Die Erziehung bestand darin, dass Arco gelobt wurde, wenn er etwas richtig machte, ein Leckerchen bekam, wenn er ein Kommando befolgte und gesagt bekam, dass bestimmte Verhaltensweisen inakzeptabel seien, zum Beispiel, wenn er die Tapete anfraß, das Blumenbeet umpflügte oder sonstige Dinge tat, die ein Welpe eben so tut, während er heranwächst.
Wir Kinder, es gab außer mir noch einen damals siebenjährigen Bruder, wurden angeleitet, den Hund immer fair und freundlich zu behandeln. Der Leitspruch unserer Eltern war: Behandle den Hund (später die Hunde, denn es kamen noch einige hinzu) immer so, wie Du selbst behandelt werden möchtest. Ich erinnere mich noch genau, wie ich mich eines Tages lauthals plärrend bei meinem Vater darüber beklagte, dass Arco mich gezwickt hatte, worauf dieser nur in aller Ruhe antwortete, da werde der aber sicher einen Grund dafür gehabt haben. Natürlich bestritt ich dies energisch, aber auf bohrende Nachfragen meines Vaters gab ich dann doch zu, dass ich Arco frisiert und dabei vielleicht im Fell geziept hatte, als ich ihm die Zopfspangen meiner Puppe einflechten wollte. Mein Vater erklärte mir, dass der Hund sich in diesem Moment etwa so gefühlt hatte wie ich, wenn meine Mutter mir morgens die langen Haare bürstete und mir dabei – wenn auch nicht absichtlich – weh tat. Das leuchtete mir ein und so erklärte ich meiner Mutter am nächsten Tag, dass ich „Abschnappen“ würde, falls sie mir beim Kämmen weh täte. Das sei ein ganz normales Verhalten bei Hunden und da wir Kinder ja davon ausgehen sollten, dass sich Kinder und Hunde sehr ähnlich seien und etwa gleich empfinden und reagieren würden, müsse sie ab jetzt vorsichtig sein, wenn sie nicht meine Zähne in ihrer Hand spüren wolle. Kindliche Logik. Nach längerer Debatte entschieden wir uns für eine Kurzhaarfrisur für mich und so wurden meine Haare kurz nach Arcos Ankunft in unserem Haushalt abgeschnitten. „Ja, so was kommt von so was.“, sagte meine Großmutter immer oder „Ein Hund verändert Dein Leben.“
Aus heutiger Sicht hat Arco in seiner Welpen- und Junghundezeit die Höhen und Tiefen kennen gelernt, die ein ganz normaler Haushund mit einer Familie durchlebt, die sich durchschnittlich begabt bei der Haltung ihres ersten Hundes anstellt. Eine Hundeschule, Welpenspielgruppe oder Ähnliches besuchte er Zeit seines Lebens nie und manchmal frage ich mich, ob er vielleicht gerade deshalb ein so unkomplizierter und freundlicher Hund wurde?! Aber mehr dazu im Kapitel über Hundeschulen und Welpenspielgruppen weiter hinten im Buch…
Arco ist längst verstorben, andere Hunde lebten mit uns, inzwischen gründete ich eine eigene Familie, die ebenfalls aus Menschen und Hunden besteht und aus meiner kindlichen Begeisterung für diese wunderbaren Tiere wurde zuerst ein Hobby und dann mein Beruf. Seit mehr als 15 Jahren arbeite ich nun als Trainerin und habe viele Welpen in meiner Hundeschule betreut, sie mit aufwachsen sehen und in einigen Fällen erlebt, wie sie nach der Blütezeit ihres Lebens langsam alt wurden und schließlich starben. Doch nicht allen Welpen war es vergönnt, in ihren Familien glücklich zu werden und viele Male habe ich bei der Vermittlung in ein neues Zuhause geholfen, weil die „frisch gebackenen Hundeeltern“ vollkommen überfordert mit der Pflege, Aufzucht und Erziehung eines jungen Hundes waren.
