Ernst in Sachen Sex wurde es für Cher mit einem Jungen namens Jeff. Er hatte italienische Eltern, war kleingewachsen und vier Jahre älter als Cher. Jeff wohnte ein paar Häuser weiter. Ihre Mutter gestattete es Cher, auch abends mit Jeff in ein Hamburger-Restaurant zu gehen oder einfach auf der Straße herumzuhängen. Einmal besuchte Jeff sie daheim. Cher wusste, dass seine Freunde ihn damit aufzogen, dass er mit einem so jungen Girl verabredet war. »In meinem Schlafzimmer fragte ich ihn deshalb, ob wir es endlich tun könnten.«
»Was?«, fragte er völlig entgeistert zurück. »Du weißt schon, das, was du mit mir machen wolltest. Well, let’s do it!« Jeff sah Cher an, als hätte er eben in der Lotterie gewonnen.
»Er war leider kein Meister des Vorspiels, der erste Sex war kurz und schmerzlich.« Cher wollte ihren ersten Sexpartner nie wiedersehen. Zuerst war er überrascht, dann beleidigt. Als er gegangen war, guckte sie in den Spiegel, weil sie meinte, ihre Mutter könne ihr das, was eben passiert war, am Gesicht ablesen. »Ich dachte: Jeder, der mich sieht, wird es jetzt wissen. Ich habe es getan!«
Ebenso wie in der Schule gab es plötzlich auch daheim Schwierigkeiten. Cher bekam immer mehr Probleme im Umgang mit Georgia Holt. Sie war lange Jahre der einzige Fixpunkt gewesen, um den sich im Leben Chers alles drehte. »Wenn meine Mutter sagte, wir suchen eine neue Bleibe, dann suchten wir sie, wenn sie sagte, ich soll in eine andere Schule überwechseln, dann tat ich es. Und wenn sie wieder heiratete, kam eben ein anderer Mann in unser Leben.« Mit einem Mal aber sah Cherilyn ihre Mutter in einem anderen Licht: »Ich war ein Teenager, und sie war die Frau, die mir anschaffte, was zu tun sei.«
Der Mutter hatte sie nicht zu widersprechen gewagt, der Frau, die ihr vorschrieb, was sie anziehen und welche Jungs sie treffen sollte, folgte sie aber nicht mehr wortlos.
»Sie legte sich damals mit allen an«, sagt Deila Farren, eine Schulfreundin, »auch mit ihrer Mutter.« Einmal fuhr sie mit ihrer Clique, zwei Mädchen und dem älteren Freund eines der beiden Girls, in dessen 57er Chevy nach Studio City, um herumzuhängen und eventuell einen Hamburger zu essen. »Der Junge parkte ein und bat uns zu warten, weil er noch etwas zu erledigen hätte.« Minuten vergingen und den Mädchen wurde immer langweiliger. Cher hatte einmal erzählt, bereits Autofahren zu können. Also überredeten sie die anderen Mädchen, den Chevy zu starten, um den Jungen zu suchen.
Zuerst fuhr Cher nur auf dem Parkplatz herum. Dann um den Block. Keine Spur von dem Autobesitzer. Sie hatten eine Flasche Wodka im Wagen und beschlossen, zum Supermarkt zu fahren, um Orangensaft zu kaufen und Screwdriver zu mixen. Keine drei Minuten später wurden alle verhaftet. Der Autobesitzer war zurückgekommen, hatte vergeblich nach seinem Chevrolet gesucht und dann eine Diebstahlanzeige aufgegeben. Cher war in Panik. Fahren ohne Führerschein, Autodiebstahl, dazu der Alkohol im Auto. Sie war kaum älter als 14. »Ich sah mich schon in Sträflingskleidern in der Gefängniswäscherei arbeiten und die lesbischen Wärterinnen mir das Haar raspelkurz abschneiden …«
Um drei Uhr morgens hatte die Polizei Chers Mutter ausfindig gemacht, und Georgia holte Cher aus der Polizeihaft ab. Chers Mutter war zu aufgeregt und in Sorge gewesen, um mit ihrer Tochter zu schimpfen. Einzig der Cop, der sie verhaftet hatte, nahm Cher zur Seite, ehe sie die Polizeistation verlassen durfte: »Ich hoffe, du hast deine Lektion gelernt, Mädchen. Du bist ein viel zu nettes Mädchen, um auf die schiefe Bahn zu geraten.«
Als Cher 16 war, hielt sie es daheim nicht mehr aus. Sie verließ das Haus, ging von der Schule ab und nahm einen Job als Verkäuferin in Robinson’s Department Store in Beverly Hills, der vornehmsten Ecke von Los Angeles, an. Für sie waren die Arbeit und die ganzen Lebensumstände, in die sie plötzlich eingetaucht war, so pittoresk, dass sie sie nicht für realistisch hielt, sondern für eine Szene in einem Film: »Ich wollte berühmt werden, aber ich wusste nicht recht, ob das der Weg war, um berühmt zu werden. Manchmal stand ich da und spielte mein Leben. Das war, als hätte ich gerade eine Rolle in der West Side Story angenommen.« So, wie sie sich als Kind schon selbst beobachtet und die Schülerin vermeintlich gespielt hatte, machte sie als junge Erwachsene weiter.
