Cobb schaute Jay an.
»Was soll das alles heißen?«, rief die Frau. »Sie werden dich umbringen, James!«
»Wenn wir das wollten, wären nicht solche Umstände nötig«, sagte Rio gepresst. »Nun bewegen Sie sich schon, Marshal. Sonst wird’s verdammt ungemütlich.«
Der Mann nahm Seil und Messer vom Bett und ging zur anderen Seite hinüber.
Jay und Rio bedrohten den Mann mit den Colts.
»Woher habt ihr Waffen?«
»Sie gehören uns«, erwiderte Jay. »Ich war so frei, sie zu holen.«
»Sie haben eingebrochen!«
»Richtig, Marshal. Vergessen Sie nicht, was Sie tun sollen.«
Cobb blickte auf seine Frau. »Sie werden mich töten, wenn wir nicht gehorchen, Mattie. Leg dich auf den Bauch.«
»Sie wollen dich verschleppen und irgendwo in der Wildnis meuchlings ermorden, James!«
»Wir hassen Umstände«, sagte Jay barsch. »Solche Umstände, wie Sie vermuten, Madam, und solche, wie Sie sie uns machen, Marshal!«
»Mattie, komm, sei ein Schatz!«, bettelte der Stadt-Marshal. »Es wird schon nicht so schlimm werden.«
Jammernd legte sich die Frau zurück und rollte herum.
»Die Hände nach hinten, Mattie!«
»Machen Sie das ordentlich, sonst binde ich die Stricke noch mal fest!«, drohte Rio.
Cobb fesselte die Frau und knebelte sie anschließend mit einem Taschentuch und dem Rest des Stricks. .
Rio ging vor den Betten vorbei, wackelte drohend mit dem Revolver und dirigierte Cobb damit in die Ecke, wo Jay ihn wieder bedrohen konnte. Rio kontrollierte die Arbeit des Stadtmarshals.
»Gut, das hält. Gehen wir, Mister!«
Jay trat rückwärts in die Küche und am Tisch vorbei zur Tür. Der Schlüssel steckte innen. Er drehte ihn um und verließ rückwärts auch das Haus.
Cobb folgte mit erhobenen Händen. »Wisst ihr eigentlich, was darauf steht, einen Marshal zu entführen?«
»Wir werden dann dreimal gehenkt, wenn es nach euren Köpfen geht«, erwiderte Jay gleichmütig.
»Los, weiter!« Rio stieß dem Mann den Colt in den Rücken. »Wir gehen zum Stall, Marshal.«
Im Hof blieb Cobb stehen. Die Situation war gefährlich, weil der Lichtschein von der Straße aus gesehen werden konnte. Und wenn jetzt einer der Nachzügler den Saloon verließ und die Straße herunterkam, würde ihr ganzer Plan platzen.
»Wo ist das Mädchen?«, fragte der Marshal.
»Wir haben Fee weggeschickt.«
»Und was war der Preis?«
»Die Hälfte der Beute, Marshal. Das hatte Fee so festgesetzt. Später begriff sie dann schneller als Sie jetzt, dass es keine Beute gab. Nicht bei uns.«
»Los weiter!« Rio stieß mit der Revolvermündung und brachte den Marshal damit weiter hinter Jay her, der immer noch rückwärts lief und den bulligen Mann seinerseits in Schach hielt.
»Moment, Rio!« Jay stieß mit dem Rücken gegen den kleinen Stall.
»Stehenbleiben!«
Cobb verharrte. Jay schob den Colt in die Halfter, öffnete die Tür und zog den Revolver wieder. Er betrat den Stall. Rio schickte den Marshal weiter.
»Es scheint zu klappen!«, frohlockte er. »Aber es ist kaum zu glauben.«
»Los, Marshal, stehen Sie nicht herum, als wollten Sie bedient werden!«, fuhr Jay den mittelgroßen Mann an.
Cobb trat neben das Pferd und sattelte es. Im letzten Augenblick, als er schon zugriff, erkannte Jay ein Schimmern und wusste, dass es von der Kolbenplatte der Winchester im Scabbard herrührte. Er sprang vorwärts.
Cobb riss das Gewehr heraus und wollte herumwirbeln. Da setzte Jay ihm den achtkantigen Lauf des Revolvers auf den Kopf. Der Mann verlor das Gewehr, taumelte gegen die Trennwand und stürzte ins Stroh.
»Der hat Haare auf den Zähnen!«, schimpfte Rio.
Jay hob das Gewehr auf und schleuderte es neben den Futterkasten.
»Fällt dir eigentlich auch auf, dass er noch im Nachthemd ist?« Rio kicherte. »Das sieht vielleicht komisch aus.«
»Hol ihm was anderes.«
»Warum?«
»Weil er uns das ankreidet, wenn wir ihn so bloßstellen. Und das nützt uns nichts.«
Rio verließ den Stall und überquerte den Hof.
