Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir mit dieser speziellen Familie nie wieder Kontakt pflegten. Auch kann ich mir vorstellen, dass dieser Zwischenfall die Gerüchteküche bezüglich Moms Alkoholkonsums und ihres Verhaltens zum Brodeln brachte. Nie verstand ich, warum Mom nie wen von ihrer Unschuld zu überzeugen versuchte. Alles hatte doch nur mit einer warmherzigen Geste gegenüber einem kleinen, blonden Mädchen angefangen. Und überhaupt: Warum sollte eine Erwachsene absichtlich an den Haaren eines Kindes ziehen? Mir kam das alles unfair vor und ich genierte mich für meine Mom. Es machte mich traurig.
Über die Jahre hinweg sammelte ich auch viele lustige Erinnerungen sowohl an den Strandclub als auch an die ortsansässigen Menschen. Ich erinnere mich daran, dass ich in dieser zweigeteilten Welt willkommen war und mir der Unterschied zwischen den beiden Hälften gar nicht bewusst war.
Für viele Jahre war ich einfach zu jung, um die sozialen Barrieren verstehen zu können. Mir waren von meiner Mutter sehr strenge Manieren beigebracht worden. Andere Mütter sagten gerne, wie höflich ich sei und wie gut ich mich benähme, weshalb ich auch immer zum Spielen eingeladen wurde. Bei einer solchen Verabredung zum Spielen mit einem anderen Kind trug ich nach dem Essen meinen Teller zum Spülbecken. Ich wurde schnell von der Mutter daran erinnert, dass ich das hier nicht zu tun bräuchte.
„Aber meine Mommy hat gesagt, dass ich immer meinen Teller zum Spülbecken bringen soll.“
Als ich nachhause zurückkehrte, erhielt meine Mutter einen Anruf von dieser Frau, die zu ihr sagte: „Bitte sagen Sie Ihrer Tochter, dass wir Leute haben, die für uns den Tisch abräumen. Wenn sie zu Besuch ist, braucht sie ihren Teller nicht zum Küchenbecken zu bringen.“
„Nun, wir haben keine Leute, die das für uns tun, und Sie müssen sich keine Sorgen machen, dass meine Tochter das noch einmal machen wird, weil sie nicht mehr zum Spielen kommen wird. Aufwiederhören.“
Mom lachte, als sie mir die Geschichte später erzählte. Ihr gefiel, dass eine Frau aus Newark ihrer Tochter bessere Manieren beigebracht hätte, als das Leute mit mehr Geld jemals hätten tun können.
Als ich fünf Jahre alt war, heiratete Dad Didi Auchincloss. Die Hochzeit fand am 1. Mai 1970 in Manhattan statt. Didi stammte aus einer prominenten New Yorker Familie und hatte eine dementsprechende traditionelle Ausbildung genossen. Sie war zuvor mit Tom Auchincloss, Jackie Kennedys Stiefbruder, verheiratet gewesen.
Ich kann mich nicht daran erinnern, wie wir sie getroffen haben oder miteinander ausgingen. Da ich meine Mutter und meinen Vater nie als verheiratetes Paar, das zusammenlebte, gesehen hatte, fühlte ich keinerlei Eifersucht gegenüber Dads neuer Braut. Eigentlich fand ich sie sogar sehr hübsch und alles in ihrem Haus war so elegant. Sie war zierlich und achtete auf strenge Ordnung in ihrem Leben. Sie war eine brünette, wohlerzogene und gebildete Debütantin, die mich an Jackie Onassis erinnerte. Dad hatte sich für eine Antithese zu meiner Mutter entschieden. Das muss Mom zweifellos sehr gestört haben. Es gibt ein nettes Foto, das Dad und Didi zeigt, wie sie gerade lächelnd aus einer Kirche an der Upper East Side kommen und die Straße überqueren. Dad trägt Abendanzug und Didi hat Blumen im Haar. Auf mich wirkte das wunderschön und vollkommen. Ich starrte gerne jedes Detail auf diesem Foto an, wenn ich die beiden in ihrem Apartment in der Eighty-Sixth Street besuchte. Alles daran wirkte so klassisch und schön.
Didi hatte zwei Kinder aus ihrer ersten Ehe. Ihre Tochter Diana war sechs Jahre alt und ihr Sohn Tommy war neun. Plötzlich hatte ich eine Familie und war angesichts dessen, was die Zukunft bringen würde, sehr aufgeregt. Es sollte nicht lange dauern, bis sich ein weiteres Baby ankündigte. Meine Stiefschwester Diana und ich konnten von Glück reden, dass ihre Mom und mein Dad heirateten – denn obwohl wir es damals noch nicht wussten, sollten wir Partnerinnen, Verbündete, Vertraute und lebenslange Schwestern werden.
