„Mein Auftrag ist wichtiger“, erwiderte Jussuf mit Würde. „Und man muß Prioritäten zu setzen wissen. Außerdem verbietet der Prophet den Umgang mit solchen Frauenzimmern.“
„Schon gut“, sagte Arne. „Caligula hat also voll aufgedreht und den großen Mann gespielt, nicht wahr?“
„Ja. Die Weiber haben vor Vergnügen gekreischt“, hob Jussuf noch einmal hervor. „Das meiste, was er von sich gegeben hat, haben sie nicht für bare Münze gehalten. Aber sie haben ihn immer wieder animiert, noch mehr zu erzählen, vor allem Madam Luana. Er hat sich als großer Kapitän ausgegeben und verraten, wo sich sein Schiff zur Zeit befindet.“
„In einer Bucht der Islas de Mangles“, wiederholte Arne. Er hatte bereits eine Karte zur Hand genommen und die Position der Inselgruppe südlich von Kuba festgestellt. „Mein lieber Jussuf, dieser Hinweis ist für uns Gold wert. Nicht nur für uns, sondern auch für unsere Freunde von der Schlangen-Insel.“
Jussuf grinste breit und zufrieden. „Wir schicken also wieder einen meiner Lieblinge auf die Reise?“
„Ja. Aber erst, wenn es wieder dunkel ist.“
„Ich verstehe nicht, wie Caligula so unvernünftig sein kann“, sagte Jörgen. „Er muß doch damit rechnen, daß irgend jemand gegen ihn verwendet, was er ausplaudert. Vielleicht hat Madam Luana längst begriffen, daß mit der ‚Königin‘ die Black Queen gemeint ist. Sie könnte das an den Gouverneur weitergeben.“
„Das glaube ich nicht“, sagte Arne. „Aber Caligulas Ausrutschen könnte folgende Gründe haben. Mitte Dezember wurde die Queen ja von El Tiburon angeschossen. Seitdem mußte sich Caligula um sie und auch um den Zweidecker kümmern. Das hat an ihm gezehrt. Jetzt ist er in der großen Hafenstadt Havanna und kann das genießen, was er seit Monaten entbehrt hat. Versteht ihr?“
„So verliert denn auch ein Mann wie er den Kopf“, sagte Jussuf. „Und er redet Sachen daher, die er eigentlich für sich behalten sollte. Als Farbiger ist er nicht frei von Imponiergehabe vor weißen Frauen.“
„Ja, das leuchtet auch mir ein“, sagte Jörgen. „Ich schätze aber, daß er sich auf die Weise noch Ärger einhandelt.“
„Jussuf, du gehst zurück zu der Kneipe und beschattest weiterhin Caligula“, sagte Arne. „Wir müssen einen Plan entwerfen, aber ich weiß noch nicht recht, wie wir am besten verfahren.“
Die Black Queen lebte – wie er richtig vermutet hatte. Aber er mußte Jussufs neue Informationen erst überdenken. Das Wichtigste war zunächst einmal, den Bund der Korsaren über die neue Wendung zu unterrichten. Er mußte entscheiden, was unternommen werden sollte. Die Zeit drängte. Die Queen war genauso gefährlich wie Don Juan de Alcazar. Im übrigen mußte er, Arne, verhindern, daß Caligula die Gelegenheit erhielt, mit Don Juan Kontakt aufzunehmen.
Arne begriff, daß sein Spiel in Havanna immer gefährlicher wurde. Aber er durfte sich nicht entmutigen lassen, sie mußten weiterarbeiten.
Während die drei Männer noch herumgrübelten, Pläne faßten und wieder verwarfen, geschah etwas, was ihnen die Initiative entzog. Keiner hatte damit gerechnet, aber im Grunde war es Jörgen Brunn, der recht behielt. Caligula handelte sich Ärger ein.
Die Kellerkaschemme „Malagena“ begann sich um die Mittagsstunde zu füllen. Caligula verfolgte lachend und grölend das Treiben an der Theke und an den Tischen, er war der Herr der Szene. Bei ihm waren inzwischen nicht nur die dunkelhaarige Hure, sondern auch Joanna und eine dritte, rothaarige Frau. Außerdem war er von Kerlen umringt, die alle auf seine Kosten zechten. Caligula ließ die Dublonen rollen, und der Schankwirt bediente ihn mit untertänigem, beflissenem Gebaren.
Caligula trank, brüllte herum, riß Witze, sang schmutzige Lieder und preßte die Frauen an sich. Ungeniert griff er Joanna in den Ausschnitt, und alle lachten darüber.