Jay suchte ein Lasso. Er fand auch ein Messer, schnitt eine Fessel zurecht und legte sie auf die Futterkiste.
Rio brachte ein Hemd, eine Hose, Stiefel, die derbe Jacke mit dem Stern und den Hut Cobbs. Sie zogen ihn an. Er erwachte dabei, wollte Rio angreifen und kassierte einen Kinnhaken.
»Sag es, wenn dir das Fell juckt, Marshal. Halunken sind nicht pingelig!«
Jay fesselte dem Marshal die Hände.
»Wollen wir ihn nicht quer über den Gaul werfen, wie er es mit uns machen ließ?«
»Wollen wirklich genauso mies sein, Rio? «
»Am liebsten wäre ich es.«
»Ich nicht.« Jay stieß den Mann gegen die Krippe und führte das Pferd hinaus.
»Komm, Marshal, der Ritt geht los!«
Rio bedrohte den Sternträger, bis der auf seinem Pferd saß. Jay führte das Tier hinten hinaus. Sie erreichten die eigenen Pferde, gaben Cobb den Zügel in die gefesselte Hand und saßen selbst auf.
*
Der Mond stand tief im Süden. Sein fahler Lichtschein verglomm langsam. Die Dunkelheit wurde intensiver.
Entsprechend spät tauchte die Farm vor ihnen auf. Sie zügelten die Pferde. Rio hielt Cobbs Pferd mit an.
»Hier ist das Geld, nach dem Sie suchen«, erklärte Jay. »Bei den feinen Brüdern Zattig!«
Cobb blickte ihn prüfend an. »Sie müssen das nicht glauben, Marshal. Wir nahmen Sie ja mit, um es Ihnen zu zeigen. Aber es ist besser, Sie wissen schon alles, wenn Sie anfangen zu begreifen, dass es so und nicht anders wahr. Also wir kamen zuerst hierher, und die Zattigs sagten uns, wo wir eine leere Hütte finden könnten. Hinter dieser Hütte fanden Ihre Leute später eine leere Tasche, die man als die von McClure erkannte. Und wir sollten so dumm gewesen sein, so ein gefährliches Beweisstück hinter das Haus geworfen zu haben. Der oder die, die das veranlassten, müssen gewusst haben, dass in Montrose nicht lange gefackelt und der Verstand nicht strapaziert wird. Das wiederum konnte nur jemand sein, der die Leute genau kennt und zugleich wusste, wo wir uns befanden. Der Farmer Wolter schied deswegen aus, er wusste von uns zu diesem Zeitpunkt nichts. Blieben die Zattigs und die Leute der Stadt selbst. Aus der Stadt war es kaum einer. Der wäre die ganze Nacht unterwegs gewesen. Das hätte wohl doch jemand bemerkt.«
»Haben wir das kapiert, Mister?«, fragte Rio.
»Als Sie gestern hier auftauchten, steckten wir da drüben im Maisfeld«, fuhr Jay fort. Er nickte über den Hof hinweg. »Und kaum sind Sie mit Ihrem Haufen weg gewesen, haben die Zattigs das Geld aus dem Versteck geholt.«
»Ihr habt förmlich darauf gestanden!«, rief Rio. »Am Beginn der Büsche war es in einem Beutel verscharrt. Jewy hat gesagt, den würden sie nun unter den Dielen im Haus verstecken. Und zwar unter dem Herd, den man bewegen könnte.«
Cobb schaute wieder auf Jay. Noch immer war kein einziges Wort über seine Lippen gekommen.
»Wenn wir das Geld jetzt dort finden, haben Sie den Beweis, wer McClure ermordete. Die Zattigs haben vielleicht seit Jahren auf eine Gelegenheit gewartet, ihn über den Jordan zu schicken und es anderen anzulasten. Und ohne Fee wäre der verschlagene Plan sicher auch aufgegangen. Also, Marshal, steigen wir ab!«
Cobb gehorchte und trat vor die Pferde. Noch waren seine Hände gefesselt, so dass er ihnen nicht sehr gefährlich werden konnte. Ob er ihren Worten Glauben schenkte, ließ sich auf seinem Gesicht nicht ablesen.
»Die Zattigs waren immer hier«, fuhr Jay fort. »Denen konnten wir die Beute also nicht ins Haus schmuggeln.«
»Noch dazu, wo wir doch keine Waffen besaßen, Marshal!«
Cobb standen die Lippen wie ein Strich im Gesicht. Offenbar wehrte er sich gegen die Einsicht, einen gewaltigen Bock geschossen zu haben und von ein paar gerissenen Farmern hereingelegt worden zu sein.
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