Reiner Hänsch
DIE FAXEN DICKE
Vom Sauerland ins Paradies … und zurück
– Ein Urlaubsroman –
FUEGO
– Über dieses Buch –
Alex Knippschild braucht Urlaub. Unbedingt. Jedenfalls meinen das seine Kollegen in der Redaktion des „Sauerlandbeobachters“, einem kleinen, tapferen aber unbedeutenden Anzeigenblättchen, das das um alle herum liegende Sauerland zwar sehr aufmerksam beobachtet, aber leider nie etwas zu berichten hat. In dieser extrem ereignisarmen Gegend passiert einfach nix – außer dröhnenden Schützenfesten und feierlichen Prämierungen der schönsten Kühe natürlich. Alex ist frustriert, genervt und seit einiger Zeit auch gar nicht mehr so richtig nett. Und das war er doch immer!
Er hat ganz einfach die Faxen Dicke! Also Urlaub. Naja, warum eigentlich nicht? Und so reist die Familie Knippschild eines schönen Tages auf die Trauminsel Ko Samui ins ferne exotische Thailand. Was sie dort allerdings erwartet, übertrifft die schlimmsten Befürchtungen bei weitem. Dieser Urlaub ist für die drei Knippschilds eine einzige Prüfung, eine Heimsuchung – einfach nur die Pest. Trotzdem versucht man sich zu arrangieren mit dem finsteren, üblen Urlaubsmoloch, der die arme Familie fest im Griff hat. Und fast scheint man es auch zu schaffen, als plötzlich etwas Unglaubliches passiert ... im fernen Sauerland!
Vom Sauerland zum Palmenstrand
sind’s viele Kilometer
manche woll’n da gar nich’ hin
manche vielleicht später
Sonne, Sand, Moskitostich
wir sind mal eben wech
Urlaub is’n schönes Ding
doch manche haben Pech
„Eine irre, verdammt witzige Geschichte ums nackte Überleben in einem scheinbar ganz normalen Pauschalurlaub.“
Anke Niggeloh vom „Sauerlandbeobachter“
„Dieser Roman wird dir gefallen, weil du selbst drin vorkommst.“
Jan Vorwärts, Weltreisender
„Wat ham we gelacht!“
Hermann-Josef Brinkmann, Kassenwart TUS Schwattmecke
„Urlaub? Na gut.
Man muss sich eben dran gewöhnen.“
Alex Knippschild
„Bügeleisen aus?”
Steffi Knippschild
„Fahr doch mal zum Pimmelfelsen!“
Max Knippschild
„Isch glaub, isch hob se net olle!“
Cherry (Cherestulama Hiradokinam)
Die einen sagen so, die anderen so. Auf jeden Fall scheint der Urlaub wohl den einzigartigen Effekt zu haben, dass man hinterher nicht mehr der ist, der man vorher war. Urlaub verändert also den Menschen, wie es aussieht. Und das könnte doch gut sein.
Aber: Es sieht nicht immer gut aus .
In der Ankunftshalle eines beliebigen deutschen Flughafens bekommen wir sie manchmal zu Gesicht. Die Urlauber. Sie sind gar nicht scheu. Mehr als zutraulich sogar. Man kann sie eigentlich kaum übersehen. Ledergegerbt, rotverbrannt, manchmal noch qualmend und versalbt oder verpflastert und soeben wieder brutal in der unwirtlichen Heimat ausgesetzt - aber noch nicht angekommen.
“Boah, is dat kalt hier bei euch!”
Klar, wenn man vierzehn Tage Thailand hinter sich hat, dann hat man überhaupt keine Erinnerung mehr an dieses Land im Norden der Welt, wo sozusagen ganzjährig und recht zuverlässig schockfrostige und nasse sieben Grad herrschen.
Und “bei euch!” sagen sie, so, als gehörten sie schon gar nicht mehr dazu - zu uns, den armselig Zurückgebliebenen. So, als seien sie schon längst selbst und selbstverständlich Südländer, Wüstenbewohner, Muscheltaucher oder neu-guineische Einbaumfahrer geworden und noch ganz eins mit dieser anderen verheißungsvollen Welt. So, als könnten sie sich keinesfalls mehr in die harten und widrigen Lebensumstände eines ganz normal miesepetrigen, fröstelnden Nordhalbkugelbewohners hineinversetzen. Einige von ihnen haben es nicht einmal geschafft, sich die Neon-Badelatschen von den Füßen zu ziehen, oder Bermudas, T-Shirts und Sonnenbrillen gegen dicke Mäntel, lange Unterhosen und Schneebrillen einzutauschen. So sieht’s aus.
Wir sehen re-integrationsunfähige Gestalten mit großflächig abgelösten und teilweise auch schon wieder nachgewachsenen Hautfetzen und fast verheilten Narben im Gesichts- und Schulterbereich. Wie gesagt, es sieht nicht gut aus, aber tatsächlich so, als hätte er was gebracht - der Urlaub. Veränderung.
