1 ...8 9 10 12 13 14 ...19 „Dat is‘ Herr Panagopoulos un seine Gattin, woll“, stellt uns Herr Dunkeloh den nebulösen Herrn und eine Frau vor, die wir aber im Dunst noch nicht ausmachen können. Er muss einmal kurz husten und etwas Schweiß abwischen. Aha, da, im Hintergrund, erkennen wir jetzt auch die Frau des obersten Grillmeisters. Sie nickt uns freundlich zu und wendet fachmännisch und voller Andacht mit den bloßen Händen eine große lange, fleischige Wurst und streicht dann liebevoll und ganz verträumt darüber hinweg.
An den griechischen Grillgott gewandt, sagt Dunkeloh dann: „Herr Panagopoulos, dat is‘ dat Ehepaar Knippschild, den’n ich grade dat Haus gezeicht habe, woll. Eventuell hätt’n sie es kauf’n wollen …“
Oh, Konjunktiv Perfekt. Wir sind für ihn also schon aus dem Rennen.
„Aaah“, sagt Herr Panagopoulos, scheint sich riesig über uns zu freuen, obwohl er uns ja gar nicht kennt, reißt die Arme hoch, besinnt sich aber dann und wischt sie sich erst noch an einem rotkarierten zerfetzten Handtuch ab, dessen Karos allerdings vom ständigen Abwischen fast verschwunden sind, umarmt uns dann aber umso herzlicher wie alte Freunde.
„De neue Chausbessiddsa! Chärzelick villkommäh. Chärzelick villkommäh. Trinke Ouzo auf Chaus. Umsonst. Kosta nix! Athina, bringst du de Ouzo, parakaló!“, ruft er nach hinten und die Grillwurst muss leider für einen Moment vernachlässigt werden.
Sehr freundlich, das Ehepaar Panagopoulos.
Und schon stehen vier kleine Ouzogläser vor uns auf der öligen Theke des Hauses und der große Gyrosmeister hebt seines, um mit uns anzustoßen. „Jamas!“, brüllt er, die Gläser knallen, wie von einem unsichtbaren Magneten angezogen, zusammen, es spritzt ein wenig und schon bahnt das eiskalte Aniszeugs sich seinen feurigen Weg unsere Kehlen hinunter, bevor wir uns dagegen wehren können. Boah! Na, wenigstens ist es eiskalt, sonst kann man so was ja wirklich nicht trinken.
„Noch ein!“, brüllt Panagopoulos wieder herzlich lachend, die Flasche kreist und wieder heben wir wie fremdgesteuert die Gläser, um sie neu füllen zu lassen und deren Inhalt Richtung Magen zu schicken. Das haben die Griechen ja drauf. Das ist Hypnose, oder was! Ich weiß es nicht. Es funktioniert immer. Große Magie. Bei den Zauberworten „Trinke Ouzo auf Chaus!“ kann man gar nicht anders und muss das furchtbare Zeugs saufen. Man will ja auch das freundliche Volk der Griechen nicht beleidigen. Also: Jamas!
Herrn Dunkeloh geht es schon viel besser. Er hat wieder etwas Farbe im Gesicht.
„Woll’n we wat ess’n?“, fragt er. „Ich lad Sie ein, ja? Geht auf Kost’n von Dunkeloh und Wöbkemeier, hahaha …“ Und da lacht er schon wieder, sogar noch etwas wahnsinniger als eben, so dass wir uns doch wieder etwas Sorgen um ihn machen.
Tja, was essen? Mein etwas unsicherer Blick zu Steffi wird von ihrem ebenso zweifelnden Blick erwidert. Uns tränen etwas die Augen. Aber gut … eine Kleinigkeit könnte man vielleicht …
Zweimal Gyros. Steffi nimmt Bauernsalat mit Schafskäse.
Und Ouzo natürlich. Sowieso. Ouzo muss. Das Gyros ist verdammt lecker. Schön kross und ohne Fett. So muss das sein. Naja, das Fett hängt ja auch schließlich überall in der Luft um uns herum, das kann ja gar nicht mehr … egal. Es schmeckt.
„So“, sagt Dunkeloh dann erleichtert und schiebt sich eine übervolle Gabel mit dem gegrillten Geschnitzel in den Mund, „dann ham we’s also hinter uns, woll. Un ich muss Ihn‘ gratulieren. Sie sin tatsächlich de Ärsten, die bis Ghana gekomm‘ sind. Hahaha …“
Der Mann ist echt von der Rolle.
„Wie meinen Sie das, Herr Dunkeloh?“
„Naja, bisher binnich nie weiter als bis inne Türkei gekomm‘. Hahaha … Bei de Göktürks sin mir de Interessent’n meistens schreiend wieder wechgelauf’n. woll. Hahaha … Ich heiß übring’s Willi“, sagt er dann und hebt schon wieder sein Ouzoglas, um mit uns anzustoßen. Der Makler ist gänzlich von ihm abgefallen. Seine Sprache ist schon leicht abgeschliffen, aber man versteht ihn noch ganz gut. Netter Kerl, eigentlich.
