Und eine weitere Fallgeschichte schafft es unter dem Titel „Dement auf Zeit“ in die Serie: „Schon mit 56 Jahren erkrankt eine Frau aus Kap Verde an Demenz. Erst Jahre später finden Ärzte die Ursache.“ Mangelnde B12-Resorption durch eine chronische Magenentzündung war die Ursache, die Folgen dramatisch: „Sie spricht undeutlich, selbst ihre Schwester kann manche Aussagen nicht verstehen. Aus ihrem Verhalten lässt sich ablesen, dass sie Dinge sieht und hört, die nichts mit der Realität zu tun haben. Die Mediziner diagnostizieren eine fortschreitende Demenz, verbunden mit einer entweder daraus resultierenden oder unabhängig auftretenden Epilepsie. Auch die Wahnvorstellungen können unabhängig von Demenz und Epilepsie oder als Folge der beiden Krankheiten aufgetreten sein.“ Nach Behebung des B12-Mangels „verwandelt sich [die 61-Jährige] zurück in den Menschen, den ihre Verwandten aus der Zeit vor der Erkrankung kannten“ (t1p.de/zz71) 2 .
Praktischerweise enthalten Tabletten für B12-Mangel oft auch das Vitamin B9, besser bekannt als Folsäure. Wie schon oben ausgeführt auch ein wichtiges Vitamin, wie alle Schwangeren lernen. Ein Mangel an Folsäure kann drastische Auswirkungen auf das Ungeborene haben, die Symptome in Einzelfällen – Missbildungen bei Babys: Spina bifida (offenes Rückgrat) und offene Gaumenspalte – sind sehr, sehr traurig, deshalb gehört zur Schwangerschaftsberatung der dringliche Rat, zusätzlich Folsäure zu sich zu nehmen. Das Zusammenspiel von Folsäure und Vitamin B12 ist aber erst richtig komplex, B12 kann bei einem Mangel an Folsäure nicht richtig verwertet werden, und beide zusammen bauen das körpereigene Homocystein ab: Ein zu hoher Homocysteinspiegel gilt als Risikofaktor für Herz- und Kreislaufprobleme bis hin zum Schlaganfall. In mittlerweile 67 Ländern wird deshalb Folsäure bestimmten Grundnahrungsmitteln zugesetzt, allerdings nicht in Europa. Ich jedenfalls nehme vorsichtshalber Kombitabletten, die B12 und B9, also Folsäure, enthalten. Beide Werte waren beim letzten Bluttest top, Folsäure sogar over the top.
Noch ein Wort zu den Tests auf B12: Im Blutbild wird das B12 zwar ausgewiesen, dieser Wert ist aber leider nur für völlig gesunde Otto Normalverbraucher wirklich aussagekräftig, oder wie das Ärzteblatt formuliert: „Gesamt-Vitamin-B12 im Serum ist ein später, relativ unsensitiver und unspezifischer Biomarker des B12-Mangels. Holotranscobalamin (Holo-TC), auch als aktives B12 bezeichnet, ist der früheste Laborparameter des B12-Mangels. Methylmalonsäure (MMA) ist ein funktioneller B12-Marker, der bei leerem B12-Speicher ansteigt. […] Die diagnostische Verwendung von Holo-TC erlaubt therapeutische Schritte, bevor irreversible neurologische Schäden auftreten.“ (t1p.de/l1pg) 1 . Das heißt, wer es wirklich genau wissen will, muss den MMA-Test (t1p.de/5qof) 2 oder den Holo-TC-Test (t1p.de/vjhx) 3 machen. In beiden Fällen darf vorher zehn Tage lang kein Extra-B12 per Tabletten zugeführt werden. Natürlich müssen Sie beide Tests aus eigener Tasche zahlen. Ja, Vorsorge wird leider nicht honoriert und im Zweifel auch nicht bezahlt. Wenn es dann zu Krankheiten kommt, zahlt die Kasse lieber die „Reparatur“, sprich die vermeintliche Heilung, nur dass wir keine Autos sind und Ersatzteile nicht im Regal liegen: Irreversible neurologische Schäden wie oben beschrieben sind eben nicht rückgängig zu machen.
Viele von Ihnen werden die Geschichten von den Seefahrern kennen, die nach monatelanger Fahrt ganz schrecklich unter Skorbut litten, denen die Zähne ausfielen, die schweres Fieber bekamen und was noch alles. Und wie die Einführung von Sauerkraut auf den Schiffen diesen Mangel beseitigt hat – das Vitamin C im Sauerkraut. Folgt man allerdings dem Journalisten Gary Taubes, der mit Good Calories – Bad Calories ein Standardwerk zum Thema Zucker und Kohlenhydrate geschrieben hat, dann war der eigentliche Grund die fast ausschließliche Ernährung mit Schiffszwieback, also schnellen Kohlenhydraten. Nur unter dem Einfluss einer kohlenhydratreichen Kost erleiden wir einen lebensgefährlichen Vitamin-C-Mangel, so Taubes. Davon abgesehen findet sich Vitamin C nicht nur in Früchten oder Gemüse, sondern auch in Fleisch und Fisch, vor allem in den Innereien zum Beispiel der Leber (dort auch das oben angeführte B12 und andere Vitamine). Extra Vitamin C ist also vor allem dann angesagt, wenn man viel Zucker (schnelle Kohlenhydrate) zu sich nimmt. Da ich das nicht tue, lebe ich gut mit dem kleinen Extra von über 300 Prozent, das in Multivitamin- oder anderen Tabletten mitgeliefert wird.
