Im krassen Kontrast dazu gab es bei meiner Mom keine festen Essenszeiten. Wir aßen oft in chinesischen oder italienischen Restaurants und später als für Kinder üblich. Es gab nur selten einmal ein warmes Frühstück. Stattdessen gingen wir in einen Feinkostladen an der Ecke, um ein Brötchen mit Butter zu essen, Kaffee zu trinken und Zeitungen wie die Daily News und die New York Post zu lesen. Wir lasen uns gegenseitig unsere Horoskope vor und genossen den Geschmack von gesüßter Butter auf dem Brötchen. Es war immer perfekt knusprig außen und weich innen. Mein Kaffee bestand vorrangig aus Milch und Zucker, aber ich liebte es, mit „Das Übliche, bitte!“ bestellen zu können.
So sah unsere Routine aus und wir liebten es. Bei Mom hatte ich nie eine Nanny und nur selten einmal einen Babysitter. Mom und ich gingen gemeinsam ins Kino und zu Vorstellungen abseits des Broadways. Wir blieben lange wach und mitunter wachte ich nicht rechtzeitig auf, um pünktlich in der Schule zu sein.
Aber wenn wieder ein Besuch bei meinem Dad auf dem Programm stand, freute ich mich über die Abwechslung, denn ich liebte es, Zugang zu unterschiedlichen Lebensstilen zu haben. Die Struktur, die die Welt meines Dads mir bot, war eine unglaubliche Entlastung angesichts der abenteuerlichen und bohemehaften Lebensweise, der ich mit meiner Mutter folgte. Gleichermaßen waren der Mangel an Routine und die Spontanität, welche das Leben mit meiner Mom charakterisierten, eine willkommene Atempause vom Alltag unter dem Dach meiner Stiefmutter.
Diese Dualität sollte später jedoch für Komplikationen sorgen. Wo gehörte ich hin? Es war so, als würde ich zwei verschiedene Leben führen. Das Umfeld, das mein Vater bereitstellte, war die Antithese zu jenem, in dem ich mit meiner alleinstehenden Mutter lebte.
Obwohl ich mich stets auf das geordnete Leben, das ich im Hause meines Vater erfuhr, freute und außerdem wusste, wie sehr ich als Familienmitglied akzeptiert war, fühlte ich mich meiner eigenen Mutter jedoch so eng verbunden, dass meine Stiefmutter für mich nie irgendeine Art von Mütterlichkeit symbolisierte. Ich warf einmal Eis in das Hemd unserer englischen Nanny, flüchtete dann und fiel hin, wobei ich mir mein Knie aufschnitt. Ich wurde ins Krankenhaus gebracht und musste definitiv genäht werden. Didi begleitete mich, als ich auf ein Bett gelegt wurde, um diese Prozedur zum ersten Mal in meinem Leben über mich ergehen zu lassen. Sie versuchte mir warmherzig die Hand zu halten, während mich der Arzt zusammenflickte, aber ich wehrte sie ab. Ich hielt mich mit einer Hand an der Seite des Bettes und mit der anderen an einem Büschel Haare auf meinem Hinterkopf fest und sagte trotzig: „Nein, danke. Du bist nicht meine Mutter.“
Ich hatte nichts gegen meine Stiefmutter – nicht im Geringsten – oder dagegen, dass mein Dad wieder geheiratet hatte. Jedoch fühlte ich mich ihr einfach nicht nahe. Ich stellte klar, dass niemand im Universum meine Mutter ersetzen könnte. Und mit allem gebührenden Respekt muss ich sagen, dass Didi das auch nie versuchte. Meine Stiefmutter war komplett das Gegenteil zu meiner Mom. Sie war winzig, systematisch und hatte auch nie einen Hang zum Drama. Sie glaubte an Protokolle und Listen. Sie war sehr penibel und ordnete sogar ihre Gewürze nach dem Alphabet. Ich versuchte alles, um sie aus dem Konzept zu bringen. Es war das Größte für mich herumzuschreien, bis sie in die Küche gerannt kam, in Sorge, ob ich mir wieder wehgetan hätte, nur um sie dann danach zu fragen, ob der Cayenne-Pfeffer nun unter „C“ oder „P“ einzuordnen wäre.
Sie roch immer gut und kümmerte sich selbst um ihre Nägel. Ich konnte oft den Nagellack vom anderen Ende des Flurs riechen und wusste stets, dass sie sich für einen subtilen Farbton entscheiden würde. Ich hingegen achtete darauf, dass meine Nägel schwarz lackiert waren, wenn ich zu Besuch kam. Didi trug immer zahlreiche Armreifen und Halsketten. Bis heute denke ich an Didi, wenn ich das Geklimper von Halsketten höre.
