Sie werden merken, dass die Bedeutung des Wortes bedeutungslos wird.
Sprechen Sie Ihr Mantra laut aus! Dann passieren zwei kraftvolle Dinge: Der Verstand ist auf nette Weise gezwungen, zu enträtseln, womit Sie ihn gerade füttern, und gleichzeitig kommt Ihnen die Vorstellung Ihrer eigenen Wichtigkeit abhanden. Was ist das wert?
Eines meiner Lieblingsmantras murmelte ein tibetischer Mönch vor sich hin, mit dem ich von Hongkong nach Lhasa reiste. Aus verschiedenen Gründen hatten wir zwei Tage lang nichts Richtiges gegessen. Die letzte Etappe der Reise war die Fahrt vom Flughafen zur Stadt, 90 Kilometer in einem überfüllten Zwölfsitzer-Bus.
Weil ich neben ihm saß, hörte ich ihn ein Mantra flüstern. „Was“, so fragte ich müde, hungrig und ein wenig respektlos, „ist denn das Mantra für heute?“
Mit breitem Lächeln sprach er lauter: „Om lunch. Om lunch. Om lunch.“ Auf Deutsch: Om Mittagessen. Om Mittagessen. Om Mittagessen.
Das Mantra hält unseren Verstand beschäftigt, während das Leben stattfindet.
John Lennon sagte einmal „Leben ist das, was geschieht, während man eifrig andere Pläne schmiedet.“
Es ist nicht wichtig, unbedingt eine vollständige, wissenschaftliche Beschreibung für unseren wirkenden Verstand zu finden. Lassen Sie uns für unsere Zwecke einfach sagen: Er ist der Teil von Ihnen, der Ihnen mitteilt, dass Sie Hunger haben, schwitzen oder frieren, wütend oder gelangweilt sind … oder irgendwelche andere Überlebensmechanismen, die meist ohne unsere bewusste Zustimmung mit uns geschehen. Man könnte sagen, er hat seinen eigenen Kopf und regt sich mächtig auf, wenn Sie ihn bitten, die Klappe zu halten und Ihnen ein wenig Ruhe und Frieden zu lassen.
Es geht darum, den ruhelosen Verstand zu überflügeln. Wir müssen ihn von einer anderen Seite packen.
Wie ein Spion in der Nacht schleichen wir uns am besten an und geben ihm etwas, was seine Aufmerksamkeit ablenkt, während wir zum Kern unserer Wünsche vordringen.
In den folgenden Kapiteln kommen wir auf die Verwendung von Mantras zurück.
Bis dahin ist hier eines, das nicht nur gut ist fürs Gehirn, sondern auch unglaublich nützlich, um Unsicherheit zu überwinden, Selbstzweifel und das ständige Gefühl der Erfolglosigkeit. (Das klingt jetzt aber beinahe wie die Verschreibung eines bekannten Bach-Blüten-Mittels!)
Es lautet:
„Ich tue mein Bestes, so gut ich kann.“
Wenn immer ich das Gefühl habe, etwas nicht so gut gemacht zu haben, wie ich es gern gemacht hätte, sage ich mir: „Ich tue mein Bestes, so gut ich kann“, im Flüsterton (damit mich niemand hört – ich möchte ja nicht, dass man mich für völlig gestört hält!).
Egal, was Sie jetzt dazu sagen, Sie werden Ihren Alltag anders erleben.
Hier ist noch ein Mantra zum Aufschreiben und Üben. Probieren Sie es unbedingt aus:
„Ist das nicht interessant?!“
Beobachten Sie, wie es sofort seine Wirkung entfaltet, wenn Sie einen Streit schlichten wollen oder wenn Sie sich wundern, warum das Pech gerade wieder Sie Unglücksraben ereilt.
„Wie interessant, dass ich auf meinen besten Freund wütend bin.“
„Wie interessant, dass mein Chef nicht sieht, wie wertvoll meine Arbeit für die Firma ist.“
In meinen Seminaren schlage ich den Teilnehmern vor, diese nützliche Übung regelmäßig zu verwenden. Ja, ich habe auch schon oft gesagt, ich hätte gern diesen Spruch „Ist das nicht interessant“ auf meinen Grabstein gemeißelt.
Bei mir zeigte sich die „Präzession“ (siehe oben) so:
Kurz nach der denkwürdigen Begegnung mit Tulip in Melbourne bekam ich meinen Traumjob. (Tulip sei Dank!) Das war ein Arbeitsplatz, für den man – so sagt man bei uns – seinen linken Arm opfern würde. (Oder, falls Sie Linkshänder sind, … ach, vergessen Sie’s!)
