„Ich will nichts mehr mit diesen Leuten zu tun haben“, sagte er schließlich. „Übergebt sie Kapitän Tottenham.“
Siri-Tong wiegte den Kopf hin und her.
„Tottenham ist mitschuldig“, entgegnete sie dann. „Zumindest war er es bis zu dem Zeitpunkt, an dem er zuließ, daß die ‚Santa Cruz‘, die bereits die Flagge gestrichen hatte, zusammengeschossen wurde.“
Hasard schüttelte den Kopf.
„Trotzdem“, sagte er. „Wir sind nicht die Richter eines Duke of Battingham, eines John Killigrew oder eines Charles Stewart. England soll selber über sie urteilen oder zu Gericht sitzen. Wir tun es nicht. Es ist nicht unsere Sache.“
Siri-Tong, die eine besondere Zuneigung mit Hasard verband, verstand ihn nur zu gut.
„Ich glaube, du hast die richtige Entscheidung getroffen“, sagte sie. „Ich werde dafür sorgen, daß deinem Wunsch entsprochen wird.“
Bald darauf setzte die Rote Korsarin zu der spanischen Beutegaleone über und berichtete Kapitän Tottenham, was Philip Hasard Killigrew gesagt hatte.
Sir Edward hörte sich schweigend an, was sie ihm mitteilte. Siri-Tong konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß dieser Mann sich sehr verändert hatte. Auch er überlegte lange und mit ernstem Gesicht. Dann aber ließ er Marc Corbett, seinen Ersten Offizier, rufen.
„Kraft meiner Funktion als Kommandant dieser Galeone“, sagte er, „ordne ich hiermit ein Kriegsgericht gegen den Duke Henry of Battingham, Sir John Killigrew und Charles Stewart an. Bitte, Mister Corbett, sorgen Sie dafür, daß dieses Gericht so rasch wie möglich zusammentritt.“
„Aye, aye, Sir“, erwiderte Corbett und verließ die Kapitänskammer.
Der Himmel über den Pensacola Cays war etwas bedeckt. Die Hitze verwandelte sich nach und nach in drückende Schwüle. Zeitweise hatte es den Anschein, als bahne sich ein Regenguß oder aber ein Gewitter an.
Seit dem Besuch Siri-Tongs auf der spanischen Galeone, die jetzt den Engländern gehörte, war eine gute Stunde vergangen. Die drei Gefangenen, die von dem eingesetzten Kriegsgericht abgeurteilt werden sollten, befanden sich auf der Kuhl des Schiffes.
Das Kriegsgericht, das unter kurzem Trommelwirbel zusammengetreten war, bestand aus den Offizieren der beiden versenkten Galeonen „Orion“ und „Dragon“. Sir Edward führte den Vorsitz.
Die Angeklagten standen nebeneinander. Die Hände hatte man ihnen gefesselt. Ihre Reaktion auf die Tatsache, daß man sie vor Gericht gestellt hatte, war unterschiedlich. Sir Henry hatte ein arrogantes Lächeln aufgesetzt, weil er sich Tottenham haushoch überlegen glaubte. Charles Stewarts Blick war haßerfüllt, und auch John Killigrew konnte seine Wut nicht verbergen. Trotz seiner Handfesseln erweckte er den Eindruck, sich auf die Offiziere stürzen und eine Prügelei beginnen zu wollen.
Sir Edward verlas die Anklage. Die Männer der Crew hatten sich ausnahmslos an Deck versammelt, um Zeugen der Verhandlung zu sein.
„Die Anklage“, begann Sir Edward mit fester Stimme, „lautet in allen drei Fällen: Verletzung der Ehre Englands, Mißbrauch von Kriegsgaleonen Ihrer Majestät, der Königin, zum Zwecke der persönlichen Bereicherung sowie Verletzung der Ehre und Würde des Sir Philip Hasard Killigrew, eines von Ihrer Majestät zum Ritter geschlagenen Mannes. Mit der Verletzung seiner Ehre wurde auch die Ehre Ihrer Majestät in Frage gestellt und beleidigt.“
Sir Henry warf Tottenham einen hochnäsigen Blick zu.
„Ich muß Sie darauf hinweisen, Sir Edward“, sagte er, „daß diese Anklagen nicht stichhaltig sind. Besonders der letzte Anklagepunkt, Mister Stewart, Sir John und ich hätten die Ehre und Würde des Piraten Killigrew verletzt, ist geradezu lächerlich. Dieser Philip Hasard Killigrew ist kein Mann von Ehre, sondern ein Betrüger, Hoch- und Landesverräter …“
Sir Edward unterbrach den Duke of Battingham.
