Abbildung 1.1: Einfaches Input-/Output-Modell
Die gesamten Prozesse sollen in einem einzigen SAP-System abgebildet werden. Derartig umfassende Projekte können nicht ohne Herausforderungen bleiben. Dabei kommen zu den Mengen- und Werteflüssen auch noch Daten hinzu, die im Rahmen der Planung entstehen. Zudem sind die Anforderungen an ein modernes Berichtswesen in den letzten Jahren gestiegen. Schließlich erwarten moderne Unternehmen eine selbstlernende Software, um sehr schnell auf den Markt oder die Kunden reagieren zu können. Entsprechende Stichworte sind beispielsweise »Cross Selling« und »Upselling«, wo die Software das Kaufverhalten mehrerer Kunden eigenständig analysieren soll, um anderen Kunden entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Oder »Predictive Maintenance«, also das Auswerten von Maschinendaten, um Stillstand zu vermeiden, indem die Wartung durchgeführt wird, bevor es zum Ausfall kommt. Ein weiteres Stichwort wäre die Zusammenarbeit mit anderen Systemen, z.B. für die Blockchain-Technologie.
Somit kommt es im Rahmen eines solchen Software-Implementierungsprojekts unweigerlich zu der Frage, ob das System an die Prozesse des Unternehmens angepasst werden soll oder ob das Unternehmen die Standardsoftware, so wie vom Hersteller angeboten, unverändert verwenden kann und will – was in der Regel auf eine Anpassung von Prozessen hinausläuft (siehe Abbildung 1.2).
Abbildung 1.2: Unternehmens- versus Softwareanpassung
Diese Fragestellungen sind die grundlegenden Herausforderungen im Rahmen von Implementierungsprojekten. In den meisten Projekten ist es natürlich kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Dies bedeutet, dass sich das Unternehmen einerseits für alles, was möglichst nah am Standard der Software bleiben soll, mit dem Organisational Change Management (OCM) auseinandersetzen muss. Andererseits muss es für diejenigen Prozesse, welche die Stärke des Unternehmens ausmachen oder sogar zu den »Unique Selling Propositions« gehören, die Anpassung der Software in Betracht ziehen. Im Rahmen einer S/4HANA-Implementierung geschehen diese Anpassungen innerhalb des Projekts durch Customizing, das Entwickeln von User Exits (Kundenerweiterungen unter Verwendung einer bestimmten Technologie), ABAP (Kundenerweiterungen unter Verwendung der SAP-eigenen Programmiersprache), Schnittstellen und den Einsatz von Fremd- und/oder Partnerlösungen.
Auch SAP-Projekte können sich nicht den üblichen Zielkonflikten von Zeit, Geld und Qualität entziehen. Versucht man, im Rahmen der Projektarbeit nur einen dieser drei Punkte »anzufassen«, so wirkt sich dies fast immer auf beide, mindestens aber auf einen der anderen Punkte aus.
Schließlich stellt das Management des Unternehmens noch ganz eigene Ansprüche an derartige Projekte, was ich in einigen stereotypen Anforderungen formulieren möchte:
Typische Projektanforderungen seitens des Managements
Unser System ist im Laufe der Jahre immer mehr »verbogen« worden, jeder neue Patch wird inzwischen zur Herausforderung. Wir möchten zurück zum Standard.
Wir wollen das Projekt auch dazu nutzen, unsere Prozesse (weltweit) zu harmonisieren.
Leider wussten wir zu Projektbeginn noch nicht, dass wir dieses Unternehmen/diesen Unternehmensteil (ver-)kaufen werden. Es muss noch »irgendwie« mit im Projekt berücksichtigt werden.
Und nun kommt die SAP mit einem neuen Framework zum Implementierungsvorgehen, das Lösungen für all diese Herausforderungen bieten soll: SAP Activate! Entdecken Sie auf den kommenden Seiten die Chancen und die Besonderheiten, aber auch die Grenzen dieses Tools. Viel Spaß beim Lesen!
