Aus dem Englischen von Andreas Schiffmann
www.hannibal-verlag.de
Impressum
Deutsche Erstausgabe 2021
© 2021 by Hannibal
Hannibal Verlag, ein Imprint der KOCH International GmbH, A-6604 Höfen
www.hannibal-verlag.de
ISBN 978-3-85445-708-4
Auch als Paperback erhältlich mit der ISBN 978-3-85445-707-7
Titel der Originalausgabe: The Big Life of Little Richard
© 2020 by Mark Ribowsky
Erschienen bei Diversion Books, einer Division der Diversion Publishing Corp
ISBN 978-1-63576-722-3
Cover Design © Diversion Publishing Corp./Libby Kingsbury
Coverfoto © Toru Yamanaka mit freundlicher Genehmigung von Michael Ochs Archives/Getty Images
Grafischer Satz in deutscher Sprache: Thomas Auer
Übersetzung: Andreas Schiffmann
Deutsches Lektorat: Dr. Rainer Schöttle
Deutsches Korrektorat: Angelika Wiedmaier
Hinweis für den Leser:
Kein Teil dieses Buchs darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, digitale Kopie oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden.
Der Autor hat sich mit größter Sorgfalt darum bemüht, nur zutreffende Informationen in dieses Buch aufzunehmen. Alle durch dieses Buch berührten Urheberrechte, sonstigen Schutzrechte und in diesem Buch erwähnten oder in Bezug genommenen Rechte hinsichtlich Eigennamen oder der Bezeichnung von Produkten und handelnden Personen stehen deren jeweiligen Inhabern zu.
Inhalt
Prolog: Einfach schnell gespielter Rhythm ’n’ Blues
1: Das hübscheste Küchenutensil
2: Nichts los
3: Richtig rhythmische Rock-’n’-Roll-Musik
4: Tutti Frutti
Bilderstrecke I
5: Groove bis zum Abwinken
6: Eine höhere Berufung
7: Ich sag tschüß zum Biz
8: Rein ins Rampenlicht und wieder raus
Bilderstrecke II
9: Revival
10: Tu, was auch immer du willst
11: Aus dem Feuer geholt
Epilog: Sein gewisses Etwas
Quellenverzeichnis
Über den Autor
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„Als Mensch war er ungestüm, hektisch, bombastisch … [und] sah herrlich aus. Er trug einen ausgebeulten Anzug mit Elefantenhosen, die unten über siebzig Zentimeter weit waren, und kämmte sich seine Haare zu einer monströsen Tolle. Er hatte einen kleinen Zahnbürsten-Schnurrbart und ein rundes, absolut ekstatisches Gesicht. Er kreischte und kreischte und kreischte. Seine Stimme war freakig, rastlos, hysterisch und absolut strapazierfähig. Nie war sein Gesang leiser als das Brüllen eines wütenden Stiers. Jede Phrase garnierte er mit Wimmern, Schnarren oder Sirenentönen. Seine Vitalität und sein Drive waren grenzenlos. Und seine Songs waren meistens totale Nicht-Songs, nichts anderes als die zwölf Grundtakte mit Kinderzimmerversen, aber er brachte sie heraus, als sei noch die letzte Silbe flüssiges Gold.“
– Nik Cohn: AWopBopaLooBop ALopBamBoom – Pop History
„Die Musik war neuer, polierter, schwarzer Chrom und brach über den Sommer herein wie flüssige Nacht.“
– Jim Morrison über Little Richards Aufnahme von „Rip It Up“
Am 8. Mai 2020 endete Richard Wayne Pennimans sagenhaft ereignisreiches Leben so, wie es seine Songs nie taten: friedlich, ruhig ausklingend. Nach 87 Jahren Rhythm ’n’ Blues ’n’ Rock ’n’ Roll – und Chaos – war das unglaubliche Energiebündel Little Richard dort, wo es sein wollte: daheim in Tullahoma in den Bergen im Süden Tennessees. 77 Meilen den Highway 41 runter sind es von Nashville aus, wo er sich seine ersten Sporen bei Auftritten in Clubs mit viel Getöse verdient und nicht eine Sekunde friedlicher Ruhe erlebt hatte. Schon damals schien ein Song besonders laut aus seiner Seele zu dringen: ein Lied – ein Groove – als wirr zerfahrenes Abbild einer aufgewühlten Jugend, das dem Rock ’n’ Roll 65 Jahre später immer noch aus der Seele spricht.