Zumindest schon mal äußerlich.
Aber abgesehen von den sehr deutlichen und sicherlich auch schmerzhaften körperlichen Versehrungen, scheinen sie trotzdem ganz glücklich zu sein - unsere Zurückgekehrten.
Warum?
Und kaum haben sie uns farblose, totenbleiche Nachtschattengewächse des ewigen Eises entdeckt, schmettern sie uns atemlos die Erfolgsmeldungen “Spitzenhotäll!”, “Super-Büffeh!”, “Fümf Stärne!” und “Wätter einmalich!” entgegen. “Ach, war dat härrlich!” darf natürlich auch nicht fehlen
Ja, ein wenig beneiden wir sie schon, diese Aussätzigen, diese Gezeichneten. Sie sind so anders.
Wir wollen auch mal Urlaub!
Aber wir sind ja auch bald dran. Bald schon ist es soweit und dann geht es auch für uns los in das letzte wirklich große Abenteuer der Menschheit, das dann vielleicht “Zwai Woch’n Oll Inkel Dom Räpp achthundatfümmenneunzich Euro” heißt oder für manche auch vielleicht nur “Zelten am Steinhuder Meer - deutlich billiger”.
Urlaub - der nackte Kampf ums Überleben.
Ach, wird das schön. Die wochenlange Planung, das ewige Umschmeißen und Ändern dieser großartigen Pläne und Termine, weil alles so ja gar nicht geht. Ein kleiner erster Streit. Und dann das ganze schöne Gefreue vorher, bis es dann endlich, endlich soweit ist: Um vier Uhr nachts aufstehen, ohne eine einzige Sekunde von dem wirklich notwendigen Schlaf bekommen zu haben, Taxiabholung in der allerletzten Minute vor dem Herzanfall, dann zum Flughafen in der viel zu weit entfernten bösen Großstadt, Ladegerät und Deoroller vergessen, fast zu spät zum Gate gekommen, Koffer zu schwer, ein weiterer kleiner, ganz unbedeutender Familienstreit in der Abflughalle, kein Frühstück, schlechte Plätze in der zwanzigsten Reihe, von den Kindern getrennt, Handgepäck passt nicht in die verdammte Klappe über dem Sitz. Dann wieder anschnallen, heftige Turbulenzen, vierzehn Stunden Flug mit Übelkeit und Erbrechen, Toiletten ständig besetzt … ach, wird das herrlich!
Und dann erst: Ankommen, wo man noch nie war und wo man nix kennt, sich alles ganz anders vorgestellt hat, wieder ein wenig Familienstreit hat, außerdem Kopfschmerzen und kotzende Kinder. Wunderbar! Hitze, Mücken, fremde Währung, Diebe, Betrüger und schlechtes Essen, Krankheiten, Seuchen, Verletzungen, Entstellungen und erste Todesfälle. Die Reihen lichten sich. Vierzehn Tage! Das ist nur was für die ganz Harten. Doch wir kämpfen Tag für Tag unerbittlich. Dieser scheiß Urlaub wird uns nicht kleinkriegen. Nein. Uns nicht!
Und dann … geht es doch so schnell und unerwartet dem plötzlichen Ende entgegen und wir sagen “schade!”
Warum?
Ernste drängende Fragen und Unsicherheiten tauchen plötzlich in der letzten Minute auf. Alles gesehen? Nichts verpasst? Genug gekauft? Braun geworden? Bin ich erholt? Alles gemacht?
Denn man macht ja den Urlaub, das Land, die Region. “Lätz’s Johr homma Ägüppten gemocht! Soogenhofft! Näch’s Johr moch mer Dailond!”
Und jeder macht ja anders Urlaub. Man kann sogar nach Nationalitäten unterscheiden. Die Japaner zum Beispiel schaffen es locker, in fünf Tagen die Highlights Europas zu machen. Klar, da wird es schon mal etwas hektisch. Das ist aber kein Problem für das ohnehin recht emsige asiatische Völkchen. Ein durchschnitt-licher Sauerländer zum Vergleich macht in vierzehn Tagen gerade mal Neuharlingersiel und drei Fischbuden. Er urlaubt einfach intensiver und auch akribischer, wie es scheint. Die Japaner bekommen ja während ihrer Überfall-Blitztour überhaupt nichts mit. Eiffelturm, Brandenburger Tor, Colosseum. Sashimi Futomaki. Nix gesehen! Brauchen sie ja auch nicht. Sie fotografieren einfach alles und schauen gar nicht erst hin. Das spart richtig Zeit und hinschauen kann man ja dann hinterher zuhause hinter dem Papierparavent in Tokio bei einem schönen Glas Sake. Ist ja viel bequemer. Jaja, die Japaner saufen also. Aber in dezenter Zurück-haltung erst zuhause wieder.
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