Wie wird man wieder vollständig?
In der wunden Phase des Liebeskummers geht es darum, die zwei Leben zu entflechten. So beschreibt es Elena Stancanelli in ihrem Roman »Die nackte Frau«, der Geschichte einer Verlassenen. Wenn man sich trenne, werde man nicht wieder zu der, die man vorher war, sondern zu einem neuen Menschen: zu dem, »der übrig bleibt, nachdem man mit viel Zeit und Geduld das Geflecht einer zu Ende gegangenen Liebe aufgelöst hat. Einiges bleibt natürlich trotzdem hängen. Und jedes Mal, wenn du das merkst, jedes Mal, wenn du eine Geste machst oder eine Wendung benutzt, die von ihm, von euch beiden stammt, erschauerst du.«
Nie sei man so verletzlich, als wenn man liebe, hat Sigmund Freud gesagt. Und man ist nie so einsam, als wenn es zu Ende ist. Der Trost von Freunden erreicht einen nicht, denn was können sie sagen? Sätze wie »Du wirst sie vergessen« oder »Das Leben geht weiter« sind das Letzte, was man in dieser Situation hören möchte. Wer Liebeskummer hat, will eine Liebe gerade nicht aufgeben. Man halte die Bindung für den einzigen Rettungsanker, heißt es in »Die nackte Frau« weiter, dem Erfolgsbuch aus Italien: »Wenn ich loslasse, denkt man, treibe ich davon, in irgendeinem Meer, unter irgendeinem Himmel.« Dabei treffe das Gegenteil zu: »Gerade wenn man sich festklammert, wird man fortgetrieben.«
Diese Erkenntnis kommt jedoch erst später. Bis dahin helfen Tabletten, Alkohol, Sport, ein Haustier, traurige Musik oder Alain de Bottons »Trost der Philosophie«, daraus besonders Schopenhauer für gebrochene Herzen. Solche Mittel nützen mehr, als das Mitgefühl von Freunden hilft, welche nur erahnen können, wie es um einen steht.
Doch irgendwann ist es so weit: Man hält sich nun das Gute der Trennung vor Augen und deutet sie zum Vorteil um.
So wie Nicole Kidman, als sie sich 2001 von Tom Cruise trennte und auf die Frage des Talkmasters David Letterman sagte: »Well, I can wear heels now.«
Man hat es geschafft.
DAS VERSCHRAUBTE
GLÜCK
Eine Psychologin nannte Ikea einmal »Landkarte der Beziehungsalbträume«, und die meisten dürften wissen warum. Da geht man immer schön den Pfeilen nach, setzt sich auf fünf Sofas zur Probe, biegt dort zu den Betten ab, rümpft die Nase, zerrt ein Leintuch aus dem Stapel, Moment! – schau mal diese Lampen. Der eine geht vor, der andere trottet hinterher, Nein, vergiss das! Und weiter. Im Kinderzimmer kommt es zum Streit, das Tischset wird zurückgelegt. Am Schluss sind beide müde und gereizt, jetzt nichts wie auf die Zielgerade und dem Ausgang zu.
Doch da beginnt es ja erst. Während zu Hause der eine die Gebrauchsanweisung für den Schrank vorliest, schraubt der andere die Bretter zusammen. Zumindest versucht er es. Lass mich mal machen! Sagst du damit, ich hätte zwei linke Hände?
Auch an solche Momente ist zu erinnern, wenn man dem verstorbenen Ikea-Gründer Ingvar Kamprad gedenkt. Der Einkauf im Möbelhaus stellt Beziehungen auf die Probe, deckt verborgene Seiten am andern auf, lässt Frischvermählte aneinander zweifeln. Und macht Psychologen reicher: Immer wieder würden Paare in ihrer Praxis von Konflikten beim Ikea-Besuch erzählen oder von der Krise danach, sagt Ramani Durvasula, die erwähnte Therapeutin. Sie fragte sich, warum der Besuch des Möbelhauses so belastend ist, und betrieb in den Läden etwas Feldforschung. Dort traf sie auf Paare, die sogar thematisch streiten. Im Schlafzimmerbereich geht es um Sex, bei den Küchen wirft man sich Fehler in der Haushaltführung vor.
Wie kommt es, dass etwas, das eigentlich verbindend wäre und im wahrsten Sinn beziehungsaufbauend so zum Stresstest wird? Das Magazin »The Atlantic« fragte weitere Fachleute nach den Gründen.