»Als ich Cher zum ersten Mal traf, wusste ich, dass aus ihr einmal etwas ganz Großes werden würde.«
Sonny Bono über seine Frau
»Er war ganz in Schwarz gekleidet und trug schwarze Stiefel mit sehr hohen Absätzen. Wahrscheinlich meinte er, zu klein zu sein.«
Cher Bono über ihren Mann
1962 war das Jahr, in dem Marilyn Monroe Selbstmord beging. John Huston drehte mit Montgomery Clift den berühmten Freud-Film. Und Liz Taylor lernte Richard Burton kennen. Es kam zur Kuba-Krise, in Deutschland wurde die erste Antibaby-Pille verkauft, und im US-Bundesstaat Mississippi konnte Schwarze nur an die Universitäten, weil Bundestruppen sie vor aufgebrachten Weißen schützten. In Hamburg trat zur Eröffnung des »Star-Clubs« eine neue Band aus Liverpool auf die Bühne, die sich »The Beatles« nannte.
Cherilyn Sarkisian-LaPiere hatte gemeinsam mit einer Freundin ein Apartment in einem Hochhaus an der Fountain Avenue in Hollywood gemietet. Sie wechselte damals ihre Jobs schneller als ihre Wäsche, nirgendwo hielt sie es lange aus, sie schien gehetzt, ziellos, ohne Perspektive zu sein. Sie hatte verschiedene Freunde, aber es war nichts Ernstes darunter.
Salvatore Philip Bono war so ganz anders als die Jungs, die sich für sie interessierten. Er war bereits 27 Jahre alt, verheiratet und hatte eine Tochter, Christy. Trotz seiner verrückten Aufmachung – »Als ich ihn zum ersten Mal sah, dachte ich, Prinz Eisenherz kommt daher«, erinnert sich Chers Schwester – war Salvatore »Sonny« Bono ein außergewöhnlich höflicher Mann, auf die 16-jährige Cher muss er wie der typische Kavalier der alten Schule gewirkt haben. »Er stand auf, wenn ich zum Tisch kam, er hielt mir die Tür auf, er half mir in den Mantel, alles Dinge, die ich von den jungen Männern, mit denen ich Umgang hatte, nicht kannte.« Sonny hatte damals ein Verhältnis mit dem Mädchen, das sich das Apartment an der Fountain Avenue mit Cher teilte. Er selbst wohnte gleich nebenan. Cher begegnete ihm zum ersten Mal in einem Restaurant am Sunset Strip. »Ich wusste nicht, wer Sonny war, außer, dass er oft mit meiner Freundin herummachte, aber jedermann im Restaurant schien ihn zu kennen. Alle sagten, das sei ›Sonny‹. Und ich schwöre, als er zur Tür hereinkam – ein schmaler Kerl mit schwarzen Haaren, Stiefeln und so einer goldenen Kette ums Handgelenk –, da verblassten alle um ihn herum.«
Cher fühlte sich augenblicklich von Sonny Bono angezogen. Um sein Interesse zu wecken, machte sie sich älter. »Ich sagte ihm, ich sei schon 19.« In den folgenden Wochen suchte sie jede sich bietende Gelegenheit, um Sonny zu begegnen.
Eines Abends war sie mit einem Jungen verabredet, aber nach einiger Zeit hielt sie es nicht mehr aus und sagte, sie habe Kopfschmerzen und möchte nach Hause gehen. Sie ging dann noch hinüber zu Sonny und läutete an dessen Wohnungstür. Sie hörte Stimmen dahinter, aber niemand öffnete ihr, und sie schloss daraus, dass er mit einem Mädchen in der Wohnung war und nicht gestört werden wollte. In dem Moment spürte sie den Stachel der Eifersucht: »Ich war schrecklich deprimiert.«
Bei einem Interview mit dem Frauenmagazin McCalls sagte Cher später: »Ich wusste von Anfang an, dass er ein Mann ist, der Frauen versteht. Ich weiß noch, wie ich ihn zum ersten Mal bewusst in dem Restaurant gesehen habe – er war ganz in Schwarz gekleidet und trug schwarze Stiefel mit sehr hohen Absätzen. Wahrscheinlich meinte er, zu klein zu sein.« Sonny Bono hatte tatsächlich immer Angst, nicht ernst genommen zu werden. Er war nicht besonders groß, und als jüngstes von drei Geschwistern hatte er auch daheim in Detroit, Michigan, Schwierigkeiten, sich durchzusetzen. »Er kämpfte immer um Selbstbestätigung«, erinnern sich Freunde von damals.
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