Wenn mein Buch für Dich in Zeiten des Zweifelns da sein und Dich ermutigen darf, Festgefahrenes aufzuweichen und Deinem Herzen zu folgen, dann macht mich das sehr glücklich. Das Leben hat mich gelehrt, dass Gedanken etwas sehr Mächtiges sind. Wenn Du weißt, wie Du mit ihnen am besten umgehst, mit ihnen spielst, ja, sie gar dafür einsetzt, um etwas, was Dir wichtig ist, zu erreichen, dann stehen Dir viele Türen offen.
Ich wünsche mir von Herzen, dass Dich Deine Gedanken aufblühen lassen, so hoch es nur geht.
Glaube an Dich, glaube an Deinen Mut und daran, dass Du alles schaffen kannst.
Da Du gerade mein Buch in den Händen hältst und liest, bist Du für mich die wichtigste Person – und deshalb schreibe ich Du immer groß, auch wenn das gemäß der deutschen Rechtschreibung nicht mehr korrekt ist. Bitte lass mir diese «Altmodischkeit». Danke.
Auch werde ich Dir in meinem Buch einiges von mir und von meinem Leben, von meinem manchmal nicht ganz leichten Weg preisgeben, und Dir gerne aufzeigen, wie Du (wieder) zu Dir selbst gelangen kannst. Alle Geschichten sollen Dir aufzeigen, wie Du als weise Egoistin*weiser Egoist selbst in den dunkelsten Momenten, an Dich selbst denken darfst.
«Aufblühen» spricht unterschiedliche Themen an, darunter auch «tabuisierte», und enthält viele Umkehrungen, welche Dir mögliche Wege aufzeigen, um aus Deinen Glaubensmustern auszusteigen, so dass Du wieder an die Zukunft, an den Fortschritt und an Dein eigenes Glück glauben darfst. Das ist ein äußerst erhebendes Gefühl, wie Du Dir sicher vorstellen kannst. Es ermächtigt Dich, Dein Leben in Deinem Tempo in die eigene Hand zu nehmen und ganz Du zu sein, denn es arbeitet mit Deinen Gedanken.
Ja, Du bist, was Du denkst.
Herzlichst
DU BIST AUCH EIN WUNDERVOLLES STEHAUFMÄNNCHEN, WENN DU MAL LIEGEN BLEIBST. DOCH BEDENKE: AM SCHÖNSTEN BIST DU, WENN DU «WACKELST».
– eins –
STEHAUFMÄNNCHEN-GESCHICHTE
Ich glaube, dass uns vieles verbindet. Wenn auch unsere Geschichten unterschiedlich sind, so haben wir vielleicht denselben Schmerz verspürt und es waren wohl ähnliche Gedanken, welche uns nicht losließen.
Die Fragen nach dem «Warum ich?», «Warum jetzt?», «Warum lasse ich mich immer wieder auf Sachen ein, obwohl ich weiß, dass sie mir nicht guttun?» und «Warum werde ich nicht ernstgenommen?» kenne ich nur zu gut. Vielleicht hast auch Du Dich «verbogen», um gesehen oder gelobt und geliebt zu werden oder einfach, um dazuzugehören.
Meine Großmutter, Emma hieß sie, schenkte mir im Alter von elf Jahren mit den Worten «Sie passt so gut zu Dir» eine blaue, ziemlich abgegriffene Holzfigur, von etwa neun Zentimetern – ein Stehaufmännchen. Man konnte sie mit einer Hand herunterdrücken, und kaum dass man die Figur losließ, stellte sie sich aus eigener Kraft stets wieder auf. Immer und immer wieder drückte ich sie herunter, und jedes Mal richtete sie sich auf.
Dabei schien sie zu lächeln, als wollte sie sagen: «Ich bleibe nicht auf dem Boden liegen – ich stehe immer auf!»
Damals hatte ich einfach Freude an dem Geschenk, wie an jeder Kostbarkeit, die ich von meiner Großmutter bekam. Viel später, als erwachsene Frau, verstand ich, was sie damit meinte und erkannte die übertragene Bedeutung dieses Stehaufmännchens.
Wenn ich heute auf mein Leben zurückblicke, dann scheint es, als würde ich Verluste anziehen oder herausfordern. Ich musste in sehr jungen Jahren lernen, selber aufzustehen und weiterzugehen. Ich bin ein ungewolltes Kind. Meine Mutter wollte mich nicht nur nicht haben, sie wollte mich loswerden. Als gescheiterter Abtreibungsversuch erblickte ich dann doch im Spital von Langenthal das Leben – ohne meine Zwillingsschwester. Meine Mutter gab mir unmissverständlich zu verstehen, dass ich ein Fehler sei. Ich habe um die Liebe, die bedingungslose Liebe, gekämpft. Wahrscheinlich wäre ich schon mit einem Stück Achtung zufrieden gewesen – stattdessen gab es Schläge.