Dieses Lied trug einen Titel, der so schrill war wie Little Richards Garderobe: „Tutti Frutti“.
* * *
Als Little Richard im September 1955 nach New Orleans kam, um in den J&M Studios seine ersten Aufnahmen für Specialty Records zu machen, hatten Plattenfirmenchef Art Rupe und Produzent Robert „Bumps“ Blackwell seine angestammte Begleitband The Upsetters durch dieselben Nebenleute ersetzt, die Fats Domino und Lloyd Price bei ihren Einspielungen fürs Label zur Seite standen.
Einige der berühmtesten Sessionmusiker der Branche gehörten dazu – die Tenor- bzw. Bariton-Saxofonisten Lee Allen und Alvin „Red“ Tyler, Schlagzeuger Earl Palmer, Justin Adams und Edgar Blanchard an den Gitarren sowie Bassist Frank Fields, außerdem Huey „Piano“ Smith (der als Frontmann seiner eigenen Band The Clowns ebenfalls Starruhm erlangen sollte) und Mel Dowden an den Tasten. Sie waren Blackwell zufolge „die Besten in New Orleans“: zusammengekommen, um für einen Sänger zu arbeiten, von dem sie nie gehört hatten und den sie insgeheim hinter ihren Instrumenten auslachten.
„Sie alle dachten, ich sei verrückt“, sagte Richard rückblickend. „Wussten nicht, was sie von mir halten sollten. Sie hielten mich für einen Trottel.“
Der Produzent, der auch die Arrangements für die aufzunehmenden acht Stücke geschrieben hatte, lernte den im Mittelpunkt der Session stehenden Künstler erst unmittelbar vor Beginn der Arbeiten kennen. Little Richard schlenderte in den Raum, laut Blackwell „so ein Vogel im grellbunten Hemd mit gut 15 Zentimeter hoch toupierten Haaren“, der „wild plapperte und sich Sachen zusammenfantasierte, einfach, um anders zu sein. Ich erkannte ihn nicht als Ausnahmepersönlichkeit.“ Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, ob er vertrauenswürdig wirkte oder nicht, tauchte Richard auf und gab den Ton an oder glaubte zumindest, dies zu können. Er hinterließ einen bleibenden Eindruck, so viel stand fest. Indem er die Leitung der Session jedoch praktisch an sich riss, klang das Ergebnis so stümperhaft, dass sich Blackwell im Kontrollraum gar nicht erst bemüßigt sah, das Aufnahmegerät einzuschalten.
Er spürte wie die Instrumentalisten auch, dass sich der Mann mit seiner großspurig überdrehten Art selbst im Weg stand. „Ich hatte von seiner irren Bühnenshow gehört, doch an jenem Tag im Studio war er arg verkrampft. Wahrscheinlich trieb ihn sein Ego an, seine Geisteshaltung herauszukehren. Wenn man wie Tarzan aussieht und wie Micky Maus klingt, funktioniert das einfach nicht … Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Mit dem Material zurück zu Rupe zu gehen war ausgeschlossen, denn ich hatte nichts zu vermarkten. Dabei kostete mich das eine Stange Geld.“
Blackwell und Richard fühlten sich beide niedergeschlagen, als sie gemeinsam mit Lee Allen in dem angesagten Club Dew Drop aufschlugen, um den Blues mit Alkohol zu vertreiben und frische Inspiration zu finden. Und die kam dann zufällig wie ein Blitz aus heiterem Himmel: In dem Club verlor Richard seine Hemmungen. Nachdem er auf die Bretter gestiegen war, woraufhin die Barbesucher vor der Bühne ein Publikum bildeten, befand er sich in seinem Element, setzte sich ans Klavier – oder besser gesagt, blieb daran stehen – und stimmte ein Lied an, das er zwar seit Monaten live spielte, aber nie als für Aufnahmen tauglich erachtet hätte. Die ersten Töne davon waren jene bezaubernden Silben Awop bop a loo mop a good goddamn / Tutti Frutti, good booty.
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