Nur einer lachte nicht mit. Er stand an der Theke und genehmigte sich einen Becher Rotwein. Mit wachsendem Ärger verfolgte er, was sich am Tisch des großen Schwarzen abspielte. Er hieß Diego Cámara und war ein spanischer Fischhändler. Er wußte nicht, wer der Schwarze war, und er ahnte auch nicht, daß er an diesem sonnigen Tag in Havanna sterben würde. Er wußte nur eins: daß ihm das Auftreten dieses Kerl nicht paßte.
Der Schankwirt tauchte hinter der Theke auf und füllte den leeren Bierkrug. Cámara beugte sich zu ihm hinüber und sagte: „He, Lopez, komm mal her.“
„Hast du deinen Wein schon ausgesoffen? Warte, ich habe jetzt keine Zeit.“
„Ach. Du mußt den Nigger bedienen, was?“
„Richtig. Es ist schon der zwölfte Krug.“
„Und deine anständige Stammkundschaft kann warten, wie?“
Lopez, der Schankwirt, drehte sich mit dem halbvollen Krug in der Hand langsam zu ihm um. „Suchst du etwa Streit?“
„Ach was. Ich staune nur.“ Cámaras derbes Gesicht war leicht verkniffen. „Bei mir werden solche Affen nur mit der Peitsche bedient.“
„Bei mir werden sie bewirtet, wenn sie bezahlen können und keinen Ärger machen.“
„Wer ist denn der schwarze Hurensohn?“
Lopez warf einen hastigen Blick zu Caligulas Tisch, dann entgegnete er: „Nicht so laut, Mann. Bist du verrückt?“
„Hast du Angst vor ihm?“
„Ich denke nur an mein Geschäft. Er behauptet, der König der Karibik und ein großer Kapitän zu sein, aber mir ist das egal.“
„Ja“, sagte der Fischhändler. „So verkauft sich jeder auf seine Weise. Du bist auch nicht besser als die Huren, die sich hier rumtreiben und dir die Zimmer bezahlen.“
„Wirt!“ brüllte Caligula. „Meine Kehle ist trocken und ausgedörrt! Ich lechze nach Bier! Was ist los? Sind die Fässer schon leer?“
„Ich komme!“ rief Lopez. Er füllte den Krug ganz, blickte dabei aber zu Cámara und zischte: „Mach hier keinen Stunk. Wenn du was auszusetzen hast, haust du am besten gleich wieder ab. Es gibt genug Pinten im Hafen, warum mußt du ausgerechnet bei mir rumstänkern?“
„Weil ich keine Nigger leiden kann“, erwiderte Cámara, aber das hörte Lopez schon nicht mehr. Er war unterwegs zu Caligula, umrundete den Tresen, steuerte zwischen den Tischen hindurch und stieß in eine Lücke zwischen zwei von den Kerlen, die Caligula umringten.
Er knallte den Krug auf den Tisch, daß der Schaum spritzte und sagte: „Salud – Prost.“
„Prost!“ brüllte die Bande.
Gierig füllte ein Kerl die Becher und Humpen und wieder wurde getrunken. Caligula interessierte es nicht, was die Kerle taten, er war mit den Huren beschäftigt. Gerade untersuchte er, ob der Busen der Dunkelhaarigen, Glutäugigen genauso groß war wie der von Joanna. Sie quietschte und kicherte, und er stieß ein begeistertes Grunzen aus.
Lopez war unterdessen hinter die Theke zurückgekehrt. Diego Cámara war nicht mehr da, er hatte seinen Becher stehen lassen. War er gegangen, ohne die Zeche zu zahlen? Lopez war es gleichgültig. Die Hauptsache war, daß es keinen Krach gab.
Aber Cámara befand sich noch in dem Gewölbe. Er hatte sich in die Nähe von Caligulas Tisch begeben und stand gegen eine Säule gelehnt, so daß Lopez ihn von der Theke aus nicht sehen konnte.
„Alle Weiber zu mir!“ brüllte Caligula gerade und griff nach der Rothaarigen. „Du bist richtig für mich! Wie fühlst du dich an? Ha, ihr seid gut gebaut, ihr weißen Weiber! Mit euch gefällt mir das Leben!“
Lachend rutschte die Rothaarige auf seinen Schoß. Joanna kniff sie in den Oberschenkel, und auch der Dunkelhaarigen warf sie hin und wieder einen giftigen Blick zu. Sie wollte sich das Geschäft mit Caligula nicht verderben lassen.
Aber die Rothaarige ließ sich nicht beeindrucken. Kichernd und glucksend ließ sie sich von Caligula abtasten.
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