Im Gegensatz dazu war meine Mutter extravagant, unorganisiert und verursachte oft Chaos. Sie war regelmäßig ungestüm, trank und fluchte wie ein Bauarbeiter, sie trug feuerroten Lippenstift und Nagellack. Mom war gepflegt, aber unordentlich. Moms Vorstellung von Ordnung war es, sich wichtige Telefonnummern auf winzige Papierschnipsel zu notieren, die sie dann verlor, oder Kreditkarten mit einem der Tausenden Gummibänder, die die Tageszeitungen, die uns geliefert wurden, zusammenhielten, aneinander zu binden.
Meine Mutter gab sich nach außen hin nie ablehnend gegenüber dem anderen Leben, das ich bei meinem Vater führte, aber es gab Anzeichen, dass sie nicht alles, was es repräsentierte, gänzlich akzeptierte. Sie versuchte, es unter Kontrolle zu behalten. Zum Beispiel nahm mich Dad jeden Sommer mit, um ein Paar Slipper sowie einige kurzärmelige Lacoste-Shirts für mich zu besorgen. Ich liebte diese Ausflüge und konnte es kaum erwarten, das zu tragen, was auch die anderen Kinder trugen. Mom shoppte für mich nur in Second-Hand-Läden ein und kaufte mir nie Markenklamotten. Tatsächlich entfernte sie jedes Mal in mühsamer Kleinarbeit das kleine Krokodil, wenn ich mit einem Lacoste-Shirt nachhause kam. Das war keine einfache Aufgabe, da es mit einem widerstandsfähigen Plastikfaden befestigt war. Außerdem war es unvermeidbar, dass ein Loch zurückblieb. Mom vernähte es daraufhin mit einem Faden, der dieselbe Farbe wie das Shirt hatte – und auch wenn es brandneu war, sah es dann wie ein Second-Hand-Shirt aus. Erst dann durfte ich das – mittlerweile No-Name – Shirt anziehen. Es erstaunt mich, wie sehr sie das privilegierte Leben begehrte, aber gleichzeitig dessen Symbole verabscheute. Es war eine verwirrende Zeit für mich, aber ich wusste, dass ich da wie dort geliebt wurde. Beide Seiten behüteten und sorgten für mich auf ihre jeweils individuelle Art und Weise und von ihrer einzigartigen Perspektive aus.
Alles in allem hatten meine beiden Familien ein gutes Verhältnis zueinander. Ich war immer angenehm überrascht und aufrichtig erleichtert, dass weder meine Mutter noch mein Vater oder meine Stiefmutter jemals schlecht übereinander sprachen. Auch versuchten sie nie, mich gegen die jeweils andere Familie aufzuwiegeln oder ihre Überlegenheit zu beweisen. Ich wechselte regelmäßig hin und her und musste mich nie wie eine Verräterin fühlen. Etwas, das immer gleich blieb, war meine Zuneigung zu meiner Mutter sowie das Gefühl, dass unsere Leben für immer miteinander verbunden wären.
Einmal versagten die Bremsen unseres neuen schwarzen Jeeps, als wir in Richtung New Jersey über die George Washington Bridge fuhren. Mom wies mich schreiend an, auf den Rücksitz zu klettern und mich festzuschnallen, weil wir nicht anhalten konnten. Ich weiß noch, dass ich seltsamerweise stolz war, meinen Blick geradeaus nach vorne richtete und sagte: „Nein! Wenn du stirbst, sterbe auch ich.“ Ich war fest entschlossen. Wir fuhren von der Brücke auf den Palisades Parkway und dann eine Anhöhe hinauf, wodurch wir schließlich langsamer wurden. Wir stellten den Motor ab und waren so weit in Ordnung, aber dieses Jeep-Modell aus diesem Jahr wurde schon bald zurückgerufen. Ich bin mir sicher, dass ich mich so lebhaft an dieses Vorkommnis erinnere, weil Mom diese Anekdote selbst so gerne zum Besten gab und erzählte, dass ihre Tochter lieber sterben würde, als ohne sie zu sein. Sie durfte mitanhören, wie ich im Angesicht des Todes meine Liebe für sie verkündete. Was mehr hätte sie sich jemals wünschen können?
Ich modelte weiterhin, meine ganze Kindheit hindurch. So erhielt ich nun mehr Aufträge für Fernsehwerbungen, etwa für Tuesday Taylor, eine Puppe in der Art von Barbie, deren Haare wuchsen, wenn man auf einen Knopf drückte. Dieser Job gefiel mir, weil ich eine der Puppen behalten durfte und das andere Mädchen, mit dem ich den Clip drehte, Tuesdays Schwester Piper mit nachhause nehmen durfte. Außerdem drehte ich auch einen Werbespot für Suzy Q, was nicht annähernd so lustig war, da ich dafür die ganze Zeit diese Küchlein essen musste und mir sehr übel davon wurde. In diesem Spot spielte auch Mason Reese mit und ich weiß noch, dass ich mir dachte, seine Mom wäre eine echte Type.
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