Zuerst hatte mein 19-jähriger Sohn einen schlimmen Skateboard-Unfall, bei dem er ein massives Schädel-Hirn-Trauma erlitt. In der Klinik lange Nächte voller Panik an seinem Bett zu wachen, zählt zu meinen schlimmsten Lebenserfahrungen. Es folgten angsterfüllte Wochen, Monate und Jahre, in denen er um einen voll funktionierenden Körper rang. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich gerade mein Blum Center for Health eröffnet, wo meine Patienten unter demselben Dach nicht nur nach aktuellsten Erkenntnissen der funktionellen Medizin behandelt werden konnten, sondern auch die erforderlichen Lebensstilveränderungen für ihre Genesung lernen sollten. Wir hatten ein Komplettangebot von der Kochschule bis hin zu Angeboten für Körper, Geist und Seele entwickelt. Obendrein schrieb ich gleichzeitig an meinem ersten Buch. Die Eröffnung des Gesundheitszentrums und die Arbeit als Autorin beflügelten mich, doch beides waren umfangreiche Projekte, und am Ende ist auch positiver Stress eben doch nur Stress.
Ich war derart ausgelastet, dass ich nicht mehr regelmäßig meditierte, obwohl mir das seit Jahren gutgetan hatte. Bald achtete ich auch weniger konsequent auf meine Ernährung, aß kleine Mengen Milcherzeugnisse und glutenhaltige Speisen und trank mehr Alkohol und mehr Kaffee. Hinzu kam, dass ich immer seltener Gelegenheit zu Sport, Yoga und langen Spaziergängen in der Natur fand, mit denen ich zuvor regelmäßig für Ausgleich gesorgt hatte. Kurzum: Ich kümmerte mich nicht mehr um mein eigenes Wohl.
Wenn nun der Unfall meines Sohnes das einzige schlimme Ereignis geblieben wäre, wäre ich sicher wieder zur Vernunft gekommen und hätte zu der ausgezeichneten Selbstfürsorge zurückgefunden, die ich so lange schon praktizierte. Dann jedoch erlag mein Vater unerwartet einem schweren Schlaganfall. Der Schock, ihn so plötzlich im Alter von 77 Jahren zu verlieren, sowie der nachfolgende Konflikt zwischen meiner Mutter und einigen Geschwistern waren äußerst schmerzlich. Es folgte ein sehr anstrengendes Jahr. Wie viele andere Frauen wusste auch ich, dass meine Familie mich brauchte. Also riss ich mich zusammen, um allen anderen beizustehen. Ich arbeitete weiter, behandelte Patienten und führte das Blum Center for Health. Ich beherrschte meine Gefühle, tröstete meine Kinder, die ihren geliebten Großvater verloren hatten, und bemühte mich, mit dem Rest der Familie all die Dinge zu klären, die nach dem Tod eines Angehörigen aufkommen.
Nachdem jedoch die akuten Ereignisse bewältigt waren und sich alles wieder beruhigte, zeigten sich die Nachwehen dieser Belastung. Die Symptome enthüllten, dass ich auch körperlich gelitten hatte. Meine Verstopfung und die Blähungen kehrten zurück, und mir fiel auf, dass drei meiner Finger zeitweise schmerzten, wenn ich sie krümmte oder zusammendrückte. Manchmal wirkten sie auch geschwollen. Ich achtete nicht weiter darauf. Eines Morgens jedoch war mein linkes Auge beim Erwachen knallrot und schmerzte. Das erschreckte mich sehr. Der Augenarzt stellte eine Episkleritis fest, eine Entzündung einer dünnen Bindegewebsschicht (Episklera), die zum weißen Teil des Auges gehört. Als ich mich näher damit befasste, zeigte sich, dass diese Erkrankung mit Gelenkentzündungen in Verbindung stehen kann, insbesondere mit rheumatoider Arthritis.
Ich gehe davon aus, dass meine Episkleritis durch den traumatischen Stress ausgelöst wurde, dem ich damals ausgesetzt war. Seelische Verletzungen und Stress gehören zum Leben. Wir verlieren Eltern und Geschwister. Manche Menschen verlieren Kinder, viele machen eine Scheidung durch oder werden arbeitslos. Dass traumatische Ereignisse und Krankheit zusammenhängen, ist keine große Überraschung.
Wie ich letztlich meine Gelenkentzündungen in den Griff bekam, erfahren Sie in Kapitel 8, „Stress und Trauma als Entzündungsfaktoren“, und in Kapitel 9, „Meine Geschichte: Wie alle Elemente zusammenfanden.“ Die Kurzfassung lautet, dass ich meinen Darm sanieren und das psychische Trauma angehen musste. Ich musste an meinem emotionalen Wohlbefinden arbeiten, nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig, denn es sollte mir auf Dauer gut gehen. Anfangs konzentrierte ich mich auf meine Ernährung und nahm bestimmte Nahrungsergänzungsmittel zu mir. Außerdem achtete ich auf meine Psyche und meinen Umgang mit Stress.