„Alex“, sage ich und Steffi sagt: „Steffi. Ich nix mehr. Muss ja noch fahren.“ Sehr vernünftige Frau. Ich kann ja gar nicht mehr fahren.
„Also, Alex, Steffi, ich sach’s ma so: Diese Bude kosded mich noch den letzt’n Nerv, ja? Un heute hat’s mir wirklich gereicht, glaubt mir dat. So schlimm war’s noch nie. Dat gibb’s ja gar nich. Dat reinste Irrenhaus, woll. Die sin ja alle völlich wahnsinnich. Ich kanni mähr.“
Und dann schüttet er wieder Ouzo in sich rein und macht ein Gesicht, als denke er schon über eine frühzeitige Pensionierung nach oder darüber, was er im Leben alles falsch gemacht hat und dass es so alles einfach nicht weitergehen kann.
„Oooch“, sage ich, „ich fand’s ganss int’ressant, Willi“, und nehme auch noch einen ganz kleinen Schluck. Man gewöhnt sich ja doch irgendwie an das Zeugs, wenn man erst mal den leichten Ekel überwunden hat. „Multikulti, Willi! Is’doch toll. Die gansse Welt in eim Haus!“, töne ich herum, lächle überglücklich meine Steffi an und trinke fröhlich meinen Ouzo.
Herr Pangopoulos steht schon wieder mit der Ouzoflasche neben uns und kippt nach. „Tringe, tringe! Hahaha …! Das mein Frau Athina“, sagt er und schiebt seine blond gefärbte Gattin schmutzig, fast zweideutig lächelnd ins Bild. „Mein Göttin“, sagt er dann und kneift sie zielgenau in den Hintern. Ja, ich habe es genau gesehen. Athina haut ihm dafür lachend auf die fettigen Finger und schüttelt entschuldigend den Kopf.
„Un das die neue Chausbessidsa“, sagt er dann zu seiner Göttin, die jetzt wieder freundlich lächelt und auch „Chärzelick villkommäh!“ sagt.
„Oh, viel’n Dank, liebess Ehepaar Panago …“
„Binnisch Takis“, brüllt der lachende Grieche und gießt nach, dass die Gläser schwappen. Was für ein wunderbarer Laden, dieses Takis Orakel. Könnte meine Stammkneipe werden.
Steffi wirft mir einen ersten warnenden Blick zu und Willi Dunkeloh sieht mich noch immer an wie eine Erscheinung, weil er das mit dem ‚tollen Haus‘ von gerade wohl nicht so ganz verstanden hat.
„Wat sollas heiß’n: ganz int’ressant?“, fragt er dann regelrecht schockiert. „Ihr seid donnich tatsächlich int’ressiert an dem Irrenhaus, hä? Alex? Steffi?“
Ich mache eine spitze Schnute, neige den Kopf ein wenig, als würde ich verschiedene Dinge kritisch gegeneinander abwägen, wozu ich ja gar nicht mehr fähig bin. Dann sehe ich Steffi an. Sie macht ein ähnliches Gesicht, aber mit zusätzlichem Hin- und Herwiegen ihres hübschen Kopfes. Das heißt, sie wägt auch ab, aber ganz so toll fand sie es möglicherweise doch nicht. Oder sie ist sich nicht ganz sicher, oder sie hat noch etwas ganz anderes vor.
„Naja“, sage ich, „is‘ doch’n schön’s Hausss. Juhngstil.“
„Ja, ja, Juhngstil. Sicher isses schön … sicher!“, bestätigt mir mein neuer Freund Willi.
Der arme Kerl ist ganz durcheinander. Wo er doch alles schon abgeschrieben hatte. Damit hatte er wohl überhaupt nicht gerechnet und jetzt muss er wieder umschalten auf Makler.
„Es is‘ sogar säähr schön. Ihr könnt es hab’n. Säähr gerne. Ich mach euch ’n Wahnsinnspreisss, woll. Der Verkäufer is‘ auf jed’n Fall einverstand’n – mit jed’m Angebot. Der will den Kasten loosswerd’n, weil … ach, is‘ ja egal. Un ich verssichte auf meine Provision. Nehmt es! Nehmt es! Alex, Steffi, bitte, tut mir den Gefallen. Ich kanndanichmehrrein!“
Och, der Arme. Vielleicht denkt er auch schon daran, den schönen Beruf des Maklers aufzugeben. Das wäre aber schade.
„Ja, und was würde es denn dann kosten?“, fragt Steffi und daran merke ich, wie geschäftstüchtig sie doch tatsächlich ist, denn den Preis des Hauses kennen wir ja eigentlich von der Anzeige. Sie will also handeln. Und ich stelle auch mit Zufriedenheit fest, dass der Gedanke mit dem Hausbesitzertum auch bei ihr noch immer voll im Rennen ist.
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