Thomas Kirchner
Alternativlos
Thomas Kirchner
Alternativlos
Warum wir jetzt erst rechtungezügelte Finanzmärktebrauchen
2. Aktualisierte E-Book-Auflage
© TvR Medienverlag, Jena 2016
www.TvRMedienverlag.de
All rights reserved.
E-Book ISBN 978-3-940431-58-5
eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net
Inhalt
Einleitung: Worum es geht
1 Verursacht Devisenhandel Krisen?
2 Wurde die Asienkrise durch Währungsspekulanten ausgelöst?
3 Verhindert „Turbokapitalismus“ nachhaltiges Wirtschaften?
4 Regiert Geld die Welt?
5 Sind Verbriefungen gefährlich?
6 Wozu braucht man Rating-Agenturen?
7 Was bringt eine europäische Rating-Agentur?
8 Sind Rating-Agenturen am Griechenland-Debakel schuld?
9 Gaben Banken Griechenland leichtfertig Kredite?
10 Sollten Leerverkäufe verboten werden?
11 Welche Finanzinstrumente sollen verboten werden?
12 Warum brauchen wir Investmentbanken?
13 Brauchen wir ein Trennbankensystem?
14 Unterstützen Hedgefonds und die Wall Street hauptsächlich die Republikaner?
15 Attackieren Spekulanten den Euro?
16 Sind Immobilienkäufer Opfer der Banken?
17 Warum mußten Banken in der Krise gerettet werden?
18 Müssen Hedgefonds stärker reguliert werden?
19 Wurde die Finanzkrise durch Banken und Hedgefonds ausgelöst?
20 Brauchen die DAX -Konzerne eine Frauenquote
21 Sind Subprime -Hypotheken riskant?
22 Sind 25 Prozent Eigenkapitalrendite zu viel und unmoralisch?
23 Wie viele Billionen sind spekulativ am Devisenmarkt investiert?
24 Was bringt eine Finanztransaktionssteuer?
25 Gibt es einen Währungskrieg?
26 Treiben Spekulanten die Rohstoffpreise in die Höhe?
27 Wie sehr profitieren Spekulanten von Kreditversicherungen?
28 Sollten hohe Gehälter gedeckelt werden?
29 Zahlen Unternehmen wie General Electric wirklich keine Steuern?
30 Wie gefährlich sind Pensionsfonds?
31 Sind Nichtregierungsorganisationen demokratischer als Unternehmen?
32 Zerstören angelsächsische Heuschrecken unseren soliden Mittelstand?
33 Verschärft Turbokapitalismus Einkommensunterschiede?
34 Mit Steuern Ungleichheit bekämpfen?
35 Warum brauchen wir Steueroasen?
36 Schaden Steueroasen dem Fiskus?
37 Leben Amerikaner über ihre Verhältnisse?
38 Ist die Finanzbranche zu groß?
39 Wer gehört zum oberen einen Prozent?
40 Sollte man Reiche und Kapital stärker besteuern?
41 Wann ist der keynesianische Endpunkt erreicht?
42 Sind Steuern auf Kapital und Vermögen sinnvoll?
43 Schulden mit mehr Schulden zurückzahlen?
44 Wiederholt sich Havensteins Trugschluß?
45 Kann der Euro überleben?
46 Jetzt mehr Markt!
Anhang
Einleitung:
Worum es geht
S eit der Finanzkrise quellen die Bücherregale mit empörten Erklärungsversuchen, kapitalismuskritischen Streitschriften und alarmierenden Vorhersagen über, meist verfasst von aufgeregten Zeitgenossen, die es schon immer gewusst haben wollten. Manchmal melden sich auch selbsternannte Aussteiger zu Wort, die plötzlich auf mysteriöse Weise zu Kritikern geläutert wurden, nachdem sie vorher jahrelang gut im Finanzsystem verdient haben und jetzt neue Einnahmequellen brauchen. Es ist ein wohlbekanntes Muster. Wir werden mit Warnungen vor Krisen, Kriegen und Katastrophen derart überschwemmt, dass man sich kaum noch aus dem Haus wagt.
