Der Mann, der Pablo hieß, grollte: „Soll sich doch ’ne andere Zeit aussuchen, diese Hundehure!“
Der andere lachte, sagte noch etwas Unanständiges, dann kehrte wieder Ruhe ein. Eine Tür schlug krachend zu. Das Gejaule war verstummt.
Ein breiter Schatten tauchte vor den beiden Posten in der Türnische auf.
„Na, ihr beiden?“ brummte er. „Alles klar bei euch?“
Der Kerl, der am Boden hockte, rappelte sich auf. Der andere glotzte.
Sekunden später fuhren zwei Riesenarme auf sie zu, zwei Pranken legten sich außen um ihre Köpfe – es war gut, daß sie ihre Helme abgesetzt hatten –, und schon krachten ihre Schädel gegeneinander. Der eine rutschte gleich weg, der andere pfiff noch ein bißchen, bevor er umkippte.
Carberry nickte zufrieden und verpaßte beiden aus Sicherheitsgründen noch je einen Jagdhieb an die Schläfen. Pater Aloysius führte die vier Maultiere heran. Gefesselt und geknebelt wurden die beiden Kerle über zwei Maultiere gepackt.
Matt Davies und von Hutten kehrten zurück. Carberry hatte in den Taschen des einen Soldaten einen großen Schlüssel gefunden. Er paßte in das Schloß der Tür zum Pulverturm. Sie drangen ein. Dan O’Flynn blieb draußen und sicherte.
Eine Viertelstunde später zogen Carberry und Matt Davies mit den vier Maultieren ab – beladen mit den beiden Soldaten und kleinen Pulverfässern.
Pater Aloysius übernahm draußen die Wache, während Hasard, Jean Ribault, Karl von Hutten und Dan O’Flynn im Pulverturm fieberhaft an der Arbeit waren. Sie hatten die Tür angelehnt und eine Öllampe entzündet, um Licht zu haben.
Im Turm lagerten Pulverfässer verschiedener Größen, Kartuschen, Lunten sowie Kugeln und gehacktes Blei.
Sie nahmen sich die kleinsten Pulverfässer vor, entleerten sie zum Teil, füllten Musketenkugeln und gehacktes Blei nach, führten Lunten ein und verdammten sie.
Hasard verlegte eine genau bemessene Zündschnur in den Keller, wo die größten Pulverfässer gelagert waren.
Inzwischen kehrten Carberry und Matt Davies wieder mit den vier Maultieren zurück und brachten Stenmark und Mel Ferrow als Verstärkung mit. Die Maultiere wurden wieder mit Pulverfässern beladen.
Es ging auf Mitternacht zu – Zeit zur Ablösung der beiden Posten. Die beiden neuen Posten trotteten über den Weg zum Pulverturm heran. Carberry und Matt Davies standen in der Türnische – bereit zum freundlichen Empfang. Sie hatten sich die beiden Helme der vereinnahmten Posten aufgesetzt. Der Helm Carberrys wackelte mal wieder, was den Profos in Braß brachte. Für seinen massigen Schädel würden die Dons irgendwann einmal eine Sonderanfertigung herstellen müssen.
Die beiden neuen Posten näherten sich.
Carberry gähnte laut, hielt den Helm mit der linken Hand fest und blaffte die beiden Kerle an: „Jetzt wird’s aber Zeit, ihr Pennbrüder! Wir haben nämlich noch was anderes zu tun, als auf euch zu warten.“
„Wie?“ fragte der eine dümmlich.
Und der andere fragte: „Wer bist ’n du?“
Neugierig traten sie noch näher. Es war nicht zu fassen, und doch stimmte hier die Weisheit, daß der beste Soldat zum harmlosen Trottel wird, wenn seine kämpferischen Instinkte in einer langen Zeit des unkriegerischen Müßiggangs verkümmert sind. Im übertragenen Sinne trifft das auch für die Waffen zu: Ein Schwert, das zu lange in der Scheide bleibt, rostet und wird unbrauchbar.
„Was? Du kennst mich nicht?“ fragte Carberry entrüstet.
Zugleich mit Matt Davies sprang er vor. Matt schlug dem Kerl links die Rundung seines Eisenhakens auf die Hurratüte, Carberry versorgte den Kerl rechts auf die gleiche Weise. Bei ihm war es die mächtige Faust, der sogenannte Profos-Hammer. Bei Matt schepperte es etwas, bei Carberry klang es dumpfer.
Fesseln und Knebeln wurden schon zur Routine. Hasard steckte den Kopf aus der Tür.
„Alles klar?“
„Alles klar, Sir“, erwiderte Carberry. „Ist jetzt der Zwinger dran, oder sollen wir erst die beiden Kerle und das Pulver mit den Maultieren zurückbringen?“
„Letzteres zuerst. Wir warten, bis ihr zurück seid. Die Maultiere könnt ihr im Stollen lassen, wir brauchen sie nicht mehr, wenn wir uns den Zwinger vornehmen.“
„Aye, Sir.“
Die beiden Kerle wurden auf zwei Maultiere verfrachtet, verzurrt, und schon ging die Fuhre ab.