Künstlerischer Direktor für Grafik bei GTV9, Australiens bedeutendstem privaten Fernsehsender.
Das waren noch Zeiten … Schwarz-Weiß-Tage in mehrfacher Hinsicht. Alles war neu. Das war lange, bevor der alles verschlingende Kommerz überall maßgebend wurde. Wir hatten im Wesentlichen völlige Freiheit und machten, was uns gerade einfiel.
Wir schürften in unserer eigenen Diamantenmine und schöpften aus dem Vollen.
Ich kann das sogar an einem genauen Datum festmachen, denn ich war an der Sendung zur ersten Mondlandung mit Neil Armstrongs Mondspaziergang beteiligt. Unsere Abteilung war, ebenso wie die Techniker, monatelang mit den Vorbereitungen beschäftigt.
Wegen der Position des Mondes zum Zeitpunkt der historischen Mondbegehung wurde – was kaum bekannt ist – die gesamte Mondübertragung von GTV9 in Melbourne aufgenommen und von dort nach Houston/Texas und in die ganze Welt übermittelt.
Sie können sicher sein, dass ich im Kontrollraum war, als dieses Ereignis geschah. Damit gehörte ich für ein paar Mikrosekunden lang zu den allerersten vier Menschen weltweit, die den Mann auf dem Mond sahen!!
Beim Fernsehen zu sein gab mir mehr, als ich mir je hätte träumen lassen. Es bot mir die Gelegenheit, eine ungewöhnliche englische Ärztin kennenzulernen, die ein Kollege damals interviewte.
Dr. Nell Holmes war nicht irgendeine Ärztin. Sie hatte im Vereinigten Königreich durch ihre natürliche Fähigkeit, Menschen zu heilen, und durch ihre Erfolge bei hartnäckigen Patienten Neid und Misstrauen ihrer Kollegen auf sich gezogen. Es blieb ihr kaum etwas anderes übrig, als zur Rechtfertigung eine Ausbildung in geistigem Heilen (in Verbindung mit Numerologie) anzugehen; und das wiederum stellte ihre eigene Welt im wahrsten Sinn des Wortes auf den Kopf, als sie einen Ruf nach Tasmanien annahm und dort Vorlesungen über ihre Arbeit hielt.
Der Empfang war, glaube ich, überwältigend. Jedenfalls beschloss sie, sich in Melbourne anzusiedeln, und wohnte in einer gepflegten Nachbarschaft, umgeben von Wildblumen und gebildeten Menschen.
Mit meiner Frau Dinah und meinen beiden Kindern machten wir gerne Ausflüge zu ihrer „Ranch“ und verbrachten gemeinsam einen netten Sonntagnachmittag.
Doch kein einziges Mal erwähnten wir, dass mein sechsjähriger Sohn Craig seit seiner Geburt auf dem linken Auge blind war. Verschiedene Ärzte hatten uns gesagt, dass diese Fehlsichtigkeit aufgrund fehlender Nervenenden nie korrigiert werden könne.
Es war ja nicht so, dass wir gar nicht daran dachten, doch um im Alltag zu bestehen, muss man eine solche Diagnose zu einem gewissen Grad verdrängen. Aus irgendeinem Grund, der mir nie ganz klar war, fragte ich an einem sonnigen Tag, nachdem Nell Plätzchen und englischen Tee serviert hatte: „Kannst du dir mal Craigs Auge anschauen?“
Noch während ich dies schreibe, habe ich ihr seltsames leises Lächeln vor Augen. Als hätte sie uns die ganze Zeit die Schokolade vorenthalten. „Ich kann nur helfen, wenn jemand um Hilfe bittet“, erklärte sie.
Draußen zirpten die Zikaden und ein paar Kängurus hüpften am offenen Fenster vorbei, während Nell mit zwei Fingern irgendeine Stelle an Craigs Hinterkopf rieb. „Ah“, meinte sie, „da ist es ja.“
Einen Augenblick war Pause, dann wandten wir uns wieder unserer Unterhaltung, dem Tee und den Keksen zu.
Am nächsten Morgen kam Craig zu uns ins Bett geklettert. „Mama, Papa“, sagte er, „ich sehe mit diesem Auge!“
Ist das etwa ein Wunder oder was sonst?
Er konnte nun mit seinem „blinden“ Auge Umrisse und Farben sehen. Wir waren überwältigt und überglücklich. Das einzig Beunruhigende an der Sache war, dass Nell, nachdem sie Craig geholfen hatte, sich zu mir wandte und sagte: „Du kannst das auch. Irgendwann wirst du so etwas machen.“
Ich möchte in aller Deutlichkeit klarstellen, dass ich mir das absolut nicht hätte vorstellen können; unter keinen Umständen.
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