2 Einführung in SAP Activate
SAP Activate bietet ein einheitliches Framework zur Implementierung von SAP-Software für die unterschiedlichen Kundenausgangslagen, wie etwa eine Neueinführung, das Upgrade einer bestehenden SAP-Landschaft oder eine Transformation aus anderen Non-SAP-Systemen.
Die Grundpfeiler von SAP Activate sind der Content, die neue Methodologie mit agilen Ansätzen in Kernphasen des Projekts sowie Tools z.B. zur geführten Konfiguration eines SAP-Cloud-Systems, auch Guided Configuration genannt (siehe Abbildung 2.1).
Abbildung 2.1: Überblick zu SAP Activate
Wenn Kunden heute über die Implementierung von SAP S/4HANA nachdenken, dann liegen unterschiedliche Ausgangsszenarien zugrunde:
Der Kunde hat noch kein ERP-System und möchte eine Neueinführung vornehmen.
Der Kunde hat bereits ein SAP ERP im Einsatz und möchte jetzt zu S/4HANA wechseln.
Der Kunde verfügt bereits über ein ERP-System, dieses ist jedoch von einem anderen Hersteller.
Die Ausgangslage ist eine Mischung aus den vorgenannten Punkten, je nach Unternehmensteil.
Vom SAP-Activate-Framework werden diese unterschiedlichen Ausgangssituationen beim Kunden ebenso unterstützt wie die diversen, heute üblichen Bereitstellungsszenarien:
On-Premise,
Cloud,
Hybrid, also eine Mischung aus On-Premise und Cloud.
Hinsichtlich der Cloud bietet die SAP ihren Kunden zwei unterschiedliche Optionen an:
S/4HANA Cloud Multi Tenant Edition (S/4HANA MTE):Diese Form der Bereitstellung ist für Kunden geeignet, die weitgehend dazu bereit sind, die SAP-Standardprozesse zu nutzen. Mehrere Unternehmen werden auf einer Serverlandschaft gemeinsam abgebildet (datentechnisch sind sie selbstverständlich strikt voneinander getrennt!). Diese Option bringt einige Einschränkungen hinsichtlich der Anpassbarkeit des SAP-Systems mit sich, dafür sind die Projektlaufzeiten in der Regel sehr kurz, und das System wird seitens der SAP immer auf dem aktuellen Stand gehalten. Vierteljährlich erhalten die Kunden Updates, Fehlerbereinigungen werden im Allgemeinen innerhalb von zwei Wochen bei jedem Kunden eingespielt. Alle Kunden einer Serverumgebung sind in diesem Fall auf dem gleichen Release- und Patchlevel, haben also hinsichtlich der Aktualisierungen denselben Stand. Kunden, die sich für die S/4HANA MTE entscheiden, sollten also im Sinne von Abbildung 1.2 bereit sein, sich durch Anpassung von Aufbau- und Ablauforganisation dem SAP-Standard anzunähern. Trifft dieses Szenario für Ihr Unternehmen zu, ist Abschnitt 7.6von besonderer Relevanz.
S/4HANA Cloud Single Tenant Edition (S/4HANA STE):Hierbei handelt es sich im Grunde um ein S/4HANA-On-Premise-System, das auf der SAP HANA Enterprise Cloud (HEC) ausgerollt wird und nicht den Release-Zyklen von S/4HANA MTE unterworfen ist. Damit stehen dem Kunden sowohl der gesamte Systemumfang, der n-Premise angeboten wird, als auch sämtliche Customizing-Optionen zur Verfügung. Lediglich das Verändern des Standard-Codings ist blockiert, jedoch gibt es alle Erweiterungsmöglichkeiten.
2.1 Framework-Bestandteile
SAP Activate setzt sich aus drei Teilen zusammen, die Sie nachfolgend beschrieben finden.
Grundsätzlich liefern ERP-Systeme Standard-Content. Dazu gehören beispielsweise Muster-Organisationseinheiten, die als Vorlage dienen können, oder etwa vorgedachte Prozesse. Dies ist auch bei S/4HANA so. Folgende Punkte fasst SAP im Rahmen von SAP Activate unter dem Begriff Content zusammen:
Читать дальше