Hasard wickelte die Zündschnur zur Sprengung des Turms ab und verlegte sie auf die Ostseite. Die Männer brachten die präparierten Pulverfäßchen nach draußen und stellten sie ab. Acht Stück waren es – hergestellt nach dem Prinzip der Höllenflaschen, die Ferris Tucker entwickelt hatte. Die waren zwar handlicher und konnten ziemlich weit geschleudert werden, aber in diesem Fall brauchten sie die Fäßchen nur über den Zaun zu stoßen. Mit etwas Kraft dahinter rollten sie weiter in den Zwinger.
Über der Stadt lag der gelbliche Lichtschein der Straßenlampen. Da und dort schimmerte Licht aus den Fenstern.
Hasard instruierte leise seine Männer, die zusammen unter der Führung Jean Ribaults das Unternehmen gegen den Zwinger durchführen würden. Die Sprengung des Pulverturms behielt sich Hasard vor.
„Ich warte eure Aktion ab“, sagte er leise. „Wer von euch sein Faß in den Zwinger befördert hat, nimmt die Beine in die Hand und verschwindet im Eiltempo zum Stollen. Ich zähle bei den Explosionen mit. Nach der achten zünde ich die Lunte zum Keller. Ich habe sie so bemessen, daß sie nach etwa sechs Minuten das Faß im Keller brennend erreicht, und dann kracht’s! Zu diesem Zeitpunkt sollten sich die ersten von euch bereits im Stollen befinden. Der Rest muß Deckung in den Stollen vor unserem gefunden haben. Denn da wird einiges vom Himmel fallen. Sobald das Schlimmste vorbei ist, setzt sich dieser Rest ebenfalls zu unserem Stollen ab.“
„Und du?“ fragte Jean Ribault.
Hasard grinste hart. „Ich bin der letzte, mein Freund.“
„Und wenn dir ein Stein auf den Kopf fällt?“
„Wenn’s regnet, wird man naß“, sagte Hasard trocken.
Jean Ribault knirschte mit den Zähnen. „Ist gut – ich bring dir dann einen Regenschirm.“ Er wußte: Es war völlig zwecklos, diesem eisenharten Dickschädel auszureden, daß auch ein anderer diesen Part am Pulverturm spielen könne, der weiß Gott gefährlich genug war. Denn Hasard hatte den längsten Weg zurück zum Stollen. Und wenn die Lunte bereits nach fünf Minuten zündete – dann Halleluja!
In diese Gedanken hinein sagte Hasard: „Euer Part ist viel gefährlicher, mein Alter. Denn ihr müßt damit rechnen, daß nach den ersten Explosionen die Aufseher aus ihren Baracken stürzen. Hast du daran gedacht? Wer also von euch bereits die Hände frei hat, sollte dann Pistole oder Muskete einsetzen, um die anderen zu decken. Das muß ineinandergreifen, versteht ihr? Es sei denn, ihr schafft es alle, eure Fässer fast gleichzeitig zu zünden und zu werfen. Vielleicht wäre das empfehlenswert. Habt ihr alle Feuerstein und Lunte?“
Hatten sie alle.
Jean Ribault schüttelte den Kopf. „Das haut nicht hin, Hasard. Wenn wir alle acht gleichzeitig mit Lunte und Feuerstein herumfummeln, gibt das so viel Unruhe, daß die Hunde aufmerksam werden. Ich dachte an eine verdeckte Öllampe, mit der wir nacheinander zünden – natürlich so schnell, wie’s nur irgend geht.“
„Schon richtig“, sagte Hasard, „aber ihr verlängert damit eure Zeit am Zwinger. Bitte bedenke, daß ihr nach jedem einzelnen Wurf in Deckung gehen und warten müßt, bis die Ladung explodiert ist. Ihr wollt euch ja nicht selbst umbringen, nicht wahr? So zieht sich das also hin und ergibt eine Zeit, die ausreicht, um die Aufseher auf den Plan zu rufen. Klar?“
Jetzt nickte Jean Ribault.
Hasard sagte: „Jeder von euch muß zusehen, daß er eine Deckung hat, wenn er die Lunte zum Fäßchen zündet. Laßt die Hunde getrost unruhig werden. Kümmert euch nicht darum. Ich schätze, ihr werdet geschickt genug sein, auf ein Zeichen von Jean hin fast gleichzeitig zu zünden. Die weitere Abfolge ist klar und dürfte nahezu synchron ablaufen. Beim Knistern der Lunte springt ihr aus eurer Deckung an den Zaun, stoßt die Fässer hinüber und haut ab. Peilt dabei mit einem Auge zu den Baracken. Sollten sich da schon Aufseher zeigen, dann feuert – egal, ob ihr trefft.“
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