Als Sonny sieben Jahre alt war, zog die Familie nach Los Angeles. Sein Vater Santo bekam einen Job als Fließbandarbeiter, und Sonny absolvierte in Inglewood die Schule. Wie bei Cher ging auch bei den Eltern von Sonny die Ehe bald auseinander. Das schreckte Sonny aber nicht davon ab, selbst sehr früh zu heiraten: Am 10. November 1954, mit 19 Jahren, ehelichte er eine gewisse Donna Rankin. Es war eine echte Liebesheirat, die Braut ein Jahr jünger als der Bräutigam. Die anfänglichen Befürchtungen von Sonnys Eltern, die beiden würden so früh heiraten, weil ein Baby unterwegs sei, erwiesen sich als falsch, Tochter Christy kam erst vier Jahre später zur Welt.
Salvatore Bono wollte »immer etwas tun, was mit Musik zu tun hat. Ich wollte Songs schreiben, ich wollte Geld verdienen«. Deshalb ging er von der High School ohne Abschlussprüfung ab: »Meine Eltern haben es mir übel genommen, sie fühlten sich enttäuscht von mir. Aber ich wollte es so.« Er wurde Laufbursche bei einem Krämer, dann Kellner und Gehilfe bei einem Fleischer. Eine Weile fuhr er auch Lastkraftwagen.
Im Grunde lief für ihn alles schief: Er hatte Jobs, die ihn schrecklich langweilten, Musik hörte er höchstens im Radio, wenn Bill Haley sein Rock Around The Clock sang, und Geld verdiente er auch viel zu wenig, um sich und seiner Frau einen ausreichenden Lebensunterhalt sichern zu können. Harold Battiste, ein ehemaliger Lehrer, arbeitete bei Specialty Records am Sunset Boulevard. Er war der erste, den Sonny um eine Chance bat. »Er blieb mit seinem Truck einfach vor meinem Büro stehen, kam herein, grüßte freundlich und begann mir von den Songs, die er geschrieben hatte und die er noch schreiben wollte, zu erzählen.«
Battiste war ein Vollblutmusiker. Zuletzt hatte er als Jazzer in New Orleans gelebt und er spürte sofort, wie besessen Sonny Bono von allem war, was mit Musik und dem Plattengeschäft zu tun hatte. »Dazu hatte er noch das, was man Charisma nennt. Er war sehr charmant, viel gewandter, als man das einem Truck-Fahrer zutraute, und er verstand es, wirklich jeden innerhalb kürzester Zeit von dem, was er sich in den Kopf gesetzt hatte, zu überzeugen. Es dauerte nicht lange und ich war felsenfest der Meinung, Sonny sei der beste Komponist weit und breit.«
Bei der Firma Specialty Records sah sich Sonny am Ziel seiner Wünsche, und er verstand es tatsächlich, Harold Battiste dazu zu bringen, ihm einen Job zu geben. Sonny Bono bewies mit der Zeit, dass er ein gutes Gefühl dafür hatte, welche Songs zu welchem Sänger passten, und so bekam er die Aufgabe, neue Kompositionen zu hören und gute Stücke dem einen oder anderen aus dem Stall von Specialty Records zuzuordnen. Ausgenommen davon war einzig Little Richard, der damals bereits so populär war, dass er als Star der Firma ein eigenes Betreuerteam hatte, das sich nur um seine Titel kümmerte.
Ein anderer Künstler von Specialty Records, aber lange nicht so berühmt wie Little Richard, war Sam Cooke. Sonny schlug ihm damals vor, das Lied I’ll Keep Coming Back to You aufzunehmen. Cooke akzeptierte, der Song wurde ein Superhit mit mehr als einer Million verkaufter Singles – und Sonny hatte seinen guten Riecher fürs Plattenbusiness bewiesen. Aber in Los Angeles genügte das damals allein nicht. Freunde, die ihn in den späten 1950er Jahren kannten, erinnern sich: »Vielleicht deshalb, weil Sonny die Leute im Gespräch so schnell überzeugen konnte, hatte er es so schwer – jeder erwartete nach seinen blumigen Worten weiß Gott was von ihm. Aber am Ende war er halt auch nicht der Tausendsassa, als den er sich gern hinstellte, sondern eher ein Luftikus.«
Er sah damals aus wie Millionen anderer junger Männer auf der ganzen Welt: Das relativ kurz geschnittene schwarze Haar mit Pomade nach hinten frisiert, Lederjacke, enge Jeans, spitze Schuhe. Harold Battiste: »Es gab Hunderte Sonnys in Kalifornien, und die meisten endeten in irgendeinem Krämerladen als Verkäufer.«
Jeden Cent, den er verdiente, steckte Sonny Bono damals in seine Karriere. Songs, die Battiste nicht akzeptierte, brachte er in zwei eigenen Firmen auf den Markt. Unter den Pseudonymen Ronny Sommers und Don Christy sang er auch selbst. Allerdings beachtete kaum jemand seine Platten. Ein Lied von ihm, She Said Yeah, war in der Urfassung ein ziemlicher Reinfall, wurde aber viele Jahre später, als die Rolling Stones den Song noch einmal einspielten, ein echter Hit. Ein anderes Lied von Sonny Bono aus der damaligen Zeit, das er mit Don und Dewey herausbrachte, Ko Ko Joe, wurde 1963 von den Righteous Brothers aufgenommen und platzierte sich als Remake gleich an der Spitze der Charts. Mag sein, dass Sonny Bono damals einfach dem Geschmack seiner Zeit voraus war und die Menschen nicht recht zu schätzen wussten, welche Ohrwürmer Sonny Bono ihnen servieren konnte.