Didi brachte schließlich meine erste Halbschwester, Marina, zur Welt, als Diana und ich sieben und sechs Jahre alt waren. Stellt euch doch bitte mal vor, wie sehr ich mich darüber freute, nun eine ältere Schwester zu sein und ein Baby zum Spielen zu haben! Ich hätte mir gewünscht, dass Mom noch ein Kind bekommen hätte, aber das war nicht möglich. Ich kann mich noch vage daran erinnern, wie sie ins Krankenhaus musste und sich einer „Frauenoperation“ unterzog. Ich schlug vor, dass wir ein Baby adoptieren könnten: „Hol doch einfach eines aus dem Findelhaus.“ Ich wollte zwar nicht, dass sie mit einem Mann zusammen war, doch wollte ich sehr wohl ein kleines Geschwisterchen. Nun hatte ich endlich eines und Mom war damit vom Haken.
Im Laufe der Jahre fingen Diana und ich an, immer mehr Zeit miteinander zu verbringen und hemmungslos gemeinsam zu lachen. Diana baute auch eine ziemlich enge Bindung zu meiner Mutter auf und Mom stellte uns oft als ihre beiden Töchter vor. Das ist doch mal unkonventionell! Didi schien keine Probleme damit zu haben, dass ihre Erstgeborene Zeit mit der Exfrau ihres Ehemanns verbrachte. Sie erlaubte Diana, sehr viel Kontakt zu uns zu haben und sich oft in unserem vergleichsweise kleinen Apartment in der Seventy-Third Street aufzuhalten. Später durfte sie sogar mit Mom und mir überall auf der Welt herumreisen. Diana und ich wurden zu äußerst innigen Freundinnen und meine Mom liebte uns beide. Alle involvierten Parteien schienen unsere Zweisamkeit zu unterstützen. Zu dritt wurden wir zu einem echten Team, wovon alle profitierten. Diana vertraute meiner Mutter, die sie wiederum aufrichtig liebte. Ich hatte nun eine Vertraute, der ich mein Herz ausschütten konnte. Während der Zeit, die Diana mit meiner Mutter und mir verbrachte, schien es, als würden wir nur Spaß haben und lachen.
Bald zogen Dad und Didi ans nördliche Ende von Long Island, da sie sich ein wunderschönes Haus in einer Gegend namens Meadowspring gekauft hatten. Das Haus war riesig und der Garten groß. Ich teilte mir bei meinen Besuchen das Zimmer mit Diana. Tom und Marina hatten ihr jeweils eigenes Zimmer.
Über die nächsten sieben Jahre hinweg sollten sich kleine Mädchen zur wachsenden Kinderschar hinzugesellen – zuerst war Cristiana und dann noch Olympia „das Baby“.
Manchmal blieb Diana in der City bei Mom und mir. Wir drei fuhren durch die Gegend in unserem silbernen Cabrio, mit offenem Verdeck, und aßen Kirschen oder Pfirsiche vom Obststand. Wir parkten vor Dads Büro, hörten laut Radio und warteten auf meinen Vater, der Diana dann wieder nach Long Island mitnahm. Es erinnerte alles ein wenig an damals, als Mom Dad gerne vor seinem alten Bürogebäude auflauerte. Mittlerweile zielte das Ganze ein wenig mehr darauf ab, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Man stelle sich ein altes, silbernes Cabrio vor, das Verdeck offen, laute Musik und Gelächter darin, das vor einem Bürogebäude voll mit Investmentbankern und Firmenbossen in der Park Avenue parkt.
Manchmal nahm Dad uns beide und manchmal nur Diana mit. Ich verbrachte viele Wochenenden auf Long Island mit Dads Familie und begleitete sie auch in die Frühlingsferien auf die Bahamas. Ich führte zwei völlig unterschiedliche Leben und hatte anscheinend keinerlei Probleme vom einen ins andere und wieder zurück zu wechseln. Bei meinem Dad herrschte Ordnung und Routine und wir alle verhielten uns dementsprechend. Es gab drei Mahlzeiten am Tag, die immer zu ungefähr denselben Tageszeiten serviert wurden. Die Kinder wuschen sich vor dem Essen und aßen oft gemeinsam mit der Nanny. Während der Dinnerpartys speisten die Erwachsenen im Esszimmer und die Kinder in der großen Küche. An Abenden, an denen Dad erst spät von der Arbeit aus Manhattan zurückkehrte, richteten ihm Didi oder die Nanny einen Teller her, den er sich dann später aufwärmen konnte. Es gab nicht viele Überraschungen. Am Ende eines Tages konnte man meinen Dad immer in seinem Arbeitszimmer vorfinden, wo er vor der Glotze saß. Die Schlafenszeit war in Stein gemeißelt und nur spätabendliches Geflüster hielt einen vom Schlafen ab.
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