Das Buch, das Sie nun in Händen halten, enthält viele der gemachten Erfahrungen und soll eine Anleitung für alle sein, die sich entweder überlegen, einen Welpen ins Haus zu holen oder dies bereits getan haben. Es ist so aufgebaut wie eine Beratung in meiner Hundeschule. Stellen Sie sich vor, Sie säßen jetzt vor mir im Besprechungszimmer, vor Ihnen auf dem großen Buchentisch stünde eine Tasse heißer Tee und ich würde Ihnen alles erzählen, was ich im Zusammenhang mit der Aufzucht, Anschaffung, Pflege und Erziehung eines Welpen als Basiswissen an Sie weiter geben möchte.
Wenn Sie dieses Buch gelesen haben, werden Sie hoffentlich viele gute Ideen, Anregungen und Tipps gefunden haben. Gesagt ist dann aber längst noch nicht alles. Lassen Sie Ihren Welpen zu Wort kommen, denn er weiß noch einiges mehr zu berichten…
Einen Welpen groß zu ziehen ist eine wundervolle und zugleich gewaltige Aufgabe – und genau das gilt es zu bedenken. In der Regel denken Menschen aber über die Anschaffung eines Welpen nach, während sich in ihren Gedanken niedliche Bilder von kleinen, putzigen Hundekindern auftun, die sie unschuldig, verträumt oder auch mal etwas schelmisch anschauen. Mit diesen Bildern im Kopf suchen sie sich einen Welpen aus, nehmen ihn mit nach Hause – und erfahren, dass die Ernüchterung auf dem Fuße folgt.
Denn selbstverständlich ist es so, dass ein Welpe uns anrührt, wir ihn niedlich finden und am liebsten hegen und pflegen möchten, denn durch das von Konrad Lorenz beschriebene Kindchenschema im Aussehen werden unsere elterlichen Instinkte wach gerufen. Aber zu einer guten Aufzucht und Erziehung eines Hundekindes gehört viel mehr, als ihn niedlich zu finden, ihm Futter und Wasser bereit zu stellen und ab und zu mit ihm raus zu gehen. Da viele Hundehalter dies aber erst bemerken, wenn der kleine Kerl bereits seit einiger Zeit bei ihnen lebt, kommt es dann leider allzu häufig zu einer Rückgabe des jungen Hundes, weil sie sich schlichtweg überfordert fühlen.
Damit Ihnen das nicht passiert, möchte ich Ihnen raten, die Anschaffung eines Welpen noch einmal zu überdenken, auch wenn Sie dieser Rat als Einleitung zu einem Buch über Welpen vielleicht überraschen mag. Denn es gibt viele gute Gründe, sich für einen ganz jungen Hund zu entscheiden – aber auch einige dagegen. Betrachten wir letztere genauer.
Ich würde Ihnen zum Beispiel von der Anschaffung eines Welpen abraten, wenn ein oder mehrere Kinder unter fünf Jahren in Ihrem Haushalt leben. Die Erfahrung zeigt, dass die sorgfältige Erziehung eines oder mehrerer kleiner Kinder sehr viel Zeit, Mühe, Arbeit und Geduld erfordert. Als liebevolle Mutter oder Vater werden Sie all das sicher gern investieren, aber die Frage ist, ob dann noch ausreichend viel Energie, Zeit und Geduld dafür übrig bleibt, ein weiteres Baby, das noch dazu einer anderen Art angehört und daher ganz andere Bedürfnisse hat, aufzuziehen. Zusätzlich handelt es sich um ein Baby, das sich rasend viel schneller entwickelt als der eigene Nachwuchs – was den Vorteil hat, dass der Hund schneller aus den sehr pflegeintensiven Phasen herauswächst, aber auch den Nachteil, dass diese Phasen in ihrer Kürze sehr viele richtig gesetzte Lernreize beinhalten müssen, damit der Welpe sich dann auch zu dem ausgeglichenen, gut sozialisierten, erwachsenen Hund entwickelt, den Sie sich wünschen.
Es gibt viele unterschiedliche Überlegungen diverser Autoren und Kynologen dazu, was in diesen Entwicklungsphasen passiert und wann genau sie stattfinden. In Anlehnung an die Einteilung von Feltmann-v. Schröder hier eine kurze Beschreibung, die Ihnen einen Überblick darüber verschafft, wie schnell ein Hund heranwächst und wie viel er dabei über seine belebte und unbelebte Umwelt lernen muss, damit er sich später problemlos darin zurecht findet.
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