Dass ich Ärztin bin, bedeutet nicht, dass ich im Handumdrehen wieder gesund wurde. Ganz und gar nicht. Doch diese Erfahrung und alles, was ich von meinen Patienten gelernt hatte, halfen mir, ein Behandlungskonzept für Arthritis zu entwickeln. Das Konzept ist so wirkungsvoll, dass sich meine Symptome schon in den ersten zwei Wochen deutlich besserten. Ich fühlte mich wieder deutlich gesünder, womöglich fitter denn je, und dies wiederum trug dazu bei, dass ich dieses Wohlbefinden langfristig erhalten wollte. Heute flackern meine Symptome nicht mehr auf, und ich kann mein Leben genießen (auch das gelegentliche Glas Wein) und Rückfällen vorbeugen. Das wünsche ich Ihnen ebenfalls.
Ehe ich die Arthritisbehandlung genauer erläutere, sollten wir klären, was Arthritis überhaupt ist. Über diese Erkrankung herrscht selbst unter den Betroffenen großes Unwissen. Die größte Fehleinschätzung ist, dass nur alte Menschen an Arthritis erkranken. Das stimmt leider nicht. 2010 bis 2012 gaben bei einer Umfrage in den USA 7,3 Prozent der 18- bis 44-Jährigen an, ein Arzt hätte bei ihnen Arthrose oder Arthritis diagnostiziert. In der Altersgruppe zwischen 45 und 64 Jahren erhöhte sich diese Zahl laut Angaben der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control und Prevention) auf 30,3 Prozent. Das sind knapp ein Drittel aller Erwachsenen mittleren Alters. Die zahlreichen Arthritisformen lassen sich grob den folgenden Hauptkategorien zuordnen.
1. Rheumatische Gelenkerkrankungen: Diese Kategorie umfasst diverse Autoimmunkrankheiten, von denen die rheumatoide Arthritis („Rheuma“) mit weltweit etwa 68 Millionen Betroffenen am bekanntesten ist. Rheumatoide Arthritis ist die häufigste Autoimmunerkrankung, von der im Laufe ihres Lebens etwa ein Prozent der Bevölkerung betroffen ist. Frauen erkranken etwa zwei- bis dreimal so häufig wie Männer. Innerhalb von zehn Jahren nach der Erstdiagnose einer rheumatoiden Arthritis können laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mindestens die Hälfte der Erkrankten keiner Vollzeittätigkeit mehr nachgehen. In diese Kategorie fallen auch andere autoimmunbedingte Gelenkentzündungen wie Psoriasisarthritis und ankylosierende Spondyloarthritis sowie Autoimmunerkrankungen wie Lupus, das Sjögren-Syndrom, Sklerodermie und Fibromyalgie, bei denen Arthritis häufig zum Symptomenkomplex gehört.
Hinzu kommen zunehmend undifferenzierte (oder nicht diagnostizierte) Gelenkentzündungen, bei denen die Testergebnisse keine klare Diagnose erlauben und die Ärzte nicht wissen, welche Form von Arthritis vorliegt. Die undifferenzierte Arthritis gilt somit als entzündlich bedingte Arthritis in einem sehr frühen Stadium. 30 Prozent der Betroffenen aus dieser Kategorie entwickeln langfristig eine rheumatoide Arthritis. Das unterstreicht, wie wichtig es ist, diese Beschwerden rechtzeitig mit einem Konzept wie meinem zu behandeln – ehe sie weiter fortschreiten. (Viele Patienten, die mich mit nicht diagnostizierter Arthritis aufsuchen, sagen, ihre Rheumatologen würden bei ihnen auf rheumatoide Arthritis im Frühstadium tippen und hätten ihnen daher starke Antirheumatika verordnet, obwohl noch keine eindeutige Diagnose vorläge.)
2. Arthrose (Osteoarthritis): Diese sehr häufige Arthritisform wird auch als degenerative Gelenkerkrankung bezeichnet und vielfach von Gelenkschäden infolge einer Verletzung oder wiederholten Belastungen (Verschleiß) ausgelöst. Solche Belastungen können auf Sport zurückgehen (zum Beispiel jahrelanges Laufen oder Tennisspielen), auf berufliche Überbeanspruchung (Tastaturschreiben, Knien als Fliesenleger) oder auf einen Unfall (ein gebrochenes Handgelenk bei einem Sturz). Doch nicht nur Verletzungen und Überlastung sind Risikofaktoren für Arthrose. Neuesten Untersuchungen zufolge haben starkes Übergewicht, Diabetes und eine Ernährung mit einem hohen Anteil an Zucker und entzündungsfördernden Fetten (gesättigte tierische Fette und stark verarbeitete, gehärtete Öle) einen noch größeren Einfluss auf die Entstehung dieser Erkrankung sowie auf die Schmerzintensität. Bei Arthrose sind normalerweise bestimmte Gelenkveränderungen auf dem Röntgenbild erkennbar.
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