Es ist einfach, spektakulären Naturphänomene dem Allmächtigen zuzuschreiben – unsere Gesetze nennen dies »den Willen Gottes«. Trotz Jahrhunderten der Zivilisation sehen wir Erdbeben noch immer als eine Demonstration Seiner Macht, Überschwemmungen als Seine Wut an. Die schwimmende Bedrohung der Meere aus Eis gehört mit dazu. Angsterfüllte, die von ihrem Schiff aus ein solches Monster haben sehen können, sagen, es sei jenseits allen Vorstellbarem, groß und schrecklich, Dutzende von Meter hoch, unendlich in seiner Ausdehnung und tiefschwarz, wenn es nicht vom Mond beleuchtet wird. Bedenke, wie eine der stolzesten Kreationen der Menschheit, der größte Dampfer aller Zeiten, allein durch eine sanfte Berührung mit dem Eisberg abgebremst, aufgerissen und gehäutet wurde! Der wahre Titan hat ein Spielzeug zerstört.
Oh, was war nun mit diesem mächtigen Stahlrumpf? Gegen den Eisberg gestoßen, wurde er verbogen und zerbrochen. Was für ein unsinkbares Schiff, durch modernste Technik perfektioniert … Im Meer versenkt durch eindringendes Eiswasser und explodierenden Dampf! Dieses Werk der Tausend geschäftigen Gehirne, die Myriaden Hoffnungen die es gebar – versunken, ganz tief unten!
Es ist einfach, Gott nur in den größeren Naturgewalten zu sehen; aber manchmal spricht er zu uns auch mit leiser Stimme. In der Nacht des Untergangs wurden Hunderte auf diese Weise angesprochen. Als der riesige stählerne Leviathan in den Fluten versank, hörten die in den Rettungsbooten entkommenden nach dem Donner des zerbrechenden Monsters und dem Rauschen des über ihm zusammenfließenden Wassers einen sanften Klang, eine triumphierende Hymne. Der Mensch hat aufgehört, sein Werk zu preisen und sich zu Gott gewandt.
Der Mensch mag Großes erschaffen, wenn er seine Titanics baut und vom Stapel lässt, aber nur wenn er weltlichem Pomp und Macht abkehrt, kann er Erhabenheit erreichen. Die manschen auf dem Schiff haben dieses Ziel erreicht. Das Erwachen kam, als die Männer des Intellekts und weisen Worte, von adliger und ehrenhafter Herkunft, zusammen mit den Dritte-Klasse-Passagieren Passagieren überwachten, dass alle Frauen und deren Kleinen sicher in die Boote kamen. Sie taten dies besonnen und ruhig während der Dampfer sank und das Wasser ihnen jeden Augenblick näher bis zur Brust reichte. Sie zeigten nur wenig Angst; Besonnenheit war ihre Berufung. Captain Smith hingegen hatte Angst, aber nur um all diese wertvollen Wesen für die er zu sorgen hatte. Und wie gekonnt männlich hielt er die Gefahr auf einem Minimum, bis die ersten Welle über Deck krochen und die schreckliche Wahrheit ans Licht brachten. Das war der Moment, in dem die Panik kam! Welch Schreie man hören konnte! Welch eine Liebe wurde gezeigt, als Männer und Frauen sich weigerten, in die Rettungsboote zu gehen, nur um nicht getrennt zu werden. Was den unweigerlichen Tod bedeutete. Doch die Helden der Titanic blieben während all diesen Schreckens standhaft, keine Verzweiflung, keine Schreie. Und dann, als alles getan war, als das letzte voll beladene Boot sicher zu Wasser gelassen war, als das eisige Wasser in der Dunkelheit immer höher kroch, sprachen die freiwillig den Tod erwartenden die Worte »Niemand hat mehr Liebe, als derjenige, der sein Leben für seine Freund lässt«. Dann wendeten sie sich Ihm zu, der über das Wasser zu einem sinken Schiff laufen kann, und sangen ekstatisch die einfache Hymne der Gnade: » Nearer, My God, to Thee, nearer to Thee»! «
Dies versichert ein ums andere mal die Überlegenheit des Menschen über andere Kreaturen – allein er ist in der Lage, immer wieder zum unsichtbaren Schöpfer hinter allem zurückzukehren. Auch wenn er sich selbst mit den grimmigen Titanen der Elemente misst und sich selbst zum Schöpfer von Spielzeug-Titanen macht, so wie das zerschlagene Schiff, die der Gnade der See und des Himmels ausgeliefert sind – bei jeder neuen Katastrophe, die sein Werk zunichte macht, wendet er sich erneut dieser einen Macht zu, die man sich nur vorstellen aber nicht sehen kann. Und zeigt, das Gottes Liebe zu ihm weder durch den Tod noch das Leben, weder durch Engel, Gesetze, Mächte, weder durch das Heute noch das Morgen, weder durch Höhen oder Tiefen, noch durch andere Lebewesen zerstört werden kann.