Doch offenbar habe ich das «Stehaufmännchen-Gen» in mir, denn obwohl meine «Verlust-Liste» sehr, sehr lang ist, habe ich nie aufgegeben. Aber auch ich habe mit dem Gedanken gespielt, alles hinzuschmeißen, und das Gefühl, dass ich ein totaler Versager bin, hat mich fast aufgefressen. Ich erinnere mich so sehr an den Tag, an dem mir meine Würde abhandengekommen ist …
Ich war damals so maßlos enttäuscht und verletzt, aber das stärkste Gefühl war, versagt zu haben und nicht gut genug zu sein. Ich war in einer Gedankenspirale gefangen: Jemand anderem wäre das ganz sicher so nicht passiert, das könne doch nur mir geschehen.
Als schließlich ganz heftig auf meinem Selbstbewusstsein herumgetrampelt wurde, so als wäre es eine Orange, welche bis auf den letzten Tropfen ausgepresst wird, obwohl sich das ausgewrungene Fruchtfleisch bereits von der Schale löste, drohte auch der Glaube an mich selbst sich aufzulösen.
Der Tod meines geliebten Vaters, der unerwartete Suizid meines einzigen Bruders und der Verlust meiner ungeborenen Kinder, welche nur wenige Wochen in mir sein durften und starben, bevor ich um sie kämpfen konnte, gehören ebenfalls auf meine Liste, genauso wie der Moment, an dem ich meine Arbeitsstelle verlor.
An diesen «Ungerechtigkeiten», welche sich wie eine hohe Mauer vor mir türmten, konnte ich weder rechts noch links vorbei. Also entschied ich mich dafür, mich ihnen zu stellen und diese Wand zu überwinden.
In dem Moment, als ich realisierte, dass es nichts bringt, wenn ich diese Mauer noch stundenlang anstarre, begann dieser Wall verschiedene Gesichter zu bekommen: Selbstvorwürfe, Selbstverurteilung und da war auch ein Antlitz mit Wut, tiefer Wut und einer Prise Trauer. Die Miene, welche mich am meisten vereinnahmte, war jedoch die unendliche Hilflosigkeit. Ich fühlte sie vor allem in den Beinen. Sie wussten zwar, dass sie gehen können, aber sie waren steif und starr – komplett blockiert. Da war nur diese einzige quälende Frage, welche mich durchlöcherte, die ich vor mir sah, wohin immer mein Blick schweifte: «Warum?»
Während diese «Warums» mich fast erdrückten, fühlte ich mich einfach nur allein und schwer. Ich war wie umhüllt von einer undurchdringbaren Dunkelheit. Was hätte ich darum gegeben, abzutauchen und irgendwo an einem helleren, besseren Ort dann wieder aufzutauchen …
Ja, in solchen Momenten wurde meine Stehaufmännchenqualität getestet. An ein Ereignis erinnere ich mich ganz genau, weil sich danach alles änderte.
Es war ein sehr warmer Tag im Juni, vier Tage vor meinem Geburtstag, als ich erneut in der vierzehnten Woche ein Kind verloren habe. Ich hatte so sehr gehofft, gewünscht und dafür gebetet, dass es dieses Mal sein durfte. Als die ersten kritischen zwölf Wochen vorbei waren, erlaubte ich mir, die Hoffnung wachsen zu lassen.
Ich war mit meinem Sohn in der ländlichen, familiären Badeanstalt in Maschwanden. Gerade packten wir unsere Tupperwarebox mit den wundervollen Erdbeeren, welche wir am Vormittag bei unserem «Bauern», gleich um die Ecke, geholt haben, aus – und dann geschah es. Ich konnte es fühlen, wollte es aber nicht wahrhaben, nicht daran denken, doch auf dem überdimensionalen hellgrauen Badetuch, auf dem wir so glücklich saßen, zeichnete sich plötzlich ein handgroßer roter Fleck direkt unter mir ab. Mein Sohn war so sehr mit den Erdbeeren beschäftigt, dass er gar nicht bemerkte, dass ich einfach nur noch wie versteinert dasaß. Nicht einmal eine Träne rollte über meine Wangen. Ich fühlte einfach diese Leere, starrte ein Loch in das Badetuch. Und dann geschah etwas Unglaubliches.
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