Mit diesem Buch gehe ich bewusst einen anderen Weg. Es wäre nicht sehr schwierig, dem am Boden liegenden Finanzsektor, dessen öffentlicher Ruf bekanntlich ruiniert ist, noch einen weiteren Schlag zu versetzen. Vielleicht zur Krönung noch ein paar Klischees über gierige Bankiers. Doch mehr als genug andere tun das bereits im Überfluss. Wesentlich interessanter und schwieriger ist die eigentliche Frage: War wirklich alles so leicht vorhersehbar, wie im Nachhinein behauptet wird? Der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz betont heute bei jeder Gelegenheit, dass er lange vor der Krise gewarnt hatte. Doch er vergisst zu erwähnen, dass er gegen ein großzügiges Honorar ungefähr zur gleichen Zeit eine Studie verfasste, in der er zum Schluss kam, die Immobilienfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac könnten den Staat im schlimmsten Fall zwei Millionen Dollar kosten. 1Die tatsächlichen Rettungskosten beliefen sich dann zwar auf fast 200 Milliarden, doch Stiglitz findet auch heute noch Anerkennung als Krisenexperte.
Die Materie ist komplex und die Krisenliteratur inzwischen so unübersichtlich, dass nur noch wenige Experten in der Lage sind, ernstzunehmende Verbesserungsvorschläge von Scharlatanerie zu unterscheiden. Deshalb vermeide ich detaillierte Beschreibungen der diversen Hilfsprogramme mit ihren zahllosen Abkürzungen – interessierte Leser können anderswo umfangreiche Schilderungen finden. Ich gehe davon aus, dass die meisten mit den groben Zügen der Krise aus der eigenen Lebenserfahrung vertraut sind. Eine genaue Kenntnis der Rettungsmaßnahmen oder einzelner Finanzprodukte ist für das Verständnis aber nicht notwendig.
Dieses Buch enthüllt Scharlatane, die von der Krise profitieren und uns durch fehlerhafte Erklärungen, unzulässige Vereinfachungen und undurchdachte Forderungen manipulieren wollen. Kaum jemand sah die Krise kommen. Einige sahen sie schon vorher, als die Grundlagen der Krise noch gar nicht gelegt waren und verkauften seit den 80er und 90er Jahren regelmäßig Bücher mit Titeln wie Die Krise kommt. Wer lang genug eine Katastrophe prophezeit, hat durchaus die Chance, irgendwann richtig zu liegen. Dann erscheint der Protagonist dieser Forderung plötzlich als weiser Prophet.
Im Nachhinein ist man eben immer schlauer. Seltene Ereignisse wie Erdbeben und Finanzkrisen eignen sich ganz besonders für die Warnungen von Scharlatanen. Wenn das Ereignis dann doch eintritt, sollte aus einem Scharlatan eigentlich nicht automatisch ein ernstzunehmender Experte werden. Für Auftritte in Fernsehsendungen mag seine Glaubwürdigkeit steigen, aber ein Scharlatan bleibt trotzdem ein Scharlatan.
Dieses Buch zeigt, wie sich Kapitalismuskritiker aller politischen Richtungen skrupellos der Finanzkrise bedienen, um die Öffentlichkeit für ihre Ziele zu gewinnen – oder einfach nur Bücher zu verkaufen. Als Kontrast zu dieser Art Literatur, die auf Bauchgefühl anstatt auf Fakten setzt, präsentiere ich bewusst Statistiken, um Trugschlüsse zu entlarven und Tatsachen zu belegen.
Damit begebe ich mich auf dünnes Eis. Denn wer quantitativ argumentiert, gilt als herzloser Zahlenjongleur und setzt sich dem Vorwurf aus, Erbsenzähler oder, schlimmer noch, Ingenieur zu sein. Ich würde solche Vorwürfe als Kompliment auffassen, denn die Geistesblitze der Ingenieure sind es, die der Menschheit Fortschritt bescheren. Googles Chefvolkswirt Hal Varian bemerkte zur zunehmenden Bedeutung von Statistiken:
Ich sage immer wieder, dass der coolste Beruf der nächsten zehn Jahre der Statistiker sein wird. Die Leute denken, ich mache einen Witz, aber wer hätte gedacht, dass Computerprogrammierer den coolsten Beruf der 1990er Jahre haben würden? Die Fähigkeit, Daten zu verarbeiten – in der Lage zu sein, sie zu verstehen, aufzubereiten, Wert daraus zu schöpfen, grafisch darzustellen, sie zu kommunizieren – all das werden sehr wertvolle Kenntnisse sein.2
Im Gegensatz dazu liefern Zahlen für Kapitalismuskritiker lediglich den Beweis dafür, dass die Märkte den Menschen zum Sklaven gemacht haben. Bei einer solchen Denkweise ist jegliche vernünftige Diskussion von vorneherein ausgeschlossen.
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