Bei Vitaminen, aber auch Mineralstoffen, ganz allgemein Mikronährstoffen, sollte man immer wissen, in welcher Dosierung man sie nehmen darf, ohne sich zu gefährden. Hilfreich dabei sind die Angaben in Prozent des Tagesbedarfs. Vitamin C kann man kaum überdosieren, da es wasserlöslich ist und ein Überschuss bei gesunden Menschen einfach über die Nieren wieder ausgeschieden wird. Aber ob es mit 200 oder 300 Prozent des Bedarfs auch besser wirkt, das dürfte ewig umstritten bleiben. Der Tagesbedarf eines Erwachsenen wird üblicherweise mit circa 100 Milligramm angegeben, bei Raucher*innen eher 135 Milligramm. Der Nobelpreisträger Linus Pauling soll zeitweise mehrere Gramm (!) pro Tag genommen haben, da er der Meinung war, damit ein Allheilmittel auch gegen Krebs gefunden zu haben. Es scheint ihm nicht geschadet zu haben, er wurde immerhin 93. Den Krebs verhindert hat es letzten Endes aber auch nicht, Pauling starb an Prostatakrebs.
Beim B12 schützt uns der Intrinsic Factor vor einer zu hohen Aufnahme, und auch bei den anderen B-Vitaminen ist eine Überdosierung kaum oder nur schwer möglich, da sie wasserlöslich sind und ein Überschuss, wie beim Vitamin C, einfach ausgeschieden wird. Und billig scheinen sie auch zu sein, denn ich finde auf einer Dose mit einem Vitamin-B-Komplex, die ich mal als Probe geschenkt bekommen habe, alle B-Vitamine in vollkommen verrückten Mengen bezogen auf den Tagesbedarf. B1 wird da zum Beispiel mit 4545 Prozent (ja, über 4000 Prozent!) angegeben, B2 mit 7143 Prozent und nur ein Einziges unter 500 Prozent: B3 (Niacin) mit 188 Prozent. Wären diese absurden Mengen irgendwie gefährlich, würde sich der Hersteller mit der Empfehlung, jeden Tag eine Kapsel zu nehmen, wohl strafbar machen.
Die Verbraucherzentrale ist hinsichtlich des B3/Niacin der Meinung, dass Mengen über 30 Milligramm pro Tag zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie zum Beispiel Hautrötungen, Hitzegefühl sowie Nesselsucht mit stark juckenden Quaddeln führen könnten. Sie schreibt unter anderem: „Die Zufuhrmenge [die nach EU-Verordnung empfohlene Tagesdosis] wird bei der in Deutschland üblichen Ernährung erreicht bzw. überschritten und eine zusätzliche Ergänzung bringt in der Regel keine gesundheitlichen Vorteile. […] In Deutschland trägt speziell der Konsum von Kaffee und Brot zur Versorgung bei.“ (t1p.de/9n03) 1 Der offiziell für mein Alter festgelegte Tagesbedarf (EU-Verordnung) soll bei 14 Milligramm B3 liegen. Ob da eine Tasse Kaffee am Tag reicht? Und was, wenn man kein Brot isst? Mit den 24 Milligramm B3/Niacin, die in meinen Multivitamin-Kapseln drin sind, liege ich bei circa 170 Prozent. Geschadet hat es mir bislang offenbar nicht. Und mir würden auch 100 Prozent oder weniger reichen, ein paar Nüsse hier und da esse ich ja auch.
Die Kapseln, die ich heute nehme (t1p.de/aewo) 1 , enthalten alle oben erwähnten B-Vitamine mit angeblich jeweils 150 Prozent des Tagesbedarfs. Ich verstehe daher die Verzehrempfehlung von bis zu zwei Kapseln nicht ganz, wenn doch zumindest bei den B-Vitaminen schon eine Kapsel 150 Prozent abdeckt. Ich nehme also nur eine, und die kostet circa 16 Cent. Sie enthält Vitamin B1 (Thiamin), B2 (Riboflavin), B3 (Niacin), B5 (Pantothensäure), B6, B7 (Biotin, auch Vitamin H genannt), B9 (Folsäure) und B12. Außerdem enthalten diese Kapseln noch: Magnesium mit 45 Milligramm oder 15 Prozent des Tagesbedarfs eines Erwachsenen (300 mg), Selen mit 100 Prozent, Vitamin E mit 150 Prozent und 50 Milligramm Q10. Für dieses Coenzym gibt es keinen Referenzwert, es ist ein körpereigener Stoff, auf den ich später noch eingehen werde.
Читать дальше