Einmal, es muss 1958 gewesen sein, hatte Sonny Bono ein Schlüsselerlebnis. Er trat abends öfter mal in Konzerthallen auf, um seine Songs vor Publikum vorzutragen. »Und da saß ich in der Garderobe und an der Wand hingen Fotos von all den Stars, die schon mal da aufgetreten waren. Ich musste immer daran denken. Endlich kam ich an die Reihe, ging hinaus, nahm das Mikrofon in die Hand – und plötzlich war da wieder das Bild von Elvis Presley aus der Garderobe. Und im selben Moment war es mir, als säße ich jetzt da unten bei den Zuschauern und könnte mich selbst sehen. Und ich sagte mir, verdammt, Bono, willst du wirklich ein Sänger werden? Hast du ehrlich das Zeug dazu?«
Mit der Zeit wurde Sonny in der Plattenindustrie von Südkalifornien ein fester Bestandteil: ein Mann, der das Gespür für Lieder hatte und der vor allem seine Künstler besser »verkaufen« konnte als jeder andere. Wenn er von einem der viel gehörten Radiosender eingeladen wurde, über einen der Sänger von Specialty Records zu plaudern, konnte man sicher sein, dass am anderen Tag die Plattenverkäufe sprunghaft anstiegen. Sonny, das war ein Typ, der Eskimos Kühlschränke verkaufen konnte.
Genau so einen Mann suchte Phil Spector, der Besitzer von Philles Records. Viele der ganz großen Stars waren bei Philles Records unter Vertrag – The Crystals, Bob B. Soxx and the Blue Jeans, Darlene Love und natürlich The Ronettes.
Phil Spector selbst war ein genialer Geschäftsmann, er war knallhart, emotionslos, und er hatte wenige Freunde. Als der gebürtige New Yorker erkannte, dass die neue, erfolgreiche Musik in den 1950er Jahren im Westen der Vereinigten Staaten gemacht wurde, übersiedelte er mit seinem Büro nach Los Angeles. Seine Maxime lautete: »Es gibt nur zwei Menschentypen – Gewinner und Verlierer.« Er selbst zählte sich selbstverständlich zu den Gewinnern. Obwohl nicht mehr ganz jung, wirkte er immer noch jungenhaft, er war klein gewachsen, schlank, flink. Phil Spector strahlte in Verhandlungen eine eisige Kälte aus. Er hatte die Angewohnheit, seinen Gesprächspartnern nicht in die Augen zu sehen.
Spector machte seine besten Geschäfte mit schwarzen Musikern, er setzte schon früh auf Soul. Und sein Gefühl trog ihn nie. Als er mit seiner späteren Ehefrau Veronica Bennett Be my Baby aufnahm, »wusste ich bereits, dass das ein Welthit wird«, sagte Spector später.
Veronica – genannt Ronnie – war ein einfaches Mädchen aus Brooklyn, ehe Spector sie mit den Ronettes entdeckte und ihnen Musikstoff für eine Weltkarriere gab. Zusammen mit Ronnie waren noch ihre Schwester Estelle und die Cousine Nedra Talley aus Harlem bei den Ronettes. Die Mädchen hatten eine merkwürdig anmutende Angewohnheit: Sie nahmen ihre Platten nur in völlig abgedunkelten Studios auf. Ronnie Spector sagte später darüber: »Ich konnte mich einfach nicht konzentrieren und Emotionen freilegen, wenn ich dauernd all die Kabel, Mikrofone und Bandmaschinen im Auge hatte.« Phil Spector, der ansonsten für Spleens wenig übrig hatte, gestand seiner späteren Ehefrau alle möglichen Marotten zu. Er selber hatte auch einen Tick: Er ließ in die Auslaufrille der Platten immer seinen und den Vornamen seiner damaligen Frau, Annette, eingravieren. Als er dann Ronnie kennenlernte und Be my Baby aufnahm, fehlte zum ersten Mal Annettes Name auf der Platte … The Ronettes landeten einen Hit nach dem anderen. Sie nahmen Walking in the Rain auf und Do I Love You?.
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