Die Grafik offenbart das Verhältnis des Verlustes an menschlichem Leben zwischen den Klassen und Geschlechtern
Die Geschichte der Titanic
DIE »UNSINKBARE« TITANIC STREIFT EINEN EISBERG UND SINKT – HUNDERTE MUSSTEN EINEN PLÖTZLICHEN UND SCHRECKLICHEN TOD STERBEN, DA NICHT AUSREICHEND RETTUNGSMÖGLICHKEITEN VORGESEHEN WAREN – DIE FAKTEN ZUM UNTERGANG
Die mächtige Titanic – der Triumph des Schiffbaus – und glückliche Menschen voller Vertrauen, gespannt auf ihre erste Fahrt und den zu vollbringenden Geschwindigkeitsrekord an Bord* traten ihre Reise über den ruhig und glatt daliegenden Atlantik an. Mitten im vergnüglichen Zeitvertreib oder im angenehmen Traum kam der erste Schreck: das Glitzern eines Eisberges, nur wenige Minuten des Unglaubens … Und dann der unbeschreibliche Horror! Der Titan der Natur und der Titan der Mechanik trafen sich inmitten des Ozeans. Der Eisberg riss die Schiffsseite auf* und entblößte die Kessel dem Eiswasser, brachte sie zur Explosion und stürzte Hunderte von Menschen in nur zwei Stunden in den Tod.
Dies ist die tragische Geschichte des wunderschönen Ozean–Palasts, der am 10. April 1912 so erhaben seine Jungfernfahrt antrat und nun begraben unter 2.000 Faden Wasser liegt, zusammen mit 1595 unglücklichen Passagieren.
Wir kennen kein ungeheuerlicheres Unglück, keinen vergleichbare Geschichte über menschliche Aufopferung und Heldentum.
Die Titanic war das Maximum der Schiffsbaukunst, mit einer unfassbar luxuriösen Ausstattung, wunderschönen Salons, Lesesälen und Lounges, Palmengärten, Türkischen Bädern, privaten Bädern, Sportbereichen, Swimmingpool, Tanz- und Billiardsaal – alles, was man sich vorstellen kann, um eine Riese komfortabel zu gestalten. Man hielt ihre Konstruktion für perfekt, die Passagier glaubten fest an ihre »Unsinkbarkeit«. Sie war fast vollständig ausgebucht, es waren – wie generell erklärt wurde – 2.340 Personen an Bord, inklusive der Crew, aber es gab nur zwanzig Rettungsboote – sechzehn kleinere und vier Faltboote. Platz für gerade einmal ein Drittel der Passagiere. Unter diesen waren einige der wohlhabendsten und prominentesten Menschen auf beiden Seiten des Atlantiks: John Jacob Astor, Major Archibald Butt, Benjamin Guggenheim, Isidor Straus, Charles M. Hays, Arthur Ryerson, Henry B. Harris, William T. Stead, Jaques Futrelle und viele andere, die ihr Leben gemeinsam mit den gewöhnlicheren Passagieren des »Zwischendecks«* lassen mussten.
Nach dem Sonntagabendkonzert am 14. April lagen die meisten Passagiere bereits zu Bett oder amüsierten sich noch in den Kartenspiel- oder Lesesälen. Einige flanierten auf Deck, um den wunderbaren Abend zu genießen – klar und mild, mit einem vollkommen ruhig daliegenden Meer. Plötzlich gab es einen leichten Ruck, so leicht, dass manch einer ihn erst gar nicht mitbekam. »Wir haben einen Eisberg gestreift, nichts Schlimmes«, war der übliche Kommentar der Männer, die nur kurz ihr Kartenspiel unterbrochen hatten. Das war um 23:40 Uhr. Viele gingen daraufhin zu Bett, ohne einen weiteren Gedanken an den Zwischenfall zu verschwenden. Der Eisberg wurde nur rund fünfhundert Meter voraus gesichtet, viel zu nah, um mit dem Schiff noch ausreichend reagieren zu können. Daher rauschte es ungehindert in die Eismasse, von der nur rund 25 Meter über der Wasseroberfläche ragten, während der Rest gefährlich weit in die Tiefe reichte. Der Aufprall war zu leicht, als dass er die ahnungslosen Passagiere hätte erschrecken können. Aber nichtsdestotrotz war es ein Todesstoß. Denn die Titanic , die von dem gewaltigen Drehmoment ihrer Maschinenkraft mit 21 Knoten* vorangetrieben wurde, touchierte einen messerscharfen Vorsprung und schlitzte sich die Bordwand auf. Dies leitete ihren Untergang ein. Das Eiswasser drang ein und traf auf die unter Hochleistung laufenden Heizkessel und brachte diese schließlich zur Explosion brachte. Innerhalb von anderthalb Stunden nach dem Zusammenstoß mit dem Eisberg sank sie auf den Meeresgrund.*
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