Im Showroom trifft ein Geschmack auf den andern. Da heute schon ein Sideboard Ausdruck der Persönlichkeit ist, fühlt man sich schneller angegriffen, wenn etwas nicht gefällt. Ist er für das Malsjö und sie für das Bestå, stellen sich grundsätzliche Fragen: Wollen wir dasselbe Zuhause? Das gleiche Leben? Wer bist du überhaupt? Zudem hat jeder sein eigenes Tempo, dem es sich beim Spaziergang durch die Möbelwelt anzupassen gilt.
Zu Hause geht es weiter. Macht man sich am selben Tag ans Zusammensetzen, sind die Nerven bereits aufgebraucht. Gelingt einem bei der Montage nicht auf Anhieb, was in der Anleitung so einfach klingt, wird ein Schuldiger gesucht. Oft verflucht man die Anleitung, manchmal ist es aber auch praktisch, dass der assistierende Schuldige neben einem steht. Es geht um Macht, und wer die Führung übernimmt. Besser, ihn dann nicht auszulachen, wenn man von den Stühlen rutscht, weil er die Sitzfläche falsch herum montiert hat.
Das leuchtet alles ein. Doch etwas haben die Verhaltensforscher nicht herausgefunden, und ich rede hier aus eigener Erfahrung. Nämlich, wie eng einem werden kann beim Gang durch das saubere aufgeräumte Ikea-Dasein. Das schlägt am stärksten auf die Stimmung. Die drapierten Kissen auf den Polstergruppen, die Vasen in der Glasvitrine: Läuft ein Paar nicht in die Falle, wenn es so ein Ziel anstrebt? Sich einzurichten heißt, angekommen zu sein. Der Liebe aber genügt eine Matratze. Es konnte kein Zufall sein, dass der klassische Ikea-Rollwagen mit den vielen Schubladen Helmer heißt. So heißt auch das Ehepaar in »Nora oder Ein Puppenheim« von Henrik Ibsen, einem Norweger zwar. In diesem Drama wird ein »gemütlich und geschmackvolles, aber nicht luxuriös eingerichtetes Zimmer« zum Ehegefängnis.
Das Romantischste am Einkauf bei Ikea ist, dass die Möbel so erschwinglich sind und es keine Gütertrennung braucht. Für den Fall einer späteren Scheidung.
DU STEIGST MIR
IN DIE NASE
Bei manchen Liebesgeschichten wird einem schlecht. Da lernt man jemanden kennen, findet ihn interessant, klug und schön, unterhält sich bestens. Doch nach der ersten gemeinsamen Nacht ist es gelaufen. Man kann den anderen nicht riechen.
Die Nase ist ein unterschätztes Organ. Müsste man sich entscheiden, ob man lieber das Augenlicht oder den Geruchsinn verlöre, würde man eher auf das Riechen verzichten, als blind zu sein. Man zöge auch das Hören dem Riechen vor. Das ist, nun ja, kurzsichtig: Denn die Nase entscheidet mit, ob jemand zu einem passt. Wenn man den Partner und seinen Eigengeruch nicht am liebsten inhalieren möchte und davon high wird – ja, was soll dann werden? Man beschnuppert die Haut des andern, atmet seinen Atem ein, wühlt die Nase in sein Haar, liegt in seinem Schweiß. So muss es sein.
Weil zumindest die Wissenschaft weiß, wie uns unsere Nase durchs Leben führt, betreibt sie rege Forschung auf dem Gebiet. So hat vor Kurzem ein Team an der Universität Bern herausgefunden, dass der Geruch von Frauen an ihren fruchtbaren Tagen Männer besonders betört. Man ließ die männlichen Probanden an den Baumwolltüchern riechen, die Frauen während ihres Eisprungs nachts in ihre Achselhöhlen legten. Fast ausnahmslos rochen die Männer die Frauen am liebsten, die einen hohen Östrogenspiegel aufwiesen. Vom weiblichen Sexualhormon wird in der fruchtbaren Phase am meisten produziert. Das zog die Männer an.
Was mich an solchen Befunden immer erstaunt – wie dankbar sie wiedergegeben werden. Als böten sie nun eine Erklärung für alles. So lesen Männer ja angeblich auch an erweiterten Pupillen ab, wann eine Frau empfängnisbereit ist. Doch Studien, die Begehren allein mit Biologie erklären, verleiten zu einer reduktionistischen Sicht. Warum sich ein Mann am liebsten in der Achselhöhle einer Frau verstecken möchte, das ist nicht auf die Essenz »Reproduktionsfähigkeit« zu reduzieren, sondern hat viele Nebennoten.
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