Nein, ich glaube das nicht nur, ich weiß es, ich hatte schon um 1970 das Gefühl, als alles zu einer Soße von mäandernden Minnesängern und Balladen singenden Barden und ähnlicher Scheiße gerann, die damals bereits total überholt war. Mann, ’65, ’66, da stand ich morgens auf und machte als erstes das Radio an, weil so viel gute Sounds rausdröhnten. Es gab einen Song ›Hey Joe‹, von dem praktisch jeder behauptete, er habe ihn zusammen mit seinem Scheißbruder nicht nur aufgenommen, sondern geschrieben, obwohl das Stück offensichtlich die psychedelische Mutation eines uralten Folksongs war, der, wie praktisch neun Zehntel aller anderen uralten Folksongs auch, davon handelte, jemanden aus Liebe umzubringen. Und eine Gruppe namens The Leaves hatten mit ›Hey Joe‹ einen Killerhit (das ist übrigens noch so ein Wort, das ihr Quasselstrippen euch merken solltet), aber dann tauchten sie nach ein paar merkwürdigen Alben ab, obwohl sie noch mit einem guten Stück in die Charts kamen, ›Doctor Stone‹, ein echt brachial gespielter, zweideutiger Dopesong. Etwa ein Jahr lang war jedes zweite Stück voller Codewörter für getting stoned, weil alle in ganz großem Stil damit anfingen und es den Reiz des Heimlichen hatte, und die dämliche Regierung hat die Codes nicht rausgekriegt, FBI, CIA und alle anderen auch nicht, bis sie vier oder fünf Jahre später mit diesem aufgeblasenen Merkblatt angetanzt kamen; dieser Typ, der aussah wie eine Kreuzung aus einem Erdhörnchen und dem Amerikanischen Adler und sich lautstark auf den Weg zu einem dieser geriatrischen Urlaubsorte in der Wüste machte, wo die Leute wegen des völlig reizlosen Kitzels, Geld aus dem Fenster zu schmeißen, hinfuhren, dieser Typ heizte also da hin und hielt dort eine überaus gewichtige Rede, damit das Land erführe, dass Drogen und Musik irgendwie zusammenhingen, was natürlich allen schon längst klar war. Die ganze Chose war so dermaßen lächerlich, weil alle Titel, die er als Beispiele heranzog, grottenalt waren, und alle zu diesem Zeitpunkt schon so dermaßen stoned waren, dass es völlig unnötig war, die Leute damit voll zu quatschen, high zu werden.
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