„Welche Beweise haben Sie für diese Anschuldigungen vorzubringen, Sir Henry?“
Der Angeklagte stieß ein kurzes Lachen aus.
„Ich denke, der Auftrag Ihrer Majestät, diesen Mann festzunehmen und nach England zu bringen, ist wohl Beweis genug für die Stichhaltigkeit meiner Vorwürfe. Oder wollen Sie etwa behaupten, die Königin habe uns aufgrund haltloser Verdächtigungen losgeschickt? O nein, Ihre Majestät wußte sehr wohl, was sie tat. Aus diesem Grund bin ich mir auch keiner Schuld bewußt. Ich habe nichts anderes getan, als den Auftrag Ihrer Majestät auszuführen. Wenn mir das bis zur Stunde noch nicht gelungen ist, dann nur deshalb, weil Leute wie Sie, die eigentlich denselben Auftrag verfolgen sollten, mich daran gehindert haben.“
„Sir Henry hat recht“, sagte Charles Stewart plötzlich. „Man hat uns daran gehindert, die königliche Order auszuführen. Wie wollen wir unser Ziel erreichen, wenn man uns wie Verbrecher fesselt und einsperrt! Ich verlange sofortige Freilassung.“
„Ich schließe mich dieser Forderung an!“ ließ sich Sir John Killigrew mit rauher Stimme vernehmen. „Es ist eine Schande, wie Abgesandte Ihrer Majestät behandelt werden.“
Sir Henry nickte eifrig.
„Sie sehen“, fügte er den Worten Killigrews hinzu, „daß diese Gentlemen genauso empört sind wie ich. Statt uns zu unterstützen, will man uns Straftaten unterschieben und pauschal aburteilen.“
„Hier wird niemand pauschal verurteilt“, entgegnete Sir Edward scharf, „auch wenn die Hauptanklagepunkte auf Sie alle zutreffen. Das Gericht wird sich sehr wohl noch mit den Vergehen jedes einzelnen beschäftigen. Dabei wird sich zeigen, ob Ihre Westen wirklich so weiß sind, wie Sie, Sir Henry, das hinzustellen versuchen. Außerdem frage ich Sie, Sir Henry: Welche Beweise können Sie für die Existenz der königlichen Order vorbringen? Sie wurden bereits wiederholt gebeten, das entsprechende Schriftstück Ihrer Majestät oder des Lordadmirals vorzuzeigen. Schon die Kapitäne Rooke und Wavell hatten Einsicht in diese Order verlangt, aber vergebens, und deshalb haben sich die Gentlemen vom Verband abgesetzt. Weder Sie noch Sir Andrew Clifford, der bereits einen anderen Richter gefunden hat, waren jemals in der Lage, Ihre Behauptungen durch das entsprechende Schriftstück zu belegen. Vielmehr haben Sie alle am Verband beteiligten Kommandanten durch Ihre Behauptungen getäuscht. Auch ich muß gestehen, daß ich lange Zeit, an das Vorhandensein einer königlichen Order geglaubt habe. Nur deshalb habe ich mich dazu bewegen lassen, mich an dem Unternehmen zu beteiligen. Jetzt aber bin ich dankbar, daß mir durch die Ereignisse der letzten Zeit und durch die Aussagen verschiedener Personen die Augen geöffnet würden. Sie aber, Sir Henry, waren es, der das Unternehmen zusammen mit Sir Andrew durch Verleumdungen und Intrigen in Gang gesetzt hat, nur um sich im Sinne der Anklage persönlich zu bereichern. Eine Order Ihrer Majestät haben Sie vorgeschoben, um Ihre wirklichen Ziele zu vertuschen. Diese Ziele aber sind hier in der Karibik sehr bald offenbar geworden.“
„Das ist ungeheuerlich!“ begehrte Sir Henry auf. „Es existiert nämlich wirklich eine schriftliche Order Ihrer Majestät …“
„Sind Sie in der Lage, diese dem Gericht vorzulegen?“ fragte Sir Edward.
„Nein. Sie war zuletzt in den Händen von Sir Andrew und muß im Wirbel der Ereignisse verlorengegangen sein.“
„Aha“, sagte Sir Edward. „Das wichtige Schriftstück ging ganz einfach verloren, ohne jemals vorgezeigt worden zu sein. Ich hoffe, Sie sind sich der Lächerlichkeit Ihrer Behauptungen bewußt, Sir Henry. Ich fahre nun damit fort, die Anklagepunkte im einzelnen vorzutragen – auch um den Vorwurf einer pauschalen Verurteilung zu widerlegen.“
„Ich bleibe dabei, im Auftrag Ihrer Majestät gehandelt zu haben“, beharrte Sir Henry. „Deshalb hat niemand das Recht, mir etwas